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Arbeitnehmer muss keine Arbeitszeiterfassung per Fingerabdruck durch den Arbeitgeber dulden

31. August 2020
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Fingerabdruck Scan Urteil des LArbG Berlin-Brandenburg vom 04.06.2020, Az.: 10 Sa 2130/19

Biometrische Zeiterfassungssysteme sind in der Regel nicht erforderlich im Sinne des Datenschutzes, um die Arbeitszeit von Mitarbeitern zu dokumentieren. Ein Arbeitgeber hatte ein Zeiterfassungssystem eingeführt, das mit einem Fingerabdruck-Scanner bedient wird. Dieses System erfasst zwar nicht den Fingerabdruck als Ganzes, sondern nur die Fingerlinienverzweigungen. Diese stellen jedoch biometrische Daten dar, deren Verarbeitung nach Art. 9 Abs. 2 DSGVO, § 26 Abs. 3 BDSG nur ausnahmsweise zulässig sei. Hier könne ausgehend von der Bedeutung der Arbeitszeiterfassung nicht festgestellt werden, dass eine solche Erfassung unter Einsatz biometrischer Daten erforderlich sei. Vielmehr sei eine korrekte Arbeitszeiterfassung auch durch digitale Zeiterfassungssysteme mittels Chipkarten oder Transpondern möglich.

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg

Urteil vom 04.06.2020

Az.: 10 Sa 2130/19

 

Leitsatz

1) Ein biometrisches Zeiterfassungsystem ist in aller Regel nicht erforderlich im Sinne von Art. 9 Abs. 2 lit. b DSGVO, § 26 Abs. 3 BDSG.

2) Die Anordnung einer arbeitsmedizinieschen Pflichtvorsorgeuntersuchung ist nur als Maßnahme infolge einer Gefährdungsbeurteilung entsprechend § 5 ArbSchG zulässig. (§ 3 Abs. 1 ArbMedVV).

Tenor

I.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 16. Oktober 2019 – 29 Ca 5451/19 wird zurückgewiesen.

II.

Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.

III.

Der Gebührenwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.298,61 EUR festgesetzt.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit dreier Abmahnungen im Zusammenhang mit einer biometrischen Zeiterfassung sowie einer Vorsorgeuntersuchung.

Der Kläger ist 57 Jahre alt (geb. …. 1962) und seit dem 1. Juni 2007 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger, die eine radiologische Praxis betreibt, als Medizinisch-technischer Radiologie-Assistent (MTRA) mit zuletzt 2.432,87 EUR brutto monatlich beschäftigt. Der Arbeitgeber behält sich nach § 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vor, den Kläger in anderen Arbeitsbereichen einzusetzen und ihm zumutbare Aufgaben zu übertragen, die seiner Ausbildung, seinen Fähigkeiten und seiner Berufserfahrung entsprechen, wenn dies aus betrieblichen oder in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers liegenden Gründen geboten ist.

Bislang trugen die Mitarbeiter der Beklagten auf dem ausgedruckten und ausliegenden Dienstplan per Hand sowohl ihre geleisteten Arbeitszeiten ein als auch ihre Einsatzwünsche. In aller Regel wiesen die handschriftlich eingetragenen Arbeitszeiten auch geleistete Mehrarbeitsstunden aus. Gelegentlich wurden abweichende Dienstzeiten mündlich nachgeliefert.

Für eine lückenlos korrekte Zeiterfassung für die Abrechnung und um einen wöchentlichen auch den Wünschen der Mitarbeiter entsprechenden Dienstplan erstellen zu können, führte die Beklagte zum 1. August 2018 das Zeiterfassungssystem Model „ZEUS“ der Firma I. GmbH nebst einer Personal-Einsatzplanung ein. Ob dieses System fehlerfrei funktionsfähig arbeitet, ist zwischen den Parteien streitig. Zu dem System gehört auch ein Terminal „IT 8200 FP“.

Mit diesem System erfolgt entsprechend dem den Mitarbeitern mitgeteilten Datenblatt eine Identifikation über einen biometrischen Fingerabdruck. Konkret ist dieser in dem Produktblatt der Fa. I. wie folgt beschrieben:

Biometrische Erkennung

Das von I. eingesetzte Verfahren zur Identifikation oder Verifikation mittels Fingerabdruck speichert ausschließlich die Minutien (Koordination der Schnittpunkte) eines Fingerabdrucks.

Ein Auslesen der Daten aufgrund entsprechender Schutzmaßnahmen ist nicht möglich. Innerhalb des IT 8200 FP befindet sich nur eine Record-Nummer und die dazugehörigen Minutien. Ein Bezug zu einer natürlichen Person kann nicht hergestellt werden.

In einer E-Mail vom 27. Juli 2018 an die Beschäftigten wurden diese unter Beifügung von Datenblatt und Konformitätserklärung darüber informiert, dass ab 1. August 2018 das neue Zeiterfassungssystem der Firma I. in Betrieb genommen werde. Es wurde darauf hingewiesen, dass das System keine Fingerabdrücke speichere, sondern nur die Minutien. Diese würden in einen Zahlencode umgewandelt. Aus diesem ließen sich aber weder die Minutien noch ein Fingerabdruck reproduzieren. Es sei auch nicht möglich, diesen Zahlencode aus dem System auszulesen.

Ab dem 1. August 2018 würden nur noch die mittels Zeiterfassung ermittelten Arbeitszeiten gelten. Weiter wurde mitgeteilt, dass ab dem 1. September 2018 über dieses System auch der Dienstplan erstellt werde.

Der Kläger benutzte das Zeiterfassungssystem im August und September 2018 nicht. Er erfasste seine Arbeitszeiten weiter in der bisherigen Form. Darauf sprach die Beklagte dem Kläger unter dem 5. Oktober 2018 eine Abmahnung aus. Diese lautet im Wesentlichen:

in der vorvergangenen Woche haben wir Sie schriftlich angewiesen, das Zeiterfassungssystem ZEUS für die Erfassung Ihres Arbeitsbeginns und -endes zu verwenden. Leider können wir an den fehlenden Einträgen im Zeiterfassungssystem sehen, dass Sie sich dieser Anweisung bis heute widersetzen. Daher sind wir nun leider gezwungen, Sie hiermit abzumahnen.

Wir fordern Sie erneut auf, Ihren Dienstpflichten nachzukommen, indem Sie das Zeiterfassungssystem ZEUS mit dem dazugehörigen Fingerabdruck-Scanner ab sofort ordnungsgemäß nutzen. Sollten Sie unserer Anweisung weiterhin nicht Folge leisten, werden wir weitere arbeitsrechtliche Maßnahmen bis hin zu einer Kündigung ergreifen.

