Kein Anspruch auf Schmerzensgeld bei Beleidigungen per SMS

25. Juli 2016
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Geöffneter Whatsapp-Chat auf dem Display eines weißen Smartphones Urteil des BGH vom 24.05.2016, Az.: VI ZR 496/15

Zum Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung bei groben Beleidigungen im persönlichen Umfeld ohne Breitenwirkung in der Öffentlichkeit.

Mehrere mittels Kurznachricht übertragende Beleidigungen können keinen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes begründen, da sich die Reichweite der verletzenden Äußerungen ausschließlich auf das persönliche Umfeld erstreckt, wonach diese auf Grund fehlender Breitenwirkung in der Öffentlichkeit schon nicht als schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung einzustufen sind. In einem solchen Fall können die mit den Beleidigungen verbundenen Beeinträchtigungen durch die Erwirkung eines Unterlassungstitels und dem Ordnungsmittelverfahren, sowie durch Beschreiten des Privatklageweges aufgefangen werden.

Bundesgerichtshof

Urteil vom 24.05.2016

Az.: VI ZR 496/15

Tenor

Die Revision gegen das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 30. Juli 2015 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger begehrt von dem Beklagten, seinem ehemaligen Vermieter, die Zahlung einer Geldentschädigung, weil dieser ihn insbesondere in Kurzmitteilungen (SMS) in der Zeit vom 10. bis 11. Juni 2012 unter anderem bezeichnet hat als „Lusche allerersten Grades“, „arrogante rotzige große asoziale Fresse“, „Schweinebacke“, „feiges Schwein“, „feige Sau“, „feiger Pisser“, „asozialer Abschaum“ und „kleiner Bastard“. Im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens erwirkte der Kläger gegen den Beklagten ein Anerkenntnisurteil, wonach der Beklagte es unter Androhung eines Ordnungsgeldes zu unterlassen hat, den Kläger zu beleidigen und in irgendeiner Form – auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln – unmittelbaren Kontakt zu dem Kläger aufzunehmen. Der Kläger erstattete weiterhin Strafanzeige gegen den Beklagten. Das Ermittlungsverfahren wurde eingestellt und der Kläger auf den Privatklageweg verwiesen, wovon er jedoch keinen Gebrauch gemacht hat.

Das Amtsgericht hat die Klage auf Zahlung eines der Höhe nach in das richterliche Ermessen gestellten „Schmerzensgeldes“ nebst Zinsen abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat sich der Auffassung des Amtsgerichts angeschlossen, dass dem Kläger im Hinblick auf die vom Beklagten geäußerten Beleidigungen kein „Schmerzensgeldanspruch“ zustehe. Zwar komme eine Geldentschädigung bei Verletzung der menschlichen Würde und Ehre gemäß § 823 BGB i.V.m. Art. 1 und 2 GG in Betracht. Voraussetzung eines „Schmerzensgeldanspruchs“ sei aber eine schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, welche im Streitfall nicht vorliege. Zwar handele es sich um durchaus heftige Beleidigungen, die zudem mehrfach geäußert worden seien. Zu berücksichtigen sei aber auch, dass die Beleidigungen nur über einen relativ kurzen Zeitraum ausgesprochen worden seien und der Beklagte sich zu seinen Äußerungen durch Streitigkeiten aus dem ehemaligen Mietverhältnis zwischen den Parteien, wenn auch in keiner Weise gerechtfertigt, veranlasst gesehen habe. Auch seien die Beleidigungen nicht etwa in breiter Öffentlichkeit geäußert worden. Auch der Umstand, dass es sich ausnahmslos um schlichte und primitive Beleidigungen ohne Tatsachenkern gehandelt habe, sei zu berücksichtigen.

II.

Das Berufungsurteil hält im Ergebnis revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.

