Umfang der Pflichten einer Social Media Plattform bei Falschzitaten

26. September 2022
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Social Network und soziales Umfeld Urteil des LG Frankfurt a. M. vom 08.04.2022, Az.: 2-03 O 188/21

Die Beklagte „Host-Providerin“ muss nicht nur die „Memes“ sperren, die unter konkreter Nennung der URL gemeldet wurden, sondern „vorbeugend“ das soziale Netzwerk auf alle identische und ähnliche persönlichkeitsrechtsverletzende „Memes“ überprüfen und diese sperren. Hierfür hat sie:

1. Durch automatisierte Erkennung, mit Hilfe eines dafür geeigneten Programmes, alle identische und ähnliche „Memes“ herauszufiltern und

2. In Form einer „menschlichen Moderationsentscheidung“ selber festzustellen, welche der „Memes“ dem Ursprünglichen so kerngleich sind, dass sie das ursprüngliche Falschzitat weiter verbreiten.

Landgericht Frankfurt am Main

Urteil vom 08.04.2022

Az.: 2-03 O 188/21

 

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, alle zu dem nachfolgend wiedergegebenen Meme (Wort-Bild-Kombination),

das unter Verwendung eines Fotos der Klägerin, des Namens „…..“ und der Aussage „Integration fängt damit an, dass Sie als Deutscher mal türkisch lernen“ den Eindruck vermittelt, die Klägerin habe diese Aussage getroffen,

zum Zeitpunkt der Rechtskraft des Urteils vorhandenen

a) identischen Inhalte auf der Plattform www…com öffentlich zugänglich machen zu lassen, und

b) kerngleichen Inhalte auf der Plattform www….com öffentlich zugänglich machen zu lassen,

wie geschehen unter der URL https://www……..com/….. und wie aus Anlage K 1 (Bl. 13 d. A.) ersichtlich.

2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von € 10.000,00 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

5. Das Urteil ist im Tenor zu 1 gegen Sicherheitsleistung von € 40.000,00 und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Umfang der Pflichten einer Social Media Plattform, ihre Plattform auf persönlichkeitsverletzende Veröffentlichungen zu prüfen. Kern des Rechtsstreits ist, ob die Beklagte als Host-Providerin dazu verpflichtet ist, nach Anzeige eines persönlichkeitsrechtsverletzenden Inhalts nur die vom Betroffenen konkret in der Anzeige benannte URL oder darüber hinaus auch sämtliche auf der Plattform befindlichen kerngleichen rechtsverletzenden Inhalte zu sperren hat.

Die Klägerin ist Politikerin und Bundestagsabgeordnete.

Die Beklagte betreibt das soziale Netzwerk …. unter der Plattform www…com. Ihr Dienst wird weltweit von rund 2,9 Milliarden Menschen genutzt.

Auch die Klägerin nutzt das Netzwerk der Beklagten.

In diesem Netzwerk kursiert folgendes Meme als Wort-Bild-Kombination:

(Anlage K 1, Bl. 13 d. A.)

Das Meme verbreitet sich auf der Plattform der Klägerin durch einerseits Hochladen („Uploads“) von Nutzern und anderseits die Funktion „Teilen“, auch in für die Klägerin nicht sichtbaren privaten Gruppen.

Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Klägerin die Aussage „Integration fängt damit an, dass Sie als Deutscher mal türkisch lernen!“ nie getätigt hat. Es handelt sich um ein Falschzitat. Die Klägerin distanzierte sich öffentlich bereits 2015 von dieser Aussage. Sie ging vor dem Landgericht Frankfurt und dem Landgericht Köln erfolgreich gegen Verbreiter dieser Aussage über soziale Netzwerke vor (Anlage K 9, Bl. 146 d. A.). Zudem reichte sie wegen dieses Sachverhalts Strafanzeige ein (Bl. 149 d. A.).