Nachdem der Kläger sich weiterhin weigerte, das Zeiterfassungssystem zu nutzen, erteilte die Beklagte dem Kläger unter dem 26. März 2019 eine zweite Abmahnung. Diese lautet im Wesentlichen:

Leider haben wir feststellen müssen, dass Sie das Zeiterfassungssystem ZEUS für die Erfassung Ihres Arbeitsbeginns und -endes trotz unserer schriftlichen Aufforderung und unserer Abmahnung vom 5. Oktober 2018 nach wie vor nicht benutzen. Die Benutzung des Zeiterfassungssystems ist für die korrekte Führung Ihres Stunden- und Urlaubskontos im Zusammenhang mit der Dienstplanung erforderlich. Daher sind wir nun leider gezwungen, Sie erneut und letztmalig abzumahnen und Sie auffordern, Ihren Dienstpflichten nachzukommen, indem Sie das Zeiterfassungssystem ZEUS mit dem dazugehörigen Fingerabdruck-Scanner ab sofort ordnungsgemäß nutzen.

Sollten Sie unserer Anweisung weiterhin nicht Folge leisten, werden wir weitere arbeitsrechtliche Maßnahmen ergreifen. Auch eine sofortige Kündigung ist bei fortgesetztem Verstoß möglich.

Darüber hinaus hat der Kläger eine dritte Abmahnung, ebenfalls unter dem 26. März 2019, erhalten, weil er eine von der Beklagten angeordnete ärztliche Vorsorgeuntersuchung nicht wahrgenommen hat. Die Abmahnung lautet im Wesentlichen:

Leider haben wir feststellen müssen, dass Sie die vorgeschriebene und vom Unternehmen für das gesamte MTRA-Team organisierte betriebsärztliche Untersuchung am 20. März 2019 ohne Begründung verweigert haben, obwohl sogar der Betriebsarzt Sie noch ausdrücklich auf den Pflichtcharakter der Untersuchung hingewiesen hat. Wie Sie wissen, können Sie Ihren Beruf ohne die regelmäßige Überprüfung ihrer gesundheitlichen Eignung nicht ausüben. Daher mahnen wir Sie ab und fordern Sie auf, die erforderliche Untersuchung außerhalb der Arbeitszeit nachzuholen.

Sollten Sie die Untersuchung nicht rechtzeitig nachholen, müssen wir das Arbeitsverhältnis unsererseits kündigen, da Sie dann nicht mehr als MTRA beschäftigt werden dürfen.

Der Kläger hält die Abmahnungen nicht für gerechtfertigt und begehrt deren Entfernung aus seiner Personalakte. Hinsichtlich der ersten beiden Abmahnungen gebe es keine datenschutzrechtliche Erlaubnis für eine Zeiterfassung unter Nutzung der biometrischen Daten des Klägers. Es werde bestritten, dass es bei der Muttergesellschaft irgendwelche Probleme mit einer anderweitigen Zeiterfassung gegeben habe.

Der Kläger hält auch die dritte Abmahnung für unwirksam, da er keine Verpflichtung habe, diese Untersuchung wahrzunehmen. Es gebe weder eine tarifliche noch eine arbeitsvertragliche Verpflichtung dazu. Der Kläger arbeite weder mit infektiösen Stoffen noch arbeite er im Labor oder komme mit Patienten in Berührung, denen Blut abgenommen werden müsse oder Kontrastmittel gespritzt werde. Er arbeite ausschließlich am Computer. Die im Anhang Teil 2, Abs. 1 Ziff. 3 lit bb ArbMedVV aufgeführten Tätigkeiten seien dem Kläger nie übertragen worden. Der Kläger sitze vielmehr am PC und untersuche den jeweiligen Patienten, der ihm vom Arzt zugewiesen worden sei. Er injiziere nie Kontrastmittel. Beruhigungsspritzen, Kochsalzlösungen o.ä. Mit Körperflüssigkeiten komme er nie in Kontakt. Er ziehe keine Kanüle aus dem Arm. Beim Rechtsvorgänger der Beklagten sei das die Aufgabe des Arztes gewesen. Auch jetzt stehe der Kläger nicht daneben, wenn der Arzt Kontrastmittel spritze. Der Kläger führe auch keine Voraufklärungsgespräche. Allerdings lagere er die Patienten im Gerät, komme dort aber nicht mit den Körperflüssigkeiten in Kontakt. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbMedVV sei die Teilnahme an einer Untersuchung freiwillig. Ungewöhnlich sei, dass die Untersuchung zwischen 2007 und 2018 nicht für erforderlich gehalten worden sei.

Die Beklagte geht bezüglich der Zeiterfassung mit den Minutien des Klägers von einer datenschutzrechtlichen Erlaubnis aus. Die Erfüllung des Arbeitsvertrages zwischen den Parteien hänge ganz wesentlich von der Einhaltung der vereinbarten Arbeitszeiten ab. Die Beklagte habe sich für dieses System entschieden, weil es die erforderlichen Daten (Arbeitsbeginn und Arbeitsende) manipulationssicher erfasse. Die Erfahrungen der Muttergesellschaft der Beklagten sowohl mit verschiedenen Zeiterfassungssystemen als auch mit dem hier streitigen identischen System an mehreren Standorten habe gezeigt, dass alle anderen Erfassungsmethoden (Niederschrift, Eingabe von Kennnummern, elektronische Chipkarten u.ä.) mit geringem Aufwand manipulierbar seien und somit die tatsächlich verbrachte Zeit im Nachhinein nicht überprüfbar und fehlerfrei erfassbar sei. Hinzu komme, dass das System direkt mit der Dienstplanung verknüpft sei.

Die Beklagte meint, dass der Kläger zu der festgelegten Untersuchung nach der ArbMedVV verpflichtet wäre. Bei Ausübung seiner Tätigkeit habe der Kläger unmittelbar Patientenkontakt. Die Beklagte als Arbeitgeberin habe die Pflicht, bei Vorliegen bestimmter Gefährdungen am Arbeitsplatz die Beschäftigten u.a. in regelmäßigen Abständen von maximal drei Jahren arbeitsmedizinisch untersuchen zu lassen.

Um der Gefahr vor Infektionen sowohl bezogen auf die eigene Person als auch auf die Patienten einerseits und andererseits um der Verbreitung ansteckender Krankheiten vorzubeugen, sei für Mitarbeiter in Arztpraxen die „Vorsorge für Tätigkeiten mit Infektionsgefährdung“ nach der ArbMedVV (§ 4) gesetzgeberisch verpflichtend vorgeschrieben. Die Verpflichtung ergebe sich aus dem Anhang Arbeitsmedizinische Pflicht- und Angebotsvorsorge, Teil 2 Ziff. 3 lit. d. Die dort vorgeschriebene G 42 sei für den Kläger einschlägig. Diese bestehe aus Blutentnahme, Blutuntersuchung und Urintest.

Wenn die Pflichtuntersuchung nicht oder nicht rechtzeitig veranlasst werde, liege einerseits eine Ordnungswidrigkeit vor, sofern der Kläger weiterhin mit direktem Patientenkontakt als MTRA eingesetzt werde. Ohne die Untersuchung bestehe quasi ein Beschäftigungsverbot für die Beklagte gegenüber dem Kläger. Einschlägig sei für den Kläger jedenfalls Anhang Teil 2, Abs. 1 Ziff. 3 lit bb ArbMedVV. Da der Kläger als MTRA beschäftigt werde, sei diese Norm einschlägig. Dass er nur am Computer arbeite, sei nicht zutreffend. Der Kläger habe direkten Zugang zu den Patienten, so z.B. beim Lagern des Patienten in den radiologischen Großgeräten und beim Injizieren von Kochsalzlösungen und/oder Kontrastmitteln per Kanüle/Spritze, was bei 20-40% der Patienten erforderlich sei.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 16. Oktober 2019 der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Entfernung der Abmahnungen verurteilt. Der Kläger habe keine Pflichtverletzung begangen. Er sei nicht verpflichtet, das Zeiterfassungssystem ZEUS mit seinen biometrischen Daten zu nutzen. Deshalb seien die ersten beiden Abmahnungen unwirksam und aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.

Datenschutzrechtlich handele es sich bei dem Minutiendatensatz um biometrische Daten nach Artikel 9 Abs. 1 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und besondere Kategorien personenbezogener Daten im Sinne von § 26 Abs. 3 BDSG. Diesen Daten sei eigen, dass eine Verarbeitung die Privatsphäre des Mitarbeiters und damit das Recht auf informationelle Selbstbestimmung im besonderen Maße verletzen könne. Die Verarbeitung von biometrischen Daten – und somit auch von Minutiendatensätzen – sei daher nach Artikel 9 Abs. 1 DSGVO grundsätzlich verboten. Allerdings enthalte Artikel 9 Abs. 2 DSGVO mehrere Erlaubnistatbestände, bei deren Vorliegen eine Verarbeitung (ausnahmsweise) doch zulässig sei. Arbeitsrechtlich relevant seien insbesondere die Erlaubnistatbestände „Erforderlichkeit“, „Freiwillige Einwilligung“ und „Kollektivvereinbarung“. Da es eine Kollektivvereinbarung und eine Einwilligung des Klägers nicht gebe, komme es darauf an, ob die Verarbeitung der biometrischen Daten im Rahmen der Zwecke der Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 26 Abs. 1 BDSG erforderlich sei, damit die Beklagte den ihr „aus dem Arbeitsrecht, dem Recht der sozialen Sicherheit und des Sozialschutzes“ erwachsenden Rechten und Pflichten nachkommen könne. Die Erhebung und Verwendung von biometrischen Merkmalen müsse im Rahmen der dreistufigen Prüfung folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Das biometrische Verfahren müsse für die Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses geeignet sein, also der jeweils auf das Beschäftigungsverhältnis bezogene Zweck müsse tatsächlich gefördert werden können.

2. Es dürfe kein anderes, gleich wirksames, das Persönlichkeitsrecht weniger beeinträchtigende Mittel existieren.

3. Als Ergebnis einer umfassenden Abwägung der schutzwürdigen Interessen und Grundrechte des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers müsse die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Beschäftigten durch das Biometrische Verfahren in einem angemessenen Verhältnis zu dem angestrebten Zweck der Datenverwendung stehen.

Dabei gelte folgende Regel: Je intensiver in das Persönlichkeitsrecht eingegriffen werden solle, desto schwerer müsse der vom Arbeitgeber mit dem Verfahren verfolgte konkrete Zweck wiegen. So werde das Interesse des Arbeitgebers an einer biometrischen Zugangskontrolle zu Bereichen mit sensiblen Geschäfts-, Produktions- und Entwicklungsgeheimissen eher überwiegen als bei einer angestrebten Zugangssicherung zu normalen Bürobereichen. So könnten biometrische Daten zwar zur Kontrolle beim Eintritt in Sicherheitsbereiche, nicht jedoch im Rahmen der Arbeitszeiterfassung verwendet werden.

Wenn auch vereinzelt Missbrauch von Zeiterfassungssystemen durch Falscheintragungen oder im Falle einer Stempelkarte durch „mitstempeln“ durch Kollegen auftreten mögen, so sei dennoch in der Regel davon auszugehen, dass sich die weit überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer rechtstreu verhalte, also für eine solche Art von Kontrollen keinerlei Anlass gegeben sei. Anders könne es sein, wenn konkrete Umstände im Einzelfall (Nachweise über Missbräuche in nicht unerheblichem Umfang) die Erforderlichkeit einer solchen Maßnahme begründen könnten. Derartiges habe die Beklagte jedoch nicht vorgetragen. Sie habe weder vorgetragen, dass durch das bisherige „händische“ System der Zeiterfassung erheblicher Missbrauch betrieben worden sei, noch habe sie darlegen können, dass im Fall der Einführung eines anderen Zeiterfassungssystems (ohne die Speicherung biometrischer Daten) Missbrauch in erheblichem Umfang oder auch nur in nennenswertem Umfang zu befürchten sei. Es sei auch nicht dargetan, dass etwa der Kläger in der Vergangenheit durch Falschangaben betreffend seine Arbeitszeit negativ aufgefallen sei.

Auch die dritte Abmahnung sei unwirksam und deshalb aus der Personalakte des Klägers zu entfernen. Der Kläger habe gegen keine Pflicht, an einer ärztlichen Untersuchung mitzuwirken, verstoßen.

Eine tarifvertragliche oder einzelvertragliche Pflicht sei vorliegend nicht einschlägig. In Betracht komme jedoch eine Untersuchungspflicht gemäß Anhang Teil 2 Abs. 1 Ziffer 3 lit. bb ArbMedVV. Voraussetzung sei dann, dass der Kläger Tätigkeiten ausübe, bei denen es regelmäßig und im größerem Umfang zu Kontakt mit Körperflüssigkeiten, Körperausscheidungen oder Körpergewebe kommen könne, insbesondere Tätigkeiten mit erhöhter Verletzungsgefahr oder Gefahr von Verspritzen und Aerosolbildung, hinsichtlich Hepatitis-B-Virus oder Hepatitis-C-Virus.

Dies könne für den Kläger ohne weiteres verneint werden. Zwar behaupte die Beklagte, dass die MTA mit Patienten in Kontakt kämen und danebenstünden, wenn der Arzt Kontrastmittel spritze, wobei es auch zum Austritt von Körperflüssigkeiten kommen könne. Außerdem ziehe der MTA nach der Untersuchung die Kanüle aus dem Arm.

Diese Angaben habe der Kläger jedoch für seine Person bestritten. Aber selbst wenn man unterstelle, dass die diesbezüglichen Angaben der Beklagten aus dem Kammertermin zutreffend seien, so seien die Voraussetzungen für die Untersuchungspflicht gleichwohl nicht gegeben. Die Norm erfordere nämlich, dass Tätigkeiten ausgeführt würden, bei denen es regelmäßig und in größerem Umfang zu Kontakt mit Körperflüssigkeiten, Körperausscheidungen oder Körpergewebe kommen könne.

Dies könne hier nicht bejaht werden. Es sei nicht ersichtlich, dass es bei der Tätigkeit des Klägers regelmäßig und in größerem Umfang zu Kontakt mit Körperflüssigkeiten, Körperausscheidungen oder Körpergewebe komme. Lediglich ganz ausnahmsweise könne – so die Beklagte – beim Spritzen von Kontrastmitteln eventuell ein Austritt von Körperflüssigkeiten in Betracht kommen, desgleichen beim Ziehen der Kanüle aus dem Arm.

Jedenfalls aber habe die Beklagte auch dafür keinen Beweis angetreten, dass konkret der Kläger in einer derartigen Weise mit den Patienten in Kontakt komme. Dies gelte umso mehr, als der Kläger substantiiert dargestellt habe, dass er eben genau diesen Patientenkontakt nicht habe. Er lagere lediglich Patienten auf dem MRT-Gerät. Auch im Rahmen seiner persönlichen Befragung habe der Geschäftsführer der Beklagten, Herr M., nur dargestellt, dass der MTA daneben stehe, wenn der Arzt Kontrastmittel spritze. Ferner ziehe der MTA nach der Untersuchung die Kanüle aus dem Arm. Ob dies auch auf den Kläger konkret zutreffe, habe der Geschäftsführer jedoch nicht erklärt. Er habe lediglich ganz allgemein zu Tätigkeiten des MTA in seiner Praxis vorgetragen.

Gegen dieses dem Beklagtenvertreter am 18. November 2019 zugestellte Urteil legte die Beklagte am 17. Dezember 2019 Berufung ein und begründete diese nach entsprechender Verlängerung der Begründungsfrist am 17. Februar 2020. Das Arbeitsgericht habe die Anforderungen an etwaige Missbräuche bei der Zeiterfassung überspannt. Unklar sei bereits, was das Arbeitsgericht als Missbrauch „in erheblichem Umfang“ ansehe. Ein Arbeitgeber müsse nicht erst in gewissem Umfang missbräuchliche Eingaben der Arbeitszeit dulden, bevor er ein fälschungssicheres Zeiterfassungssystem zur Anwendung bringe. Die Beklagte habe vorgetragen, dass es in einem verbundenen anderen Unternehmen zu Missbräuchen mit anderen technischen Zeiterfassungssystemen gekommen sei. Da das System für alle Mitarbeiter eingeführt werde, komme es auf ein etwaiges Fehlverhalten des Klägers nicht an. Kartensysteme und andere Systeme könnten beispielsweise durch die Übergabe der Karten an Kollegen fälschlich Anwesenheiten vorspiegeln.

Das Arbeitsgericht habe nur auf die Belange des Klägers abgestellt. Die Beklagte habe vorgetragen, dass die Erfahrung ihrer Muttergesellschaft mit unterschiedlichen auch digitalen Zeiterfassungssystemen mittels Chipkarten oder Transpondern gezeigt hätten, dass Protokollierungen der Arbeitszeiten mit geringem Aufwand manipulierbar seien. Mitarbeiter hätten mehrfach ihre Chipkarten oder Personalnummern Kollegen mitgegeben, die dann die Zeiterfassung mit falschen Anwesenheitszeiten gefüttert hätten. Aufgrund der Erfahrungen mit dem analogen Papier-Dienstplan in Berlin sei zu erwarten, dass die Manipulation der Dienstzeiterfassung per Chipkarte fortgesetzt werde, da dieses technisch ebenso einfach sei. Auch seien in dem jetzt eingeführten System die Soll-Arbeitszeiten hinterlegt. Diese seien zuvor regelmäßig und nicht nachvollziehbar verlängert oder reduziert worden.

Bei der Beklagten sei nicht immer ein Praxismanager vor Ort, der die tatsächlichen Anwesenheiten kontrollieren könne. Der bundesweit tätige Konzern, dem die Beklagte angehöre, wünsche eine einheitliche Erfassung der Anwesenheitszeiten mittels Fingerabdruckscanner. Das Personal werde über die Konzernpersonalabteilung einheitlich gesteuert. Das sei ein legitimes Interesse und auch im Interesse der Mitarbeitenden, denen Aufstiegschancen im Konzern ermöglicht würden. Die Zeiterfassung mittels Fingerscanner sei auf Dauer preiswerter als die Pflege eines Chipkartensystems, welches bei Kartenverlust ausgetauscht bzw. neu programmiert werden müsse. Auch beim Vergessen und Verlieren der Chipkarte sei die Arbeitszeit nicht fehlerfrei erfassbar.

Weitere Aspekte für das System seien der Umstand, dass sensible Gesundheitsdaten bei der Beklagten verwahrt würden. Deshalb müsse sie fälschungssicher feststellen können, welche Mitarbeitende sich zu welcher Zeit tatsächlich in den Praxisräumen aufgehalten hätten.

Angesichts der Infektionsrisiken sei eine genaue Zeiterfassung erforderlich, um Infektionsketten aufklären zu können. Das diene dem Schutz der übrigen Mitarbeitenden und der Patienten.

Mildere Mittel, die die Manipulationssicherheit gewährleisten würden, gebe es nicht. Der von der Beklagten verfolgte Zweck sei es, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzurichten, das die Arbeitszeit manipulationssicher und minutengenau erfasse. Dieser Zweck ergebe sich aus der jüngsten EuGH-Rechtsprechung zur Arbeitszeiterfassung. Zum anderen solle das System Transparenz gewährleisten und genau sein. Es solle automatisch die Arbeitszeiten und Überstunden berechnen, Urlaubsplanung ermöglichen, Kontrollmöglichkeiten für den Arbeitgeber schaffen und dadurch zur Erleichterung in der Zeitwirtschaft sowie zur Kostenersparnis führen. Im Abwägungsprozess sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte auch besondere Sicherheitsmaßnahmen entsprechend § 22 BDSG zur Wahrung der Interessen ihrer Mitarbeiter ergriffen habe. Es würden keine Fingerabdrücke gespeichert, sondern nur die Minutien des Fingerabdrucks, wobei diese, so die Beklagte in der Berufungsverhandlung, nach ihrer Ansicht keine biometrischen Daten seien. Schutzmaßnahmen würden das Auslesen der Daten z.B. zum Zwecke der Zuordnung zu Fingerabdrücken verhindern. Und am Terminal erfolge eine Pseudonymisierung, weil lediglich eine Record-Nummer, also ein Code für den Mitarbeiter gespeichert werde. Damit sei kein Bezug zwischen den Minutien und einer natürlichen Person herstellbar.

