AGB-Klausel, die automatische Trinkgeld-Abbuchung beinhaltet, ist unzulässig

12. Juni 2018
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Teller mit Münzen und dem Zettel "Danke" Urteil des LG Koblenz vom 30.10.2017, Az.: 15 O 36/17

Eine AGB-Klausel, die vorsieht, dass bei einer Kreuzfahrt die Trinkgeldempfehlung in Höhe von 10,- € pro Person pro Nacht automatisch an Bord abgebucht wird, ist unzulässig. Daran ändert sich auch nichts, wenn die Klausel ebenso vorsieht, dass der Kunde den Betrag an der Rezeption kürzen, streichen oder erhöhen kann. Denn bei Trinkgeld-Leistungen handelt es sich um eine über die Hauptleistung hinausgehende zusätzliche Leistung. Eine solche müsste ausdrücklich (individuell) vereinbart werden. Der Kreuzfahrt-Reisende soll selbst entscheiden dürfen, ob und in welcher Höhe er Trinkgeld geben möchte und für angemessen hält.

Landgericht Koblenz

Urteil vom 30.10.2017

Az.: 15 O 36/17

 

In dem Rechtsstreit

Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.

(…)

gegen

Berge & Meer Touristik GmbH

(…)

wegen Unzulässiger Allgemeiner Geschäftsbedingungen

hat die 15. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz durch den Richter am Landgericht (…) auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 11.09.2017 für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollstrecken an den Geschäftsführern, zu unterlassen,

in Bezug auf Reiseverträge, die mit Verbrauchern geschlossen werden,

die nachfolgende oder eine inhaltsgleiche Bestimmung als Allgemeine Geschäftsbedingung einzubeziehen, sowie sich auf die Bestimmung bei der Abwicklung derartiger Verträge zu berufen

„Trinkgeldempfehlung: [Sie sind sicher gerne bereit, die Leistung der Servicecrew durch Trinkgeld zu honorieren.] Hierfür wird auf Ihrem Bordkonto ein Betrag i.H.v. 10,- pro Person/Nacht an Bord gebucht, die Sie an der Rezeption kürzen, streichen oder erhöhen können.“,

soweit die Bestimmung als Allgemeine Geschäftsbedingung vom Verbraucher nicht gesondert bestätigt worden ist.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 150.000,00 Euro vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Unterlassung der Verwendung einer bestimmten Bestimmung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Der Kläger ist einem beim Bundesamt für Justiz in Bonn eingetragene qualifizierte Einrichtung i.S.d. § 4 UKlaG. Die Beklagte ist eine Reiseveranstalterin, die ihre Reiseprodukte mit Katalogen, Flyern, besonderen Anzeigen oder im Rahmen des Internetauftritts vermarktet. Sie vertreibt außerdem im Rahmen von Kooperationen mit verschiedenen Vertriebspartnern Reisen, wobei eine beschränkte Anzahl von Reiseangeboten im regelmäßigen Rhythmus von den jeweiligen Vertriebspartnern potentiellen Reisekunden angeboten wird. Dabei weisen die jeweiligen Vertriebspartner ausdrücklich darauf hin, dass die Beklagte die Reiseveranstalterin Ist. Potentielle Reisekunden können Reisen entweder über die Internetseite der Beklagten, über eine speziell eingerichtete Telefonnummer oder per Post, Telefax, E-Mail sowie bei persönlicher Vorsprache in den Geschäftsräumen der Beklagten buchen. Bei Buchung erhalten die Kunden eine Reisebestätigung und Rechnung.

Auf Seite 20 des Reiseprospektes von „ALDI-Reisen“, Ausgabe Dezember 2016, buchbar ab dem 01.12.2016, warb die Beklagte als Reiseveranstalterin mit einer Schiffsreise auf dem Schiff
„Costa Luminosa“ der Costa-Reederei zu einem Ab-Preis von 599,00 EUR. Unter der Rubrik „lnklusivleistungen und Wunschleistungen pro Person“ hieß es: „Trinkgeldempfehlung: Sie sind sicher gerne bereit, die Leistung der Servicecrew durch ein Trinkgeld zu honorieren. Hierfür wird auf Ihrem Bordkonto ein Betrag in Höhe von 10,- pro Person/Nacht an Bord gebucht, den Sie an der Rezeption kürzen, streichen oder erhöhen können.“

Zu Beginn jeder Schiffsreise wird für jeden Passagier ein Bordkonto angelegt, worüber sämtliche auf dem Schiff gemachten Ausgaben abgewickelt werden (z.B. Getränke, Ausflüge usw.). Gemäß den Ausführungen in der oben genannten „Trinkgeldempfehlung“ kann der Kunde bereits bei Anlegung des Kontos angeben, dass er kein Trinkgeld geben will, wobei – aus buchhalterischen Gründen bei den Reedereien unterschiedlich – entweder der entsprechende Buchungsvorgang unterbleibt oder die Einbuchung zwar vorgenommen, jedoch spätestens mit der Endabrechnung storniert wird.

Mit Schreiben vom 20. 12.2016 mahnte der Kläger die Beklagte ab und führte in dem Schreiben aus, dass sie die Textpassage „Hierfür wird auf Ihrem Bordkonto ein Betrag in Höhe von 10,- pro Person/Nacht an Bord gebucht, den Sie an der Rezeption kürzen, streichen oder erhöhen können.“ als Verstoß gegen § 307 BGB beanstande. Dem war eine vorformulierte Unterlassungserklärung beigefügt. Mit anwaltlichem Schreiben vom 11.01.2017 ließ die Beklagte die Forderung zurückweisen.

Der Kläger trägt vor:

Bei dem bereits vorgerichtlich beanstandeten Teil handele es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen und der betreffende Teil verstoße gegen § 307 Abs.2 Nr. 1 BGB, § 307 Abs. 1 BGB sowie gegen wesentliche Grundgedanken aus § 312a Abs. 3 BGB. Bei dem automatisch eingezogenen Trinkgeld handele es sich um Entgelt, das über das Entgelt für die Hauptleistung hinausgehe. Dafür sei eine ausdrückliche Vereinbarung erforderlich, womit sich nicht vereinbaren lasse, dass der Verbraucher erst aktiv werden müsse, um die Abbuchung zu verhindern. Es bestehe daher ein Unterlassungsanspruch aus § 1 UKlaG. Für die Abmahnung sei eine Kostenpauschale in Höhe von brutto 214,00 EUR geltend zu machen.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollstrecken an den Geschäftsführern, zu unterlassen,

in Bezug auf Reiseverträge, die mit Verbrauchern geschlossen werden,

die nachfolgende oder eine inhaltsgleiche Bestimmung als Allgemeine Geschäftsbedingung einzubeziehen, sowie sich auf die Bestimmung bei der Abwicklung derartiger Verträge zu berufen

„Trinkgeldempfehlung: [Sie sind sicher gerne bereit, die Leistung der Servicecrew durch Trinkgeld zu honorieren.] Hierfür wird auf Ihrem Bordkonto ein Betrag i.H.v. 10,- pro Person/Nacht an Bord gebucht, die Sie an der Rezeption kürzen, streichen oder erhöhen können.“; und

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 214,00 EUR nebst Zinsen seit Klageerhebung in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor:

Ihr Verhalten sei nicht wettbewerbswidrig und es handele sich lediglich um eine Empfehlung und damit nicht um einen festen Bestandteil des Reisepreises. Der Verbraucher vor Ort bestimme, ob er Trinkgeld geben wolle und in welcher Höhe. Da es sich nur um eine Empfehlung (unverbindliche Bitte oder Hinweis) handele, liege auch keine Allgemeine Geschäftsbedingung vor. Die beanstandete Trinkgeldempfehlung werde seit Mai 2014 in einer mit anderen Verbraucherschutzverbänden abgestimmten Art und Weise – auch von anderen Wettbewerbern in gleicher Art – verwendet. Sie verweist hierzu auf mehrere vorgelegte Kreuzfahrtkataloge sowie Reiseausschreibungen verschiedener Veranstalter. Die Vorschrift des § 312a Abs. 3 BGB gelte nur im elektronischen Rechtsverkehr, jedoch nicht hier. Der Verbraucher werde bei einer lnkludierung des empfohlenen Trinkgeldes in den Reisegesamtpreis im Falle einer Stornierung erheblich schlechter gestellt, denn bei Stornierung würden Rücktrittspauschalen von bis zu 90 % des Reisepreises anfallen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist überwiegend, in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang, begründet.

I.

Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 UKlaG ist das Landgericht Koblenz ausschließlich zuständig. In dessen Bezirk hat die Beklagte ihre gewerbliche Niederlassung.

II.

Der Kläger kann gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unter1assung nach § 1 UKlaG geltend machen.

Nach dieser Vorschrift kann auf Unterfassung in Anspruch genommen werden, wer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Bestimmungen, die nach den §§ 307 bis 309 BGB unwirksam sind, verwendet oder für den rechtsgeschäftlichen Verkehr empfiehlt. Die streitgegenständliche Klausel („[…].Hierfür wird auf Ihrem Bordkonto ein Betrag i.H.v. 10,- pro Person/Nacht an Bord gebucht, die Sie an der Rezeption kürzen, streichen oder erhöhen können.“), die die Beklagte verwendet, ist eine Abweichung von wesentlichen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung, mit dieser nicht zu vereinbaren und deswegen nach §307 Abs . 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.

1.

Die Aktivlegitimation des Klägers hinsichtlich des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs ergibt sich aus § 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG.

2.

Bezüglich der streitgegenständlichen Klausel handelt es sich auch um eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten.

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach § 305 Abs. 1 BGB alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei(Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind. „Vorformuliert sind Vertragsbedingungen dann, wenn sie zeitlich vor dem Vertragsabschluss fertig formuliert vorliegen, um in künftige Verträge einbezogen zu werden. Das Ist ohne weiteres der Fall, wenn die Vertragsbedingungen in schriftlicher Form vorbereitet und für die Einbeziehung in abzuschließende Verträge bereitgestellt, also z.B. in Vertragsformulare aufgenommen, auf die Vertragsurkunde gestempelt sind oder im Geschäftslokal ausgehängt werden. „Vorformuliert“ sind Vertragsbedingungen auch dann, wenn sie nicht schriftlich niedergelegt, sondern zum Zweck künftiger Verwendung „im Kopf“ des Verwenders oder seiner Abschlussgehilfen oder als Textbausteine eines Computer-Programms oder sonstigen Datenträgers gespeichert sind (vgl. Basedow in Münchener Komm. zum BGB, 7. Aufl. 2016, § 305, Rn. 13). Diese Voraussetzungen sind hier vor dem Hintergrund der schriftlich vorformulierten Klausel erfüllt.

Auf den Einwand des Beklagten, es handele sich um eine bloße Empfehlung, kommt es nicht an,
da der Kläger nur den Teil „Hierfür wird auf Ihrem Bordkonto ein Betrag in Höhe von 10,- pro Person/Nacht an Bord gebucht, den Sie an der Rezeption kürzen, streichen oder erhöhen können.“ beanstandet, was beinhaltet – und so trägt es die Beklagte auch selbst vor -, dass es zu einer Belastung des Bordkontos kommt und nur auf Tätigwerden des Verbrauchers diese Buchung gelöscht oder sonst rückgängig gemacht wird. Hierbei handelt es sich, da das Bordkonto vom
Verbraucher auszugleichen ist, keinesfalls um eine unverbindliche Empfehlung.

3.

Die streitgegenständliche Klausel ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1BGB unwirksam. Danach sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen, wobei eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen ist, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Die hier vorliegende Klausel weicht von dem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung des § 312a Abs. 3 Satz 1 BGB ab. Nach dieser gesetzlichen Vorschrift kann ein Unternehmer mit einem Verbraucher eine Vereinbarung, die auf eine über das vereinbarte Entgelt für die Hauptleistung hinausgehende Zahlung des Verbrauchers gerichtet ist, nur ausdrücklich treffen. Gegen dieses Gebot der Ausdrücklichkeit verstößt die hier beanstandete Bestimmung.

a.

Die Vorschrift des § 312a Abs. 3 Satz 1 BGB hat einen weiten Anwendungsbereich und erfasst insbesondere auch die in § 312 Abs. 2 bis Abs. 6 BGB angeführten Verträge (vgl. Wendehorst in Münchener Komm. zum BGB, 7. Aufl. 2016, § 312a, Rn.45). Von § 312 Abs.2 Nr. 4 sich auch Verträge über Reiseleistungen nach § 651a BGB erfasst, wenn diese im Fernabsatz geschlossen werden oder sie außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden, wenn die mündlichen Verhandlungen, auf denen der Vertragsschluss beruht, auf vorhergehende Bestellung des Verbrauchers geführt worden sind. Fernabsatzverträge sind nach § 312c Abs. 1 BGB Verträge, bei denen der Unternehmer oder eine in seinem Namen oder Auftrag handelnde Person und der Verbraucher für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt. Fernkommunikationsmittel sind nach § 312c Abs. 2 BGB alle Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrags eingesetzt werden können, ohne dass die Vertragsparteien gleichzeitig körperlich anwesend sind, wie Briefe, Kataloge, Telefonanrufe, Telekopien, E-Mails, über den Mobilfunkdienst versendete Nachrichten (SMS) sowie Rundfunk und Telemedien. Da die Beklagte unstreitig auch über das Internet eine speziell eingerichtete Telefonnummer oder per Post, Telefax und E-Mail Reisebuchungen mit Kunden vornimmt, handelt es sich dabei um Verträge über Reiseleistungen nach § 651a BGB durch Fernabsatzgeschäfte, auf die letztendlich damit § 312a Abs.3 Satz 1 BGB anzuwenden ist.

b.

Unter § 312a Abs. 3 Satz 1 BGB fallen Entgelte für Nebenleistungen aller Art, d.h. für Leistungen außer der Hauptleistung. Der Begriff ist weit auszulegen (vgl. Grüneberg in Palandt, BGB,
76. Aufl. 2017, § 312a, Rn. 4). Das mit der Bestimmung geregelte Service-Entgelt ist ein solches Entgelt für Nebenleistungen, denn es ist bereits Teil des nach § 1Abs. 1 Satz 1 PAngV in Verbindung mit Art. 7 Abs. 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG anzugebenden Gesamtpreises (vgl. BGH, Urteil vom 07.05.2015, Az.: I ZR 158/14, GRUR 2015, 1240; OLG Jena, Urteil vom 19.02.2014, Az.: 2 U 668/13, NJW-RR 2014, 1000).

c.

Die von § 312a Abs. 3 Satz· 1 BGB geforderte Ausdrücklichkeit erfordert, dass der Verbraucher seinen auf Erhalt der Nebenleistung gerichteten Willen nicht bloß konkludent, sondern unmittelbar in einer Erklärung äußert (vgl. Wendehorst in Münchener Komm. zum BGB, 7.Aufl. 2016, § 312a, Rn. 57). Dies ist zwar auch durch Allgemeine Geschäftsbedingungen möglich, wobei diese dann jedoch einer ausdrücklichen Vereinbarung der Parteien bedürfen (vgl. BT-Drucks. 17/12637, Seite 53; Wendehorst a.a.O.) bzw. einer gesonderten Bestätigung der in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen befindlichen betreffenden Bestimmung (vgl. Grüneberg in Palandt, BGB, 76. Aufl. 2017, § 312a, Rn. 4) oder eines zusätzlichen Hinweises darauf (vgl. Schomburg, VuR 2014, 18, 20). Daran fehlt es hier bei einer Einbeziehung der streitgegenständlichen Bestimmung in den All gemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten in die jeweiligen Verträge mit den Verbrauchern.

Zwar erfordert die Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in den Vertrag nach
§ 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB u.a. schon selbst, dass der Verwender ausdrücklich oder durch deutlich sichtbaren Aushang am Orte des Vertragsschlusses auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen hinweist, sodass ohne dies die Allgemeinen Geschäftsbedingungen bereits nicht Vertragsinhalt würden. Jedoch ist dies nach Auffassung der Kammer nicht mit dem Ausdrücklichkeitserfordernis in § 312a Abs.3 Satz 1 BGB gleichzusetzen, da hierdurch der mit der Regelung beabsichtigte Zweck, dass dem Verbraucher die Vereinbarung von Nebenleistungen oder sonstige Zusatzentgelte durch vorab angekreuzte Kästchen oder Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen untergeschoben wird (vgl. Wendehorst a.a.O., §312a, Rn. 44), verfehlt würde. Demnach genügt die bloße (allein nach § 305 Abs. 2 BGB wirksame) Einbeziehung der bestreffenden Bestimmung nicht den Anforderungen nach § 312a Abs. 3 Satz 1 BGB.

d.

Der Anwendungsbereich des § 312a Abs. 3 Satz 1 BGB wird nicht durch § 312a Abs. 3 Satz 2 BGB dergestalt eingeschränkt, sodass nur Verträge im elektronischen Geschäftsverkehr hiervon umfasst wären. Wie bereits der Wortlaut von § 312a Abs. 3 Satz 2 BGB zeigt, nimmt dieser mit seiner Formulierung („solche Vereinbarung“) Bezug auf § 312a Abs. 3 Satz 1 BGB und setzt den dort geregelten Fall voraus. Es handelt sich mithin bei Satz 2 um die speziellere Regelung. Auch aus Art. 22 der 20. Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2011 über die Rechte der Verbraucher (VerbrRRL 20), auf die § 312a Abs. 3 BGB zurückgeht, lässt sich dies ableiten.

e.

Es handelt sich schließlich bei dem Ausdrücklichkeitsgebot i.S.d. § 312a Abs. 3 Satz 1 BGB auch um einen wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung i.S.d. § 307 Abs.2 Nr. 1 BGB. Da nach § 312k Abs. 1 BGB von der Vorschrift § 312a Abs. 3 BGB nicht zum Nachteil des Verbrauchers oder Kunden abgewichen werden und auch nicht durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden darf, zeigt sich bereits, dass es sich um einen wesentlichen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung handelt. Es sind auch keine Gründe ersichtlich, die eine Abweichung von der in § 307 Abs. 2 Nr.1 BGB aufgestellten Zweifelsregelung rechtfertigen könnten.

4.

Die Beklagte ist auch Verwenderin der hier streitgegenständlichen Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, denn dies ist derjenige, der Partei des unter Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen geschlossenen oder zu schließenden Vertrages ist oder werden soll (vgl. Micklitz a.a.O.,§ 1 UKlaG, Rn.23).

Der Umstand, dass die beanstandete Klausel letztendlich ganz offensichtlich auf einer Vorgabe vonseiten der von der Beklagten unabhängigen Reedereien beruht, da diese das Trinkgeld direkt auf dem Bordkonto belasten und den dortigen Saldo kassieren, führt zu keiner anderen Beurteilung. Nach § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB gelten Allgemeine Geschäftsbedingungen als vom Unternehmer gestellt, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden. Letztendlich sind auch Drittbedingungen in die Inhaltskontrolle miteinzubeziehen und als Allgemeine Geschäftsbedingungen, die der Unternehmers gestellt hat, zu behandeln (vgl. Grüneberg
in Palandt, BGB, 76. Aufl. 2017, §310, Rn. 12).

5.

Schließlich ist auch die erforderliche Wiederholungsgefahr aufseiten der Beklagten gegeben.

Der Abwehranspruch als ein Mittel des vorbeugenden Rechtsschutzes gegen eine künftige Rechtsbeeinträchtigung setzt eine entsprechende Gefahr, die ernstliche Besorgnis und Drohung einer solchen Rechtsbeeinträchtigung voraus (vgl. Micklitz in Münchener Komm. zur ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1 UKlaG, Rn. 7). Die Wiederholungsgefahr nach einer bereits einmal geschehenen Verwendung wird vermutet, weil Allgemeine Geschäftsbedingungen gerade auf wiederholte Verwendung angelegt sind. Das gilt jedenfalls, wenn der Verwender die betreffende Art von Rechtsgeschäft mit Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen geschäftsmäßig vornimmt bzw.
dies vorhat (vgl. Micklitz a.a.o.: § 1 UKlaG, Rn. 27 m.w.N.). Der Verweis der Beklagten darauf,
dass die Vorgehensweise hier „gängige Praxis“ sein soll, verstärkt die Annahme von Wiederholungsgefahr noch.

6.

Ureheblich ist der Einwand der Beklagten, dass die beanstandete Bestimmung in einer mit anderen Verbraucherschutzverbänden abgestimmten Art und Weise verwendet werde. Da die Vorschrift des § 312a Abs. 3 Satz 1 BGB zwingendes Recht ist (§ 312k Abs. 1BGB), stehen diese gesetzlichen Bestimmung nicht zur Disposition von Verbraucherschutzverbänden oder anderen Personen.

7.

Demnach besteht der von dem Kläger geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte im tenorierten Umfang.

Da nach den vorstehenden Ausführungen eine Einbeziehung der streitgegenständlichen. Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht generell unzulässig ist, sondern im Fall der gesonderten Bestätigung durch den Verbraucher gleichwohl auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen wirksam vereinbart werden kann, war der Unterlassungsanspruch nur in diesem Umfang begründet und die Klage im Übrigen abzuweisen.

Vor diesem Hintergrund überzeugt auch nicht der Einwand der Beklagten, der sich auf höhere Stornierungskosten im Fall der lnkludierung in den Reisegesamtpreis stützt, denn ein solches Vorgehen wär – unter Berücksichtigung der Möglichkeit einer gesonderten Bestätigung durch den Verbraucher, auch wenn die Bestimmung In Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten ist – schon nicht die zwingende Folge der hier festgestellten Unwirksamkeit.

III.

Der Kläger hat zudem gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 214,00 EUR aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG i.V.m. § 5 UKlaG. Nach dem entsprechend anwendbaren § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen für eine vorgerichtliche Abmahnung verlangt werden, soweit die Abmahnung berechtigt ist. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass die Abmahnung des Klägers gegenüber der Be­ klagten mit Schreiben vom 20.12.2016 berechtigt war.

Als erforderlich sind hier die geltend gemachten Aufwendungen in Höhe von 214,00 EUR anzusehen. In welcher Höhe Verbände eine Kostenpauschale für Personal- und Sachkosten verlangen können, richtet sich nach Lage des Einzelfalls (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 25.06.2008, Az.: 5
U 13/07, MMR 2008, 743). Hier hat die Beklagte gegen die Höhe nichts vorgebracht und es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass diese überhöht sein soll, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Entscheidung des OLG Hamburg – wo 176,64 EUR zuzüglich 7 % Umsatzsteuer (189,00 EUR) als angemessen angesehen wurden – bereits aus dem Jahr 2008 stammt und die hier veranschlagten 214,00 EUR nur unwesentlich darüber liegen.

Ferner steht dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von Prozesszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 214,00 EUR ab dem 01.04.2017 gemäß
§§ 291, 288 Abs.1 BGB i.V.m. §§253 Abs. 1, 261 Abs. 1 ZPO zu.

IV.

Die Androhung von Zwangsmitteln für den Fall der Zuwiderhandlung gegen den Unterlassungstenor ergibt sich aus §890 Abs.2 ZPO.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs.2 Nr. 1ZPO.Die Kammer bewertet das Teil-Obsiegen der Beklagten als äußerst geringfügig.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §709 Satz 1 ZPO.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Streitwert ist mit 2.500 Euro je angegriffener Teilklausel zu bemessen (vgl. BGH, Beschluss vom 28.10.2015, Az.: III ZR 36/15, MMR 2016, 179; OLG Koblenz, Urteil vom 14.07.2016, Az.:2 U
615/15, VuR 2017, 25). Da hier nur über eine Klausel zu befinden war, ist der Streitwert auf
2.500,00 Euro festzusetzen.

Gründe, den Streitwert höher anzusetzen, bestehen nicht. Dies wäre nur geboten, wenn die Entscheidung über die Wirksamkeit einer bestimmten Klausel nicht nur für deren Verwender und die Vertragspartner, sondern für die gesamte Branche von wesentlicher Bedeutung ist. Dies käme etwa in Betracht, wenn es um äußerst umstrittene verallgemeinerungsfähige Rechtsfragen von großer wirtschaftlicher Tragweite geht, über deren Beantwortung bereits vielfältig und mit kontroversen Ergebnissen gestritten wird (vgl. BGH a.a.O., m.w.N.). Über derartige Kontroversen ist hier jedoch nichts ersichtlich.

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