Darlegung der rechtserhaltenden Benutzung einer Marke im Löschungsverfahren

26. Juni 2019
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Gesetzbuch mit Richterhammer - Markenrecht Urteil des OLG Frankfurt vom 04.04.2019, Az.: 6 U 96/18

Innerhalb eines markenrechtlichen Löschungsverfahrens wegen Nichtbenutzung muss der Kläger aufzeigen, dass eine Benutzung durch den Markeninhaber nicht feststellbar ist. Die Darlegungs- und Beweislast bezüglich der rechtserhaltenden Benutzung liegt hingegen beim Markeninhaber. Ansonsten muss dieser wegen Verfalls der Marke seine Zustimmung zur Löschung erteilen. Um eine ernsthafte Benutzung im Sinne des Markengesetzes anzunehmen, muss die Marke in einer üblichen und wirtschaftlich sinnvollen Art und Weise genutzt werden. Eine Lizenzerteilung an Dritte reicht grundsätzlich nicht aus, außer der Markeninhaber kann die ernsthafte Benutzung durch den Lizenznehmer nachweisen.

Oberlandesgericht Frankfurt

Urteil vom 04.04.2019

Az.: 6 U 96/18

 

Tenor

1.) Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 30.05.2018, Az. 2-06 O 408/17 wird zurückgewiesen.

2.) Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3.) Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Löschung von vier Wort-/Bildmarken wegen Verfalls.

Der Beklagte ist u.a. Inhaber der deutschen Wort-/Bildmarke Nr. … „You & Me“:

[Abbildung]

Die Marke ist u.a. für die im erstinstanzlichen Klageantrag II. genannten Waren eingetragen. Die Benutzungsschonfrist der Marke ist am 16.10.2013 abgelaufen.

Der Beklagte betreibt auf der Webseite www.(…).de einen Onlineshop. Dort bietet er hauptsächlich Bier an. Hinsichtlich des weiteren Angebots des Onlineshops wird auf Anlage B 7 Bezug genommen. Er betreibt auch in Stadt1 unter dem Unternehmenskennzeichen „You & Me ein Ladengeschäft. Dort bietet er verschiedenste mit seinen Marken gekennzeichneten Waren an. Zudem schloss er Lizenzverträge mit Dritten zur Markennutzung ab.

Das Landgericht hat durch Urteil vom 30.05.2018, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen Bezug genommen wird, die angegriffenen Marken vollumfänglich gelöscht. Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung nur noch gegen die Löschung der Marke …, soweit diese „Bett- und Tischdecken“ sowie „Webstoffe, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind“, betrifft.

Der Beklagte hat in zweiter Instanz weitere Benutzungsnachweise für die Marke vorgelegt (Anlagen B 27 ff.).

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt a.M. abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit der Beklagte verurteilt worden ist, in die Löschung seiner beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nr. … eingetragenen Wort-/Bildmarke „You & Me“ für die Waren „Webstoffe, soweit sie nicht in anderen Klassen eingetragen sind; Bett- und Tischdecken“ einzuwilligen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht auch hinsichtlich der in zweiter Instanz noch anhängigen Waren einen Verfall nach § 49 MarkenG angenommen und den Beklagten zur Einwilligung zur Markenlöschung verpflichtet.

1.) Die Berufung ist nicht beschränkt auf „Bett- und Tischdecken“, sondern umfasst auch die Warengruppe „Webstoffe, soweit sie nicht in deren Klassen enthalten sind“.