Die von der Beklagten beauftragte unabhängige Faktenprüfer-Organisation … versah dieses Meme mit folgendem Vermerk (Anlage K 2, Bl. 14 d. A.):

„Fehlinformation

Die gleichen Informationen wurden bereits in einem anderen Beitrag von unabhängigen Faktenprüfern geprüft.“

Klickt man auf die im Vermerk enthaltene Schaltfläche „Grund zeigen“, erhält man folgenden Text:

„Faktenprüfung durch …..:

FALSCH. Das Zitat ist frei erfunden.“

Durch einen weiteren Klick kommt man auf einen Artikel, der die Geschichte des Falschzitats darstellt. Zu den Einzelheiten wird verwiesen auf Anlage K 3 (Bl. 15 d. A.).

Dieses Meme wurde im sozialen Netzwerk unter unterschiedlichen URL und in verschiedenen Varianten veröffentlicht. Die veröffentlichten Wort-Bild-Kombinationen enthalten ein Bildnis der Klägerin, ihren Vor- und Nachnamen, den Namen ihrer Partei und das Falschzitat. Sie variieren im Lay-out (wie Auflösung, Zuschnitt, Farbfilter, Rahmen, Markierungen, Unterstreichungen oder anderen graphischen Elementen), durch Anbringung weiterer oder Weglassung einzelner Textinhalte, Tippfehler, An- und Abführungszeichen und teilweise auch nur durch Veränderung einzelner, oftmals für das Auge gar nicht wahrnehmbarer Pixel.

Diese Veränderungen führen dazu, dass die Bilddateien unterschiedliche sog. Hashwerte aufweisen können. Als Hashwert werden alphanummerische Prüfsummen bezeichnet, die aus den Bilddateien errechnet werden. Jeder Bilddatei wird ein bestimmter Hashwert zugeordnet. Er wird auch als „digitaler Fingerabdruck“ bezeichnet. Ist ihr Hashwert identisch, sind auch die Abbildungen identisch (Rn. 39 der Klageerwiderung, Bl. 80 d. A.).

Bildabgleiche zur Identifikation ähnlicher Bilder mittels künstlicher Intelligenz werden in zwei Schritten durchgeführt. Zuerst werden anhand eines Vergleichs der Hashwerte der Inhalte diejenigen „Kandidaten“ ermittelt, die dem Ausgangsbild entsprechen. In einem zweiten Schritt erfolgt eine Überprüfung der Kandidaten anhand weiterer Algorithmen, beispielsweise PDNA und OCR (d.h. „Optical Character Recognition“). Die dafür notwendigen Verfahren werden ab Randnummer 40 der Klageerwiderung (Bl. 80 d. A.) und ab Randnummer 28 der Duplik (Bl. 311 ff. d. A.) sowie in dem insoweit nicht bestrittenen, von der Klägerin vorgelegten Gutachten von ….. von der ….., …. (Anlage K 8, Bl. 138 ff. d. A.; deutsche Übersetzung, Bl. 129 ff. d. A.) beschrieben.

Teilweise wird einem Meme auch ein Textbeitrag hinzugefügt, eine sog. „Caption“. Das ist eine dem Bild hinzugefügte Über- bzw. Unterschrift, mit denen ein Nutzer das Bild kommentieren, aber sich auch davon distanzieren kann, beispielsweise indem er es als Falschzitat kennzeichnet. Die Parteien sind sich einig, dass eine automatisierte Prüfung von Captions danach, ob sich hieraus – im Fall der Distanzierung – ausnahmsweise eine Rechtmäßigkeit des ansonsten rechtsverletzenden Memes ergibt, nicht möglich ist. Hierfür bedarf es einer „menschlichen Moderationsentscheidung“ (S. 12 ff. der Replik, Bl. 115 ff. d. A. und Rn. 28 ff. der Duplik, Bl. 311 ff. d. A.).

Die Klägerin meldete der Beklagten am 28.02.2021 das streitgegenständliche Meme unter Bezeichnung einer konkreten URL unter der ….. ID-Nummer ….. über die Meldefunktion des Portals der Beklagten und das Netz-DG-Formular (Anlage K 4, Bl. 16 d. A., im Folgenden der Terminologie der Parteien folgend bezeichnet als „Post 1“). Sie forderte die Beklagte unter dem Stichwort „Defamation (§ 186 StGB)“ zu deren Löschung auf. Die Beklagte teilte der Klägerin daraufhin mit: „Wir nehmen behauptete Rechtsverletzungen sehr ernst und haben Ihre Beschwerde geprüft. Es ist für uns jedoch nicht ersichtlich, dass der von Ihnen gemeldete Inhalt rechtswidrig ist. Deshalb sind wir zurzeit nicht in der Lage, Maßnahmen bezüglich ihrer Beschwerde zu treffen“. Zu den Einzelheiten wird verwiesen auf Anlage K 4 (Bl. 16R d. A.)

Am 01.04.2021 verlangte die Klägerin von der Beklagten, dieses Mal mit anwaltlichem Schreiben, erneut die Löschung dieses Falschzitats. Sie erläuterte darin, warum es sich dabei um ein Falschzitat handelt. Sie gab dazu erneut die konkrete URL von Post 1 sowie eines weiteren Memes unter der ..ID-Nummer …(im Folgenden „Post 2“) an (Anlage K 5, Bl. 17 ff. d. A.).

Post 2 variiert im Verhältnis zu Post 1 darin, dass in diesem Meme das Wort „…“ rot unterstrichen, der Satz „Nie vergessen wer der Feind Deutschlands ist. Unbezahlbar …“ enthalten und es mit der Caption „De spinnt doch de Gründe Bekloppte … kann sich gerne aus Deutschland für immer verabschieden“ überschrieben ist. Zudem war es von … mit dem Vermerk „Falschzitat“ versehen. Zu Einzelheiten wird verwiesen auf Randnummer 12 der Klageerwiderung (Bl. 73 d. A.).

Mit demselben Schreiben verlangte die Klägerin über die Löschung dieser beiden konkret bezeichneten URLs hinausgehend die Beseitigung des Falschzitats durch Sperrung „identischer und sinngleicher Memes auf der ganzen Plattform der Beklagten“. Zudem forderte sie die Abgabe einer darauf bezogenen strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie Schadensersatz. Hierfür setzte sie der Beklagten eine Frist bis zum 12.04.2021. Zu den Einzelheiten wird verwiesen auf das Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin in Anlage K 5 (Bl. 17 ff. d. A).

Die Beklagte sperrte bis zum 12.04.2021 lediglich Post 1. Sie teilte der Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 12.04.2021 mit, dass sie „den Zugriff auf den konkret (von der Klägerin) beanstandeten, von einem Drittnutzer hochgeladenen Inhalt beschränkt“ habe, kündigte eine weitere Prüfung an und bat die Klägerin, sie in der Zwischenzeit wissen zu lassen, soweit sie weitere konkrete Inhalte vor Augen habe, bei denen aus ihrer Sicht eine entsprechende Beschränkung ebenfalls erforderlich ist. Zu den Einzelheiten wird verwiesen auf das Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Beklagten in Anlage K 6 (Bl. 23 f. d. A.). Die geforderte Unterlassungserklärung gab die Beklagte nicht ab.

Daraufhin hat die Klägerin am 23.04.2021 vorliegende Klage eingereicht. Mit dieser Klage hat sie u.a. angekündigt, in der mündlichen Verhandlung die Entfernung von Post 2 und eines weiteren Posts unter der …ID-Nummer ……(im Folgenden „Posts 3“) zu beantragen.

Post 3 variiert im Verhältnis zu Post 1 darin, dass dieses Meme schwarze Balken am oberen und unteren Bildrand aufweist und mit der Caption „Und können eure grüne inklusive ….. schon türkisch, wenn ja dann ab zu …..“ versehen ist. Zu Einzelheiten wird verwiesen auf Anlage B 2 (Bl. 98 d. A.).

Des Weiteren hat die Klägerin angekündigt, die Entfernung derzeit vorhandener identischer und sinngleicher Inhalte auf der ganzen Plattform www…..com zu beantragen.

Die Klageschrift zitiert außerhalb der angekündigten Klageanträge ein weiteres Meme unter …ID-Nummer … (im Folgenden „Post 4“). Post 4 variiert im Verhältnis zu Post 1 darin, dass es mit folgender Caption eines „…“ versehen ist: „Die … … . Was soll man dazu noch sagen? Die sind in Deutschland genauso dämlich wie bei uns in Österreich! ….., Spitzenkandidatin in Deutschland fordert Deutsche sich zu integrieren indem Sie Türkisch lernen. Erst kürzlich sagte Sie, das Polizisten beim Einsatz in Muslimischen Räumlichkeiten aus Ehrfurcht vor Allah ihre Schuhe ausziehen sollen. Dieser Schwachsinn könnte auch glatt von einer …… kommen!“ Zu Einzelheiten wird verwiesen auf Anlage K 7 (Bl. 24 d. A.).

Post 2 wurde von der Beklagten am 05.05.2021 gesperrt.

Im Anschluss daran ist die Zustellung der Klageanschrift an die Beklagte im Ausland erfolgt (Bl. 54, 74, 102 d. A.).

Nach Zustellung der Klageschrift sperrte die Beklagte am 10.06.2021 Post 3 (Rn. 26 der Klagerwiderung, Bl. 75 d. A.). Auch Post 4 wurde mittlerweile, am 17.08.2021, entfernt (Anlage B 4, Bl. 100 d. A., s. auch Bl. 76 und 126 d. A.).

Die Klägerin hat daraufhin mit ihrer Replik vom 05.01.2022 ihre Klageanträge neu gefasst und angekündigt, die Klage im Hinblick auf Post 1 für erledigt zu erklären und im Hinblick auf Post 3 zurückzunehmen. Sie moniert in diesem Schriftsatz, dass weiterhin identische und sinngleiche Memes auf der Plattform veröffentlicht sind, von denen sie für die als Post 5, Post 6 und Post 7 bezeichneten Memes konkrete URLs angiebt (S. 15 f. der Replik, Bl. 118 f. d. A.).

Post 5 variiert von Post 1 darin, dass es mit folgender Caption versehen ist: „Spinnt die Alte ich lerne Kein Türkisch Ich bin Deutsche und keine Türkin“. Dies kommentierte ein Nutzer mit „Die spinnt doch“ und ein weiterer mit „Die tickt doch nicht ganz sauber“.

Post 6 variiert von Post 1 darin, dass es mit folgender Caption versehen ist: „Die gehört hinter Gitter krank“. Dies kommentierte ein Nutzer mit: „… schauen sie sich bitte erst einmal die Diskussion bis zum Schluss an bevor solche Bilder wie ein Virus durchs ganze Netz schießen.“ Darauf antwortete die Nutzerin: „Habe selbst meine Meinung dazu“.

Post 7 variiert von Post 1 darin, dass es mit folgender Caption versehen ist: „So weit kommts noch (zwei wutschnaubende Emojis) Weg mit so einer (grimmiges Emoji).“ Dies kommentierten Nutzer wie folgt:

„Haha die sollen erstmal gescheit deutsch lerne.“

„Die hat nicht alle Tassen im Schrank die piss Kuh.“

„Setzen wir uns zur Wehr.“

„Ich glaub die hat den Knall nicht gehört… wo leb ich… genau noch in Deutschland dachte ich zumindest.“

„Ist das eine Frau???? ba“

Die Beklagte hat in ihrem nachgelassenen Schriftsatz vom 03.03.2022 mitgeteilt,

dass die Post 5, Post 6 und Post 7 seit dem 18.01.2022 nicht mehr in Deutschland abrufbar sind.

Die Klägerin ist der Rechtsauffassung, sie habe nach Meldung des Memes mit dem Falschzitat unter einer konkreten URL einen Anspruch gegen die Beklagte, dass diese es unterlässt, sämtliche zu diesem Zeitpunkt auf ihrer Plattform befindlichen identischen und kerngleichen Memes öffentlich zugänglich zu machen, ohne der Beklagten die URLs dieser weiteren Memes mitzuteilen zu müssen. Für einen effektiven Rechtsschutz sei es der Klägerin weder zumutbar noch möglich, stets eine konkrete URL mit dem verletzenden Inhalt anzuzeigen. Dagegen sei es der Beklagten zumutbar, mit den bereits bestehenden Verfahren zur Bilderkennung den angezeigten rechtsverletzenden Inhalt aufzufinden und zu sperren. Der Beklagten sei zur Wahrung der Meinungsfreiheit eine manuelle Überprüfung der durch Algorithmen identifizierten Zweifelsfälle zumutbar, ohne ihr Geschäftsmodell in Frage zu stellen und/oder ohne Upload-Filter einsetzen zu müssen. Lediglich die Beklagte sei als Plattformbetreiberin in der Lage, effektiv alle rechtsverletzenden Beiträge aufzuspüren und zeitnah zu entfernen. Ihr entstehe durch die fortdauernde Verbreitung der rechtsverletzenden Inhalte ein immaterieller Schaden, für den die Beklagte seit ihrer Kenntniserlangung hafte.

Die Klägerin beantragt zuletzt:

1.I. Die Klage wird in Bezug auf den Klageantrag zu 1.I. aus der Klageschrift vom 04.05.2021 insofern für erledigt erklärt, als dass dort beantragt wurde, das unter der URL

genannte Meme zu entfernen. Zugleich wird beantragt, der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

1.II. Die Klage wird in Bezug auf den Klageantrag zu 1.I. aus der Klageschrift vom 04.05.2021 insofern zurückgenommen, als dass dort beantragt wurde, das unter der URL

https:// –

genannte Meme zu entfernen. Zugleich wird beantragt, der Beklagten gem. § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO die dadurch entstandenen Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

1.III. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, alle zu dem nachfolgend wiedergegebenen Meme (Wort-Bild-Kombination),

das unter Verwendung eines Fotos der Klägerin, des Namens „…..“ und der Aussage „Integration fängt damit an, dass Sie als Deutscher mal türkisch lernen“ in der typischen Art eines Zitates den Eindruck vermittelt, die Klägerin habe diese Aussage getroffen,

wie geschehen unter der URL https://www…..com/……. K 1 (Bl. 13 d. A.) ersichtlich,

zum Zeitpunkt der Rechtskraft des Urteils vorhandenen

a) identischen Inhalte auf der Plattform www….com öffentlich zugänglich zu machen oder öffentlich zugänglich machen zu lassen,

und

b) kerngleichen Inhalte auf der Plattform www….com öffentlich zugänglich zu machen oder öffentlich zugänglich machen zu lassen,

sofern das beschriebene Zitat nicht vom Verbreiter zugleich ernsthaft als falsch gekennzeichnet wird.

2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ein Schmerzensgeld in vom Gericht zu bestimmender billiger Höhe, mindestens jedoch € 10.000,00 zu zahlen.

Die Beklagte schließt sich der Erledigungserklärung zu Klageantrag zu 1.I. unter Verwahrung gegen die Kostenlast an und beantragt,

1. der Klägerin die Kosten für die Rücknahme des Klageantrags zu 1.II. aufzuerlegen und im Übrigen

2. die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, sie habe sämtliche Memes gelöscht, die unter von der Klägerin konkret benannten URLs veröffentlicht worden sind. Wegen der hier gegebenen, besