Angabe der Kontrollbehörde bei Verkauf von Bio-Lebensmitteln im Internet

08. Januar 2019
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grünes Bio Siegel Urteil des OLG Celle vom 11.09.2018, Az.: 13 W 40/18

Werden Lebensmittel im Internet unter der Bezeichnung „Bio“ angeboten, ist die Codenummer der entsprechenden Kontrollbehörde anzugeben. Diese Information ist für den Verbraucher von erheblichem Interesse für die Entscheidungsfindung zum Kauf eines biologisch zertifizierten Produkts; die Nichtangabe dieser Information stellt einen Wettbewerbsverstoß dar. Nicht erforderlich ist es hingegen, die Codenummer in unmittelbarer räumlicher Nähe zum Angebot oder sogar direkt auf der Produktangebotsseite anzugeben. Es genügt, wenn die Angabe beispielsweise auf einer verlinkten Seite erfolgt.

OLG Celle

Urteil vom 11.09.2018

Az.: 13 W 40/18

 

Tenor

Die Verfügungsbeklagte hat es bei Vermeidung eines für jeden Fall des Zuwiderhandelns festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – jeweils zu vollziehen an der Geschäftsführerin der Verfügungsbeklagten – zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Verbrauchern im Internet Lebensmittel, die dem Anwendungsbereich von Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 vom 28 Juni 2007 unterfallen, unter Verwendung der Bezeichnung „Bio“ anzubieten, ohne dabei eine Codenummer der Kontrollbehörde oder Kontrollstelle nach Art. 27 Abs. 10 dieser Verordnung anzugeben.

Der weitergehende Verfügungsantrag und die weitergehende Beschwerde werden zurückgewiesen.

Die Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Verfügungsverfahrens.

Gründe

I.

Die Verfügungsbeklagte hat am 11. Mai 2018 auf der Handelsplattform eBay Kokosöl unter der Bezeichnung „M. (…)“ angeboten, ohne eine Codenummer der Kontrollbehörde oder Kontrollstelle nach Art. 27 Abs. 10 VO (EG) Nr. 834/2007 anzugeben. Der Verfügungskläger, ein in die Liste der qualifizierten Einrichtungen gemäß § 4 UKlaG aufgenommener Verbraucherschutzverein, beanstandet dies und begehrt die Unterlassung vergleichbarer Handlungen. Er beantragt, im Wege der einseitigen Verfügung anzuordnen:

Die Verfügungsbeklagte hat es bei Vermeidung eines für jeden Fall des Zuwiderhandelns festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – jeweils zu vollziehen an der Geschäftsführerin der Verfügungsbeklagten – zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Verbrauchern im Internet Lebensmittel unter Verwendung der Bezeichnung „Bio“ anzubieten,

ohne dabei in unmittelbarer räumlicher Nähe eine Codenummer der Kontrollbehörde oder Kontrollstelle nach Art. 27 Abs. 10 der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 vom 28 Juni 2007 anzugeben,

hilfsweise,

ohne dabei die zu diesem gehörende Codenummer der Kontrollbehörde oder Kontrollstelle nach Art. 27 Abs. 10 der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 vom 28 Juni 2007 anzugeben.

Die Verfügungsbeklagte hat zuletzt den Hilfsantrag anerkannt und beantragt im Übrigen,

den Antrag auf Erlass einer einsteiligen Verfügung zurückzuweisen.

Das Landgericht hat den – dort allein gestellten – Hauptantrag zurückgewiesen und auch der hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Wegen der diesbezüglichen Erwägungen wird auf den angefochtenen Beschluss vom 21. Juni 2018 sowie den der Beschwerde nicht abhelfenden Beschluss vom 3. Juli 2018 Bezug genommen.

Mit der sofortigen Beschwerde verfolgt der Verfügungskläger seinen erstinstanzlichen Verfügungsantrag weiter.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde ist mit dem Hilfsantrag begründet, der letztlich auch anerkannt wurde. Der Hauptantrag ist demgegenüber unbegründet.

1. Der Verfügungsantrag ist zulässig. Insbesondere ist die Verfügungsklägerin ordnungsgemäß vertreten, was die Verfügungsbeklagte nach Vorlage der anwaltlichen Prozessvollmacht auch nicht mehr beanstandet.

2. Der Verfügungsanspruch folgt aus §§ 3, 3a, 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 3 UWG i.V.m. Art. 24 Abs. 1 lit. a) VO (EG) Nr. 834/2007 vom 28. Juni 2007, Art. 14 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1169/2011 vom 25. Oktober 2011 (im Folgenden: LMIV).