Die Berufung wurde allerdings in der Berufungsschrift zunächst nur eingelegt im Hinblick auf die Waren „Bett- und Tischdecken“ der Marke …. Mit der Berufungsbegründung hat der Beklagte jedoch einen Antrag angekündigt, der auch die Waren „Webstoffe, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind“ umfasst. Grundsätzlich muss in der Berufungsschrift nicht angegeben werden, inwieweit das Urteil angegriffen wird; die Bestimmung des Umfangs der Berufung kann daher der Berufungsbegründung überlassen bleiben (§ 520 III Nr. 1 ZPO: „Erklärung, inwieweit das Urteil angegriffen wird“). Sind mit der Berufungsschrift bereits Anträge gestellt worden, können diese daher grundsätzlich innerhalb der Berufungsbegründungsfrist noch erweitert werden (BGH NJW-RR 2002, 1435; NJW 1984, 437, 438). Dies gilt zwar nicht, wenn der Berufungsführer durch mit seinem ursprünglich beschränkten Berufungsantrag verbundene Erklärungen insoweit auf das Rechtsmittel verzichtet hat (BGH NJW 1984, 438; NJW 1989, 170; Zöller/Heßler, ZPO, 32. Aufl., § 520, Rnr. 31). Alleine der Tatsache, dass der Antrag beschränkt ist, kann einen derartigen Verzicht jedoch noch nicht begründen, da es an der notwendigen Eindeutigkeit fehlt (BGH NJW 2001, 146).

Hier hat der Beklagte neben der Ankündigung des Antrags keine weiteren Erklärungen abgegeben, die einen Verzicht nahelegen. Der Beklagte konnte daher mit der Berufungsbegründung einen erweiterten Antrag stellen, der Gegenstand der Berufung geworden ist.

2.) Der von dem Beklagten in erster Instanz erhobene Einwand des Rechtsmissbrauchs geht offensichtlich fehl. Die Tatsache alleine, dass die Löschungsklagen der Klägerin eine „Retourkutsche“ für die Abmahnungen des Beklagten sein sollen, kann einen Rechtsmissbrauch schon nicht begründen; die Klägerin greift die Marken an, aus denen der Beklagte abgemahnt hat. Das stellt einen nachvollziehbaren sachlichen Grund dar. Im Übrigen schließt das der Popularklage zugrundeliegende Interesse der Allgemeinheit an der Löschung alle Einwendungen und Einreden aus der Person des Klägers und seines Verhaltens aus (BGH GRUR 1952, 577, 582 – Zwilling). Dementsprechend hat der BGH bisher nur eine äußerste Grenzziehung nach Maßgabe des Schikane- und Schädigungsverbots nach §§ 826, 226 BGB erwogen, aber nicht einmal ansatzweise für einschlägig gehalten (BGH GRUR 2005, 1047, 1048 – OTTO: über 100 Löschungsanträge sowie Verfallsklage eines Anwalts im eigenen Namen gegen 27 Marken nach Unterliegen eines seiner Mandanten in anderem Prozess gegen den Inhaber der Marken). Eine größere Flexibilität würde zu einer erheblichen Relativierung der Popularklagebefugnis durch einzelfallbezogene, schwer vorhersehbare Abwägungen und den dann notwendigen Ausschluss auch von „Strohmännern“ führen (Ingerl/Rohnke, 3. Aufl. 2010, MarkenG § 55 Rnr. 13).

3.) Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass auch hinsichtlich der in der Berufung noch anhängigen Waren nach § 49 I MarkenG Verfall eingetreten ist, so dass der Beklagte seine Zustimmung zur Löschung auch insoweit erteilen muss. Dabei kann dahinstehen, ob der Beklagte mit seinem neuen Vortrag in zweiter Instanz nach § 531 II Nr. 2 ZPO überhaupt zuzulassen ist, da auch unter Berücksichtigung des neuen Vortrags eine ernsthafte Benutzung für die streitgegenständlichen Waren im Sinne von § 26 MarkenG nicht dargelegt ist.

a) Eine Marke muss für die Annahme der Ernsthaftigkeit ihrer Benutzung nach § 26 MarkenG in einer üblichen und wirtschaftlich sinnvollen Art und Weise benutzt werden (BGH GRUR 2013, 725 Rnr. 38 – Duff Beer). Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist dazu erforderlich, dass der Inhaber die Marke benutzt, um für die jeweiligen Waren oder Dienstleistungen einen Marktanteil zu gewinnen oder zu behalten (EuGH GRUR 2003, 425 Rnr. 37, 43 – Ansul/Ajax; BGH GRUR 2012, 180 Rnr. 42 – Werbegeschenke; BGH GRUR 2012, 1261 Rnr. 12 – Orion). Ob eine Benutzung als ernsthaft einzustufen ist, wird anhand verschiedener Kriterien geprüft. Dazu zählen insbesondere die Umsatz- und Verkaufszahlen, der Geschäftsumfang, die Frequenz und Dauer der Benutzungshandlungen, die Herstellungs- und Vermarktungskapazität, die Diversifikation des Geschäfts, und die Natur der relevanten Waren und Dienstleistungen. Das alles steht in einer Wechselwirkung (EuG T-203/02, GRUR Int 2005, 47 – Vitafruit; T-638/14, GRUR-Prax 2016, 237 – Frisa).