Auch über die dritte Abmahnung habe das Arbeitsgericht fehlerhaft entschieden. Die Ausführungen des Klägers in der Kammerverhandlung vor dem Arbeitsgericht seien falsch gewesen. Das Entfernen einer Kanüle aus dem Arm eines Patienten sei eine arbeitsvertragliche Aufgabe des Klägers und diese sei von ihm auch wahrgenommen worden. Dieser sei auch zugegen, wenn Kontrastmittel verabreicht würden. Die gegenteilige Behauptung des Klägers sei falsch. Der Kläger werde als MTRA beschäftigt. Erforderlich sei nicht, dass der Kläger tatsächlich regelmäßig mit den im Anhang Teil 2 Abs. 1 Ziffer 3 lit. bb ArbMedVV genannten Stoffen in Kontakt komme. Es genüge eine abstrakte Gefahr.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 16. Oktober 2019 – 29 Ca 5451/19 insoweit abzuändern, als die Beklagte verurteilt worden ist, die am 5. Oktober 2018 erteilte Abmahnung, welche dem Kläger am 5. Oktober 2018 zugegangen ist, die am 26. März 2019 schriftlich erteilte Abmahnung betreffend die betriebsärztliche Untersuchung, welche dem Kläger am 26. März 2019 zugegangen ist sowie die am 26. März 2019 schriftlich erteilte Abmahnung betreffend die Zeiterfassung, welche dem Kläger am 26. März 2019 zugegangen ist, aus der Personalakte zu entfernen und die Klage insoweit abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen;

Der Kläger bestreitet einen Missbrauch der Zeiterfassung in der Vergangenheit. Dass ein System manipulierbar sei, sei nicht ausreichend. Der Kläger bestreitet auch, dass das FP-System preiswerter sei als ein Chipkartensystem. Der Wunsch des Konzerns nach dem hier verwendeten System sei noch kein datenschutzrechtlicher Zweck. Weshalb die FP-Zeiterfassung für den Schutz der Gesundheitsdaten erforderlich sei, habe die Beklagte nicht vorgetragen. Mit dem Fingerprintleser erhöhe sich das Infektionsrisiko für die Beschäftigten.

Hinsichtlich der dritten Abmahnung erwidert der Kläger, dass er noch nie Flüssigkeiten per Injektion verabreicht habe und dieses auch zukünftig nicht tun werde. Es sei nicht ersichtlich, dass der Kläger regelmäßig und in größerem Umfang Kontakt mit Körperflüssigkeiten der Patienten habe. Entgegen der Ansicht der Beklagten gehe es auch nicht um eine berufliche Eignung des Klägers, sondern um das frühzeitige Erkennen berufsbedingter Erkrankungen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung der Beklagten vom 17. Februar 2020 sowie den Schriftsatz vom 22. Mai 2020 und den Inhalt der Berufungsbeantwortung des Klägers vom 23. März 2020 sowie das Sitzungsprotokoll vom 4. Juni 2020 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht im Sinne der §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 Zivilprozessordnung (ZPO) eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung ist zwar zulässig, aber nicht begründet. Denn der Beklagten ist es nicht gelungen darzulegen, dass der Kläger mit dem in den drei Abmahnungen gerügten Verhalten seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt hat. Im Ergebnis und auch in der Begründung ist keine andere Beurteilung als in erster Instanz gerechtfertigt. Das Landesarbeitsgericht folgt dem Arbeitsgericht Berlin hinsichtlich der Begründung und sieht insoweit gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG von einer nur wiederholenden Begründung ab. Die Angriffe der Berufung sind nicht geeignet, die Rechtslage anders zu beurteilen.

1.

Minutien sind entgegen der von der Beklagten in der Berufungsverhandlung geäußerten Ansicht biometrische Daten. Minutien sind zwar „nur“ Fingerlinienverzweigungen, so dass der dazu gehörige Fingerabdruck nicht „als Ganzes“ verarbeitet wird. Nach Art. 4 Nr. 14 der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sind biometrische Daten aber alle mit speziellen technischen Verfahren gewonnene personenbezogene Daten u.a. zu den physischen und physiologischen Merkmalen einer natürlichen Person, die die eindeutige Identifizierung dieser natürlichen Person ermöglicht oder bestätigt. Das ist bei Minutien der Fall.

2.

Die Beklagte verkennt mit ihrer Argumentation in der Berufung den Regelungsgehalt der DSGVO. Wie das Arbeitsgericht bereits hervorgehoben hat, regelt Art. 9 Abs. 1 DSGVO ausdrücklich, dass die Verarbeitung von biometrischen Daten zur eindeutigen Identifizierung einer natürlichen Person untersagt ist. Von diesem Grundsatz lässt Art. 9 Abs. 2 DSGVO zwar, wie das Arbeitsgericht auch ausgeführt hat, einzelne Ausnahmen zu. Im hiesigen Fall kommt allein die Ausnahme nach Art. 9 Abs. 2 lit. b DSGVO in Betracht. Danach muss die Verarbeitung erforderlich sein, damit die Beklagte oder der Kläger die ihnen aus dem Arbeitsrecht erwachsenden Rechte ausüben und ihren diesbezüglichen Pflichten nachkommen können, soweit dies nach Unionsrecht, nach nationalem Recht oder nach einer Kollektivvereinbarung zulässig ist.

2.1

Nach der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 14. Mai 2019 in der Rechtssache C-55/18, die zum Zeitpunkt der hier streitigen Abmahnungen noch nicht bekannt war, gebieten die Art. 3, 5 und 6 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung im Licht von Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie von Art. 4 Abs. 1, Art. 11 Abs. 3 und Art. 16 Abs. 3 der Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit, dass Arbeitgeber ein System einrichten, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann.

Die Beklagte hat zwar als das wesentliche Ziel der Einführung des Zeiterfassungssystems Model „ZEUS“ der Firma I. GmbH nebst einem Terminal „IT 8200 FP“ die Verhinderung von Arbeitszeitmanipulationen angegeben und nicht die Sicherstellung von gerechten und angemessenen Arbeitsbedingungen, wie Art. 31 GRCh das insbesondere durch eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit und die Einhaltung der täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten vorsieht. Aber dennoch ist ein Arbeitgeber nach den im vorhergehenden Absatz genannten Normen verpflichtet, ein objektives, verlässliches und zugängliches System, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann, einzurichten.

Es ist aber nicht ersichtlich, dass ein objektives, verlässliches und zugängliches System der Verarbeitung biometrischer Daten des Klägers (oder anderer Mitarbeitender) bedarf. In der Rd.-Nr. 63 der EuGH-Entscheidung vom 14. Mai 2019 hat der Gerichtshof ausdrücklich auf die Rd.-Nrn. 85-88 der Schlussanträge des Generalanwalts Bezug genommen. Dieser hat dort in Rd.-Nr. 87 ausdrücklich ausgeführt:

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die derzeitige Technologie die verschiedensten Systeme zur Erfassung der Arbeitszeit ermöglicht (Aufzeichnungen in Papierform, Computerprogramme, elektronische Zeitausweise).

Zwar erlaubt Art. 88 DSGVO zusätzliche nationale Regelungen zur Datenverarbeitung im Beschäftigungskontext. Davon hat der deutsche Gesetzgeber mit § 26 BDSG Gebrauch gemacht. Aber auch für die Verarbeitung von Daten im Beschäftigungskontext gelten zunächst die allgemeinen Regelungen der DSGVO. Die Öffnungsklausel in Art. 88 DSGVO ist keine Bereichsausnahme in dem Sinn, dass der Anwendungsbereich der Verordnung per se eingeschränkt wäre (vgl. etwa Nolte in Kommentar zur Datenschutzgrundverordnung, hrsg. von Gierschmann u.a., Art. 88 RN 9). Der Maßstab bei der Verarbeitung biometrischer Daten ist im Beschäftigungskontext kein anderer als außerhalb des Beschäftigungskontexts (Nolte, ebenda RN 13). Art. 88 DSGVO erlaubt nur eine Konkretisierung oder Präzisierung, nicht jedoch ein Abweichen oder Verändern (Nolte, ebenda RN 19 m.w.N.).

2.2

In einem zweiten Schritt ist deshalb zu prüfen, ob die Verarbeitung biometrischer Daten des Klägers bei der Zeiterfassung „erforderlich“ ist, damit die Beklagte bzw. der Kläger ihre Rechte ausüben oder ihren Pflichten nachkommen können. In der Gesetzesbegründung zu § 26 BDSG hat der deutsche Gesetzgeber festgehalten, dass im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung die widerstreitenden Grundrechtspositionen zur Herstellung praktischer Konkordanz abzuwägen seien. Dabei seien die Interessen des Arbeitgebers an der Datenverarbeitung und das Persönlichkeitsrecht des Beschäftigten zu einem schonenden Ausgleich zu bringen, der beide Interessen möglichst weitgehend berücksichtige (BT-Drs. 18/11325, S. 97).

Zusätzlich zur Verhältnismäßigkeitsprüfung im Rahmen der Erforderlichkeit darf kein Grund zu der Annahme bestehen, dass die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Beschäftigten die Interessen des verantwortlichen Arbeitgebers an der Verarbeitung überwiegen (BT-Drs. 18/11325, S. 98). Erst wenn also diese Erforderlichkeit und die Feststellung, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen nicht entgegenstehen grundsätzlich bejaht werden sollten, kommt es auf die von der Beklagten auch angegebenen „geeigneten Garantien für die Grundrechte und die Interessen der betroffenen Person“ an, also technische und organisatorische Vorkehrungen wie z.B. Anonymisierung, Pseudonymisierung und Zugriffsbeschränkungen auf die biometrischen Daten des Klägers.

„Erforderlich“ ist ein technisches System, das das Persönlichkeitsrecht eines Menschen berührt, nur dann, wenn ein legitimer Zweck verfolgt wird und zur Erreichung dieses Zwecks kein gleich wirksames und das Persönlichkeitsrecht weniger einschränkende Mittel zur Verfügung steht (BAG vom 25. April 2017 – 1 ABR 46/15). Auch das hat das Arbeitsgericht zutreffend seiner Entscheidung zugrunde gelegt.

Die Beklagte hat in der Berufungsbegründung auf Seite 10, wenn auch vielleicht versehentlich, ausdrücklich angegeben, dass es neben dem Terminal „IT 8200 FP“ für das Zeiterfassungssystem Model „ZEUS“ der Firma I. GmbH auch ein Terminal mit der Bezeichnung „IT 8200“ gibt. Dabei handelt es sich um ein Ausweisleser-System, also ein System ohne Nutzung biometrischer Daten des Klägers, was eine Internetrecherche bestätigt hat. Dieses ist mit Chipkarten und Transpondern und anderen lesbaren Ausweisen zu betreiben.

2.2.1

Die Beklagte hat angeführt, dass das Zeiterfassungssystem im Betrieb (mit biometrischen Daten u.a. des Klägers) zu betreiben sei, weil in diesem System bereits die Soll-Arbeitszeiten hinterlegt seien, die zuvor in dem Papiersystem regelmäßig und nicht nachvollziehbar verlängert oder reduziert worden seien. Diese Funktionalität wäre mit dem Terminal IT 8200 ebenso vollständig nutzbar, ohne biometrische Daten des Klägers zu verarbeiten.

2.2.2

Die Beklagte hat weiter ausgeführt, dass der bundesweit tätige Konzern, dem die Beklagte angehöre, eine einheitliche Erfassung der Anwesenheitszeiten mittels Fingerabdruckscanner wünsche. Das Personal werde über die Konzernpersonalabteilung einheitlich gesteuert. Das sei ein legitimes Interesse und auch im Interesse der Mitarbeitenden, denen Aufstiegschancen im Konzern ermöglicht würden. Auch wenn nicht ganz verständlich ist, weshalb für die Aufstiegschancen von Beschäftigten die Anwesenheitszeiten relevant sind, könnte dieser Effekt jedenfalls auch mit dem Terminal IT 8200 ebenso erreicht werden.

2.2.3

Die Beklagte hat auch als legitimes Interesse angeführt, dass die Zeiterfassung mittels Fingerscanner auf Dauer preiswerter sei als die Pflege eines Chipkartensystems, welches bei Kartenverlust ausgetauscht bzw. neu programmiert werden müsse. Nähere Angaben zur Kalkulation der beiden Varianten hat die Beklagte nicht vorgetragen, obwohl der Kläger in der Berufungserwiderung vom 23. März 2020 ausdrücklich bestritten hat, dass ein Fingerabdrucksystem preiswerter und längerfristig günstiger zu betreiben sei als ein chipkartengesteuertes System. Deshalb kann mangels entsprechendem Tatsachenvortrag der Beklagten in diesem Verfahren dahinstehen, ob und gegebenenfalls welche Kostenersparnis die Verarbeitung biometrischer Daten eines Beschäftigten rechtfertigen könnte.

2.2.4

Ein weiteres Interesse am Einsatz des Systems hat die Beklagte damit angegeben, dass auch beim Vergessen und Verlieren der Chipkarte die Arbeitszeit nicht fehlerfrei erfassbar sei. Dazu hat die Beklagte aber selbst bereits in einer Informationsmail vom 27. Juli 2018 an die Beschäftigten angenommen, dass es auch bei dem Terminal IT 8200 FP Situationen des Nichtfunktionierens geben könne. Dort hatte die Beklagte ausdrücklich ausgeführt:

„Sollte die Zeiterfassung mal nicht funktionieren, schreibt Euch bitte die Arbeitszeiten auf. Diese werden dann nachträglich im System eingepflegt. Doreen wird sich zukünftig um diese Aufgaben kümmern …“

Selbst wenn die Beklagte davon ausgehen sollte, dass Beschäftigte der Beklagten in relevantem Umfang Chipkarten vergessen oder verlieren würden, hätte es die Beklagte in der Hand, durch den Einsatz kleinerer Transponder, die man mit dem Schlüsselbund verbinden könnte, das Risiko des Vergessen und Verlierens erheblich zu minimieren. Im Übrigen erschließt sich für das Berufungsgericht nicht, weshalb bei einem technischen Versagen des Systems die händische Aufzeichnung ausreichen soll, bei einem menschlichen Versagen (des Systems) aber nicht. Im Übrigen wäre es der Beklagten natürlich auch nicht verwehrt, ein tatsächliches Fehlverhalten des Klägers zu sanktionieren. Da der Kläger seine Arbeit zusammen mit anderen Beschäftigten (und Patienten) erledigt, ist nicht ersichtlich, dass etwaige Arbeitszeitmanipulationen im Betrieb auch ohne dauernd anwesende Praxismanager unentdeckt bleiben würden.

2.2.5

Weitere Aspekte für das System der Verarbeitung biometrischer Daten des Klägers hat die Beklagte mit dem Umstand benannt, dass sensible Gesundheitsdaten bei der Beklagten verwahrt würden. Deshalb müsse sie fälschungssicher feststellen können, welche Mitarbeitende sich zu welcher Zeit tatsächlich in den Praxisräumen aufgehalten hätten.

Abgesehen davon, dass die Beklagte keinerlei Tatsachen vorgetragen hat, nach denen der Kläger oder andere Mitarbeitende ein Risiko für sensible Gesundheitsdaten der Patienten darstellen würden, ist davon auszugehen, dass die Beklagte die Gesundheitsdaten der Patienten, die ebenso wie die biometrischen Daten des Klägers als besondere Kategorien von Art. 9 DSGVO erfasst sind, nicht offen in den Praxisräumen verwahrt, sondern diese auch noch gegen unberechtigte Zugriffe innerhalb der Praxisräume gesichert hat. Aber auch unabhängig davon erschließt sich nicht, inwiefern ein fälschungssicheres Zeiterfassungssystem die Patientendaten in den Praxisräumen besonders schützen würde. Weder hat die Beklagte die Art und Weise der Aufbewahrung der Patientendaten näher dargelegt noch inwieweit diese gefährdet sind. Selbst wenn das aber der Fall wäre, wäre allenfalls ein Zugangskontrollsystem geeignet, ein Betreten der Praxisräume zu dokumentieren. Ein Zeiterfassungssystem, das (nur) die berechtigte Anwesenheit dokumentiert, ist dafür ungeeignet. Insofern ist der Vortrag der Beklagten zum Schutz der Patientendaten nicht geeignet, berechtigte Interessen an der Verarbeitung biometrischer Daten des Klägers zu begründen.

2.2.6

Schließlich hat die Beklagte angegeben, das angesichts der Infektionsrisiken eine genaue Zeiterfassung erforderlich sei, um Infektionsketten aufklären zu können. Das diene dem Schutz der übrigen Mitarbeitenden und der Patienten. Das Bundesarbeitsgericht hat aber entschieden, dass Gefährdungen bei der Arbeit entweder feststehen oder im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG (bzw. § 4 BioStoffVO oder § 6 GefStoffVO) ermittelt sein müssen, um erforderliche Maßnahmen daraus abzuleiten (BAG vom 28. März 2017 – 1 ABR 25/15). Zwar handelte es sich insoweit um eine Entscheidung über die Reichweite der Befugnisse einer Einigungsstelle nach § 76 BetrVG. Da aber die Mitbestimmung im Bereich des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG nur einsetzt, wenn für einen Arbeitgeber eine Handlungspflicht besteht, gelten diese Grundsätze in einem Betrieb ohne Betriebsrat ebenso. Die Beklagte hat aber weder Tatsachen vorgetragen, aus denen sich feststehende Gefährdungen ergeben, die als erforderliche Maßnahme im Sinne des § 3 ArbSchG die Aufklärung einer Infektionskette erfordern würden, noch hat die Beklagte das Ergebnis einer Gefährdungsbeurteilung vorgetragen, das als erforderliche Maßnahme die Aufklärung einer Infektionskette erfordern würde.

2.2.7

Danach verbleibt allein das Verlangen der Beklagten, jegliche Manipulation bei der Zeiterfassung auszuschließen. Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass ein Arbeitgeber nicht erst in gewissem Umfang missbräuchliche Eingaben der Arbeitszeit dulden müsse, bevor er ein fälschungssicheres Zeiterfassungssystem zur Anwendung bringen dürfe. Allerdings hat die Beklagte aufgrund des grundsätzlichen Verbots der Verarbeitung biometrischer Daten sowohl nach Art. 9 Abs. 2 lit. b DSGVO wie auch nach § 26 Abs. 3 BDSG die Erforderlichkeit der Verarbeitung biometrischer Daten anhand von Tatsachen darzulegen.

2.2.7.1

Die Beklagte hat vorgetragen, dass aufgrund der Erfahrungen mit dem analogen Papier-Dienstplan in Berlin zu erwarten sei, dass die Manipulation der Dienstzeiterfassung per Chipkarte fortgesetzt werde, da dieses technisch ebenso einfach sei. Dem vermag das Berufungsgericht nicht zu folgen. Denn eine Papierdokumentation lässt sich jederzeit durch Überschreibung, Ergänzung und/oder Löschung mittels Korrekturflüssigkeit verändern. Das elektronische System „ZEUS“ der Firma I. GmbH speichert auch ohne biometrische Daten des Klägers soweit ersichtlich die jeweiligen Buchungen, so dass jederzeit nachvollziehbar ist, wann welche Erfassung vorgenommen worden ist.

2.2.7.2

Richtig ist der Vortrag der Beklagten, dass es bei einem Zeiterfassungssystem mittels Chipkarten- oder Transpondersystem nicht ausgeschlossen ist, dass Beschäftigte ihre Anwesenheit vortäuschen ohne tatsächlich anwesend zu sein. Allerdings dürfte dieses abgesehen von den unter 2.2.4 beschriebenen Sachverhalten einen Arbeitszeitbetrug und somit eine Straftat darstellen.

Wenn aber für die Aufdeckung von Straftaten entsprechend § 26 Abs. 1 Satz 2 BDSG personenbezogene Daten von Beschäftigten nur verarbeitet werden dürfen, wenn „zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte“ den Verdacht begründen, muss das erst recht für den Fall gelten, dass zur Vermeidung von Straftaten eine ständige Verarbeitung besonders geschützter biometrischer Beschäftigtendaten erfolgen soll. Dieser Grundrechtseingriff ist aufgrund der Festlegung in § 9 DSGVO von hoher Intensität und kann bereits als solcher unverhältnismäßig sein, wenn der Eingriffsanlass kein hinreichendes Gewicht aufweist. Soweit der Eingriff der Abwehr bestimmter Gefahren dient, kommt es für das Gewicht des Eingriffsanlasses maßgeblich auf den Rang und die Art der Gefährdung der Schutzgüter an (vgl. auch BVerfG vom 27. Februar 2008 – 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07).

Die Behauptung der Beklagten, dass es in einem verbundenen anderen Unternehmen zu Missbräuchen mit anderen technischen Zeiterfassungssystemen gekommen sei, hat die Beklagte trotz Bestreitens des Klägers nicht näher dargelegt. Dass Kartensysteme und andere Systeme beispielsweise durch die Übergabe der Karten an Kollegen (und die strafrechtlich relevante Benutzung durch diese) fälschlich Anwesenheiten vorspiegeln würden, ist richtig. Weshalb es aber im Betrieb der Beklagten in Berlin unentdeckt bleiben soll, wenn der Kläger (bzw. andere Mitarbeiter) entgegen dem Dienstplan bzw. der im System hinterlegten Sollarbeitszeit zu spät erscheinen oder vorzeitig gehen, ist dem Vortrag der Beklagten nicht zu entnehmen. Selbst wenn entsprechend dem Vortrag der Beklagten nicht immer ein Praxismanager vor Ort sein sollte, sind die übrigen Beschäftigten vor Ort. Dass diesen eine etwaige Unterbesetzung nicht auffallen würde, ist dem Vortrag der Beklagten nicht zu entnehmen.

2.3

Nach alledem hat die Beklagte keine Tatsachen dargelegt, nach denen die Verarbeitung biometrischer Daten des Klägers bei der Zeiterfassung „erforderlich“ ist, damit die Beklagte bzw. der Kläger ihre Rechte ausüben oder ihren Pflichten nachkommen können.

Da der Kläger somit keine arbeitsvertragliche Nebenpflicht verletzt hat, indem er sich geweigert hat, dass die Beklagte seine biometrischen Daten bei der Arbeitszeiterfassung verarbeiten kann, sind die Abmahnungen vom 5. Oktober 2018 und 26. März 2019 zu Unrecht erfolgt und diese deshalb, wie bereits vom Arbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil festgestellt, in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 BGB ersatzlos aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.

3.

Entsprechendes gilt auch für die dritte Abmahnung des Klägers vom 26. März 2019.

3.1

Auch insoweit hat das Arbeitsgericht zutreffend entschieden, dass der Kläger nicht verpflichtet war an der betriebsärztlichen Untersuchung teilzunehmen. Insoweit kann auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts entsprechend § 69 ArbGG ebenfalls Bezug genommen werden. Auch hier sind die Angriffe der Berufung nicht geeignet, ein anderes Ergebnis herbeizuführen. Das Arbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Beklagte nicht dargelegt hat, dass der Kläger „regelmäßig und in größerem Umfang“ mit Körperflüssigkeiten, -ausscheidungen oder -gewebe in Kontakt kommen könne.

3.2

Im Einzelnen hat die Beklagte zwar zutreffend ausgeführt, dass es nach dem Teil 2 Abs. 1 Nr. 3c lit. bb des Anhangs zur ArbMedVV ausreichend sei, mit Körperflüssigkeiten, -ausscheidungen oder -gewebe möglicherweise in Kontakt zu kommen. Es genüge eine entsprechende Gefährdung.

Die Behauptung der Beklagten, dazu erstinstanzlich ausreichend unter Beweisantritt vorgetragen zu haben, ist jedoch nicht richtig. Die Beklagte hat zwar behauptet, dass der Kläger (im Schriftsatz vom 17. September 2019 versehentlich als Beklagte bezeichnet) direkten Umgang mit den Patienten habe, so z.B. beim Lagern des Patienten in den radiologischen Großgeräten und beim Injizieren von Kochsalzlösungen und/oder Kontrastmitteln per Kanüle/Spritze, was bei 20 bis 40% der Patienten erforderlich sei. Dazu hatte der Kläger bereits im Schriftsatz vom 2. August 2019 vorgetragen, dass er nicht mit den Patienten in Berührung komme, sondern ausschließlich am Computer arbeite. Im Kammertermin hatte das Arbeitsgericht durch Befragung den Sachverhalt weiter aufgeklärt. Dazu hatte der Kläger ergänzend ausgeführt, dass er aufgrund der Übernahme vom Rechtsvorgänger der Beklagten weiter wie zuvor in einer bestimmten Art und Weise eingesetzt werde, die sich neben der Arbeit am Computer auf das Lagern der Patienten in den Großgeräten beschränke, ohne mit den Stoffen nach dem Teil 2 Abs. 1 Nr. 3c lit. bb des Anhangs zur ArbMedVV in Berührung zu kommen. Irgendwelche konkreten Daten bezüglich des Klägers wie etwa Häufigkeiten konkreter Arbeitsschritte hat die Beklagte aber auch in der Berufungsbegründung nicht vorgetragen.

3.3

Auch übersieht die Beklagte, dass sie nicht nach Gutdünken ihre Beschäftigten anweisen kann, sich einer betriebsärztlichen Vorsorgeuntersuchung zu unterziehen. Vielmehr hat der Arbeitgeber auf Grundlage der nach § 5 ArbSchG allgemein vorzunehmenden Gefährdungsbeurteilung den Umfang der arbeitsmedizinischen Vorsorgemaßnahmen festzulegen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 ArbMedVV). Das Vorhandensein einer Gefährdungsbeurteilung ist grundlegende Bedingung für ärztliche Maßnahmen der Pflicht-. Angebots- und Wunschvorsorge. Zwar hat die Beklagte in der Berufungsverhandlung auf Nachfrage erklärt, dass sie davon ausgehe, dass es eine entsprechende Gefährdungsbeurteilung gebe, da die Untersuchung betriebsärztlich organisiert worden sei, doch verkennt die Beklagte hier erneut den wesentlichen Inhalt der bereits seit 1996 im ArbSchG vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilung. Dazu hätte es für die verschiedenen Tätigkeiten im Betrieb der Beklagten einer Beurteilung der mit der Arbeit verbundenen Gefährdungen bedurft. Aus dieser hätte sich dann auch ergeben, ob der Kläger Tätigkeiten wie alle anderen MTRA ausübt und welche Gefährdungen damit verbunden sind oder ob der Kläger einen anderen Tätigkeitszuschnitt mit anderen Gefährdungen hat.

Da die Beklagte keine entsprechende Gefährdungsbeurteilung dargelegt hat und ohne Gefährdungsbeurteilung keine Pflichtvorsorge durchgeführt werden muss, wie sich aus § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbMedVV ergibt, kann auch die diesbezügliche Abmahnung keinen Bestand haben und ist aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt § 64 Abs.6 ArbGG in Verbindung mit § 97 ZPO. Die Beklagte hat die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

Die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG kam nicht in Betracht, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorgelegen haben.

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