Der Verfügungskläger ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG aktivlegitimiert. Bei Art. 24 Abs. 1 lit. a) VO (EG) Nr. 834/2007, Art. 14 Abs. 1 LMIV handelt es sich um Marktverhaltensregelungen (Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl., § 3a Rn. 1.203, 1.209a m.w.N.).

Zutreffend hat das Landgericht erkannt, dass das von der Verfügungsbeklagten angebotene Produkt, dessen Name den Zusatz „Bio“ enthält, unter den Anwendungsbereich des Art. 23 Abs. 1 VO (EG) Nr. 834/2007 fällt.

Streitgegenständlich ist die Angabe der Codenummer der in Art. 24 Abs. 1a VO (EG) Nr. 834/2007 näher bezeichneten Kontrollbehörde oder Kontrollstelle, die für die Kontrolle des Unternehmers zuständig ist, der die letzte Erzeugungs- oder Aufbereitungshandlung vorgenommen hat, und nicht – wie die Verfügungsbeklagte meint – eine mögliche dem Händler zugeordnete Kontrollnummer. Dies ergibt sich bereits hinreichend aus der Formulierung jedenfalls des Hauptantrags und der Anspruchsbegründung. Die Verfügungsklägerin hat dies zudem in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt. Auch der insoweit nicht ganz klaren Formulierung des Hilfsantrags lagen keine abweichenden Erwägungen zu Grunde.

Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Codenummer nach Art. 27 Abs. 10 VO (EG) Nr. 834/2007 schon gemäß Art. 24 Abs. 1 lit. a) dieser Verordnung nicht nur auf einem körperlichen Objekt, sei es dem Produkt selbst, der Verpackung oder den Begleitpapieren – wovon das Landgericht ausgegangen ist -, sondern auch im Internetangebot anzugeben ist. Jedenfalls hat eine solche Information im Zusammenhang mit dem Internetangebot nach Art. 14 Abs. 1 lit. a) LMIV zu erfolgen.

a) Bei dem angebotenen Produkt handelt es sich um ein Lebensmittel im Sinne des Art. 2 Abs. 1 lit. a) LMIV, Art. 2 VO (EG) Nr. 178/2002.

b) Die Angabe der Codenummer nach Art. 27 Abs. 10 VO (EG) Nr. 834/2007 stellt eine verpflichtende Information über Lebensmittel nach Art. 2 lit.c) LMIV dar. Umfasst sind hiervon diejenigen Angaben, die dem Endverbraucher aufgrund von Unionsvorschriften bereitgestellt werden müssen. Zu den Art. 14 Abs. 1 LMIV unterfallenden Informationen gehören daher nicht nur Pflichtinformationen gemäß Art. 9 f. LMIV, sondern auch solche Pflichtinformationen, die sich aus anderen Rechtsakten der Kommission ergeben (Meisterernst in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, 169. EL, LMIV Art. 14 Rn. 25; Grube in: Voit/Grube, LMIV, 2. Aufl., Art. 9 Rn. 3 [auch zu Kennzeichnungsregelungen nach der VO (EG) Nr. 834/2007], Art. 14 Rn. 13).

Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten ist der Anwendungsbereich von Art. 2 lit. c), Art. 14 Abs. 1 lit. a) LMIV nicht auf Regelungen beschränkt, die ausschließlich für Lebensmittel (und nicht etwa wie die VO (EG) Nr. 834/2007 auch für Futtermittel) gelten. Eine entsprechende Einschränkung ist weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck dieser Bestimmungen zu entnehmen.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts beschränken sich die verpflichtenden Informationen im Sinne dieser Verordnung zudem nicht auf die in deren Art. 9, 10 und Anhang III bezeichneten Verpflichtungen oder Verpflichtungen, die zeitlich nach Erlass dieser Verordnung begründet wurden. Aus der Annahme, geltende Kennzeichnungsvorschriften müssten gestrafft und modernisiert werden (EG 9 zur LMIV) lässt sich Gegenteiliges nicht entnehmen. Ausdrücklich sind sie hiernach zumindest in ihren ursprünglichen Zielsetzungen und Kernbestimmungen weiterhin gültig. Es spricht nichts dafür, dass sie darüber hinaus auch ohne spezielle Regelung ihre Geltung verlieren sollten, soweit sie nicht in dieser Verordnung aufgegriffen wurden. Die Kriterien nach EG 18, 19 zu dieser Verordnung beziehen sich auf neu zu regelnde Anforderungen. Dass die Kennzeichnungspflicht nach Art. 24 Abs. 1 lit. a) VO (EG) Nr. 834/2007 nicht von § 2 der Lebensmittelinformations-Durchführungsverordnung vom 5. Juli 2017 erfasst ist und daher die Angabe der Codenummer nicht verpflichtend in deutscher Sprache zu erfolgen hat, lässt den vom Landgericht gezogenen Rückschluss ebenfalls nicht zu.

c) Selbst wenn die Codenummer nach Art. 24 Abs. 1 lit. a) VO (EG) Nr. 834/2007 allein noch nicht in dem Internetangebot anzugeben sein sollte, muss diese nach Art. 14 Abs. 1 LMIV dem Verbraucher vor dem Abschluss des Kaufvertrages zugänglich sein.

d) Entgegen der Formulierung des Hauptantrags ist diese Information jedoch nicht notwendig „in unmittelbarer räumlicher Nähe“ zu dem Internetangebot anzugeben. Nach Art. 14 Abs. 1 lit. a) LMIV muss die Information entweder auf dem Trägermaterial des Fernabsatzgeschäftes – also in dem jeweiligen Medium, das dem Vertragsabschluss mit dem Verbraucher dient (vgl. Meisterernst a.a.O. Rn. 31) – oder durch andere geeignete Mittel bereitgestellt werden. Denkbar ist deshalb insbesondere, dass diese Codenummer nicht unmittelbar auf der eigentlichen Angebotsseite genannt wird, sondern etwa auf einer verlinkten Seite mit weiteren Produktinformationen enthalten ist. Auch andere Gestaltungen sind denkbar. Mindestanforderungen ergeben sich aus Art. 13 Abs. 1 LMIV (vgl. Meisterernst a.a.O. Rn. 35).

Engere Vorgaben folgen auch nicht aus Art. 24 Abs. 1 lit. a) VO (EG) Nr. 834/2007, selbst wenn diese Regelung auf Kennzeichnungen in Internetangeboten anwendbar wäre. Hiernach ist die Codenummer zwar in die Kennzeichnung selbst aufzunehmen, wobei sich unmittelbar aus dieser Regelung nicht erschließt, wie weit dieser Begriff in dem vorliegenden Zusammenhang zu verstehen wäre, ob insbesondere auch eine weitere Internetseite, auf die verwiesen würde, noch erfasst wäre. Art. 14 LMIV enthält jedoch eine für den Fernabsatz von Lebensmitteln speziellere Regelung, die die insoweit allgemeinere Regelung in Art. 24 Abs. 1 lit. a) VO (EG) Nr. 834/2007 jedenfalls ergänzt.

Begründet ist daher allein der – anerkannte – Hilfsantrag, der eine entsprechende Einschränkung nicht enthält.

e) Der gerügte Verstoß führt auch zu einer spürbaren Beeinträchtigung im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG. Die Angabe der Codenummer ist für den Verbraucher von erheblichem Interesse (OLG Frankfurt, Urteil vom 30. September 2014 – 14 U 201/13, juris Rn. 36).

3. Der Verfügungsgrund wird nach § 12 Abs. 2 UWG vermutet.

4. Der Senat hat den Tenor nach § 938 Abs. 1 ZPO in zweierlei Hinsicht konkretisiert, ohne dass damit eine inhaltliche Änderung des Begehrens der Verfügungsklägerin verbunden wäre:

Zum einen hat er die Reichweite des ausgesprochenen Verbots ausdrücklich auf solche Lebensmittel beschränkt, die Art. 1 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 834/2007 unterfallen, weil er seinem Wortlaut nach auch andere Lebensmittel betreffen könnte (etwa: „Bio-Mineralwasser“). Das Begehren der Verfügungsklägerin bezog sich aber nur auf der VO (EG) Nr. 834/2007 unterfallende Lebensmittel. Dieser Anwendungsbereich der VO (EG) Nr. 834/2007 steht im vorliegenden Verfahren außer Streit und ist auch sonst – soweit hier von Bedeutung – nicht zweifelhaft, so dass diese Konkretisierung auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zu gesetzeswiderholenden Unterlassungsanträgen (dazu: Köhler a.a.O. § 12 Rn. 2.40 ff.) unproblematisch ist.

Zum anderen hat der Senat die im Hilfsantrag enthaltene und auf die Codenummer bezogene Formulierung „zu diesem gehörende“ nicht in den Tenor übernommen, weil hierdurch der Bezug unklar würde.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Das Teilunterliegen der Verfügungsklägerin war verhältnismäßig geringfügig. Dass die Codenummer in unmittelbarer räumlicher Nähe zum Angebot anzubringen wäre, stellte nicht den Kern ihres Begehrens dar.

§ 93 ZPO kommt nicht zur Anwendung, weil das Teilanerkenntnis der Verfügungsbeklagten nicht sofort erfolgte. Die Verfügungsbeklagte wäre gehalten gewesen, den Unterlassungsanspruch mit Ausnahme der einengenden Forderung einer räumlichen Nähe der Angabe der Codenummer zum Angebot unverzüglich anzuerkennen.

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