Die Beweislast für die rechtserhaltende Benutzung oder die berechtigten Gründe für die Nichtbenutzung trifft nach dem Wortlaut des § 25 Abs. 2 MarkenG im Verletzungsprozess den Markeninhaber. Demgegenüber liegt im Löschungsverfahren die Darlegungs- und Beweislast grundsätzlich beim Löschungskläger; dies ergibt sich aus dem allgemeinen Grundsatz, wonach im Prozess die Partei, die einen Anspruch geltend macht, die rechtsbegründenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen hat (Kochendörfer WRP 2007, 261). Allerdings wird wie auch bei anderen Tatbeständen, bei denen das Nichtvorliegen eines Umstandes Anspruchsvoraussetzung ist, vom Markeninhaber das substantiierte Bestreiten der negativen Tatsache unter Darlegung der für das Positivum sprechenden Umstände verlangt. Dies führt im Ergebnis zu einer abgestuften Darlegungslast. Zuerst muss der Kläger seine Zweifelsgründe darlegen, die für eine Nichtbenutzung sprechen. Hierfür reicht es in der Regel aus, dass er eine Recherche vorlegt, aus der sich ergibt, dass Benutzungshandlungen für die eingetragenen Waren- und Dienstleistungen nicht feststellbar sind. Sodann liegt es an dem Beklagten, Benutzungshandlungen, welche die Anforderungen einer ernsthaften Benutzung erfüllen, vorzutragen und durch geeignete Unterlagen zu belegen. Er muss die Produkte benennen, mit denen er unter der fraglichen Marke am Markt tätig ist.

b) Die Klägerin hat hier substantiiert dargelegt, dass die Marke für die in Rede stehenden Dienstleistungen nicht benutzt worden ist. Sie hat vorgetragen, die Benutzungslage durch eine intensive Online-Recherche überprüft zu haben. Der Beklagte biete in seinem Online-Shop aktuell keine der in den Klageanträgen aufgeführten Waren an (Anlage K 7). Mithilfe des Internetarchivs „Waybackmachine“ habe sie auch eine Benutzung in der Vergangenheit überprüft (Anlage K 8). Auch hierbei habe keine entsprechende Verwendung festgestellt werden können.

c) Der hieraus für den Beklagten entstehenden sekundären Darlegungslast ist dieser nicht gerecht geworden. Grundsätzlich kann eine rechtserhaltende Benutzung sowohl durch eigene Handlungen als auch durch Handlungen dritter erfolgen, die mit Zustimmung des Markeninhabers erfolgt sind. Eine ernsthafte Benutzung für die Waren ist indes in keiner Weise substantiiert dargelegt.

(1) Soweit der Beklagte eigene Benutzungshandlungen in seinem stationären Ladengeschäft in Stadt1 behauptet, ist der Vortrag pauschal. Er hat hierzu vorgetragen, dort Kissenbezüge, Kissen, Handtücher, Baumwoll-Kappen sowie Tischläufer mit dem Zeichen „X&Y“ vertrieben zu haben und hiermit in den Jahren 2012 bis 2015 einen Umsatz von 25.000 € erzielt zu haben. Von diesen Waren kommen überhaupt nur Tischläufer als rechtserhaltend für „Tischdecken“ im Sinne der Markeintragung in Betracht. Hierzu fehlt es indes an jeglichen Einzelangaben über den erzielten Umsatz. Der Beklagte hat hierzu nur einen Gesamtumsatz von 25.000 € in drei Jahren für eine Mehrzahl von Waren angegeben, ohne aufzuschlüsseln, welcher Anteil auf die jeweiligen Waren entfällt. Die Benutzung für Kissenbezüge und Kissen stellt keine für Webstoffe dar; vielmehr sind Webstoffe als Rohmaterial für Kissen anzusehen.

Soweit der Beklagte schließlich

(2) Auch rechtshaltende Benutzungshandlungen durch Dritte sind nicht substantiiert dargelegt.

aa) Die Erteilung von Lizenzen an Dritte als solche stellt keine rechtserhaltende Benutzung für die streitgegenständlichen Waren dar; sie lässt auch keinen Hinweis auf eine tatsächliche Benutzung der Marke zu, da ein Lizenznehmer von der Lizenz Gebrauch machen kann, aber nicht muss. Erforderlich wäre daher, zum Art und Umfang der Nutzung durch die Lizenznehmer vorzutragen; hieran fehlt es indes bereits hinsichtlich aller vorgelegten Lizenzverträge, so dass diese schon aus diesem Grunde zur Darlegung einer ernsthaften Benutzung nicht geeignet sind.

bb) Im Hinblick auf den – für keine konkreten Waren abgeschlossenen – Lizenzvertrag mit der Fa. „A KG“ vom 10.04.2018 hat das Landgericht zudem zu Recht darauf hingewiesen, dass dieser nach § 49 II MarkenG nicht zu berücksichtigen ist. Die Fünf-Jahres-Frist berechnet sich rückwirkend ab dem Tag des Schlusses der mündlichen Verhandlung. Eine Heilung kann nur in Betracht kommen, wenn nach Ende der Benutzungsschonfrist und vor Stellung des Löschungsantrages bzw. Klageerhebung eine Benutzung nach § 26 MarkenG aufgenommen wurde. Wird die Benutzung jedoch erst nach Antragstellung/Klageerhebung aufgenommen, tritt keine Heilung ein. Eine Marke, welche zur Zeit der Stellung des Löschungsantrages bzw. Erhebung der Löschungsklage verfallen war, ist daher unheilbar löschungsreif (Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 49, Rnr. 15). Hier ist der Vertrag erst am 10.04.2018 – und damit deutlich nach Anhängigkeit der Klage (20.12.2017) geschlossen worden. Der „Vorgängervertrag“ aus dem Jahr 2017 (Anlage B 25) beschränkte sich auf die Verwendung der Marke auf Glaswaren und umfasste damit nicht einschlägige Waren.

cc) Im Hinblick auf die vorgelegten Lizenzverträge mit B und D ist zudem darauf hinzuweisen, dass diese eine Lizenzierung schon nur für Bettwäsche beinhalten; Bettwäsche, Bettzeug und Bettdecken gehören aber nach der Nizza-Klassifikation in die Klasse 24. Die für die angegriffene Marke eingetragen Warengruppe „Bettdecken“ ist hierzu verschieden. Bettwäsche wird über die Bettdecke gezogen und stellt eine andere Warengattung dar.

dd) Auch der Vertrag mit der Fa. C (Anlage B 29) ist nicht geeignet, eine ernsthafte Benutzung zu belegen. Dieser betrifft zwar auch die angegriffene Marke, verpflichtet den Beklagten aber insoweit nur zur Duldung einer Benutzung von „You & Me“ auf sämtlichen Produkten der Fa. C. Eine ausdrückliche Lizenz wird nur für eine andere „You & Me“-Marke erteilt; regelmäßige Lizenzzahlungen sollen gar nicht erfolgen. Gezahlt wird vielmehr nur ein Pauschalbetrag, mit dem auch Schadensersatzansprüche wegen einer vorangegangenen Rechtsverletzung abgedeckt sein sollten. Dies erscheint als typische Abgeltungsregelung, die für den Verletzer Rechtssicherheit hinsichtlich möglicher Schadensersatzansprüche schaffen soll. Eine ernsthafte Benutzung durch einen Dritten kann hierin nicht gesehen werden.

4.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 708 Nr. 10, 711. ZPO.

Eine Zulassung der Revision war nicht erforderlich, da die Zulassungsvoraussetzungen nicht vorliegen.

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