1. Entgegen der Auffassung der Revision ist das Berufungsurteil nicht schon deshalb aufzuheben, weil es die Berufungsanträge nicht wiedergebe und sich ihm auch nicht sinngemäß entnehmen lasse, welchen konkreten Antrag der Kläger in der Berufungsinstanz gestellt habe.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen die Berufungsanträge nicht wörtlich wiedergegeben werden; vielmehr reicht es aus, wenn sinngemäß deutlich wird, was der Berufungskläger mit seinem Rechtsmittel erstrebt hat. Selbst die sinngemäße Wiedergabe der Berufungsanträge ist entbehrlich, wenn sich aus dem Gesamtzusammenhang der Gründe das Begehren des Berufungsführers noch mit einer für eine revisionsrechtliche Überprüfung erforderlichen Deutlichkeit entnehmen lässt (vgl. etwa Senat, Versäumnisurteil vom 30. September 2003 – VI ZR 438/02, BGHZ 156, 216, 218; BGH, Beschluss vom 9. Juni 2015 – II ZR 110/14, juris Rn. 14, jeweils mwN).

b) Diesen Mindestanforderungen ist im Streitfall genügt. Aus dem Berufungsurteil wird hinreichend deutlich, dass sich der Kläger mit seiner Berufung gegen die Abweisung seiner auf Zahlung eines „Schmerzensgeldes“ gerichteten Klage wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch von dem Beklagten geäußerte Beleidigungen wendet. Da der Kläger insoweit einen unbezifferten Antrag und die Höhe des Schmerzensgeldes ausdrücklich in das Ermessen des Gerichts gestellt hat, bedurfte es auch nicht der Wiedergabe eines konkreten Antrags.

2. Die Beurteilung des Berufungsgerichts lässt auch in der Sache keinen Rechtsfehler erkennen.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Senatsurteile vom 15. September 2015 – VI ZR 175/14, VersR 2015, 1437 Rn. 38; vom 21. April 2015 – VI ZR 245/14, VersR 2015, 898 Rn. 33, jeweils mwN) begründet eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf eine Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Hierbei sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteile vom 9. Juli 1985 – VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212, 214 f.; vom 24. November 2009 – VI ZR 219/08, BGHZ 183, 227 Rn. 11; vom 17. Dezember 2013 – VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 38 ff.; vom 21. April 2015 – VI ZR 245/14, aaO Rn. 33 und vom 15. September 2015 – VI ZR 175/14, aaO Rn. 38). Bei der gebotenen Gesamtwürdigung ist auch ein erwirkter Unterlassungstitel zu berücksichtigen; der Titel und die mit ihm verbundenen Vollstreckungsmöglichkeiten können den Geldentschädigungsanspruch beeinflussen und im Zweifel sogar ausschließen (vgl. Senatsurteil vom 25. Mai 1971 – VI ZR 26/70, DB 1971, 1660, 1661; Senatsbeschluss vom 30. Juni 2009 – VI ZR 340/08, juris Rn. 3 und Urteil vom 15. September 2015 – VI ZR 175/14, aaO, Rn. 38). Denn die Zubilligung einer Geldentschädigung im Fall einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung findet ihre sachliche Berechtigung in dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde (vgl. Senatsurteile vom 9. Juli 1985 – VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212, 215; vom 15. November 1994 – VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 15 f.; vom 5. Oktober 2004 – VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 302; vom 6. Dezember 2005 – VI ZR 265/04, BGHZ 165, 203, 204 f.; vom 17. Dezember 2013 – VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 40; vom 15. September 2015 – VI ZR 175/14, aaO Rn. 38; BVerfGE 34, 269, 292 f.; BVerfG, NJW 2000, 2187 f.; Müller, VersR 2008, 1141, 1150).

b) Nach diesen Grundsätzen ist die Zahlung einer Geldentschädigung – auch unter Berücksichtigung des von der Revision in Bezug genommenen Sachvortrags des Klägers in den Vorinstanzen – nicht erforderlich. Bei den beanstandeten Äußerungen handelt es sich um grobe Beleidigungen im persönlichen Umfeld ohne Breitenwirkung in der Öffentlichkeit. Die mit den Beleidigungen verbundenen Beeinträchtigungen können befriedigend durch den vom Kläger im einstweiligen Verfügungsverfahren erwirkten strafbewehrten Unterlassungstitel und das Ordnungsmittelverfahren aufgefangen werden. Des Weiteren hatte der Kläger die Gelegenheit, wegen der Beleidigungen den Privatklageweg zu beschreiten und sich auch dadurch Genugtuung zu verschaffen. Für die Zahlung einer Geldentschädigung ist aufgrund der Umstände des Streitfalls daneben kein Raum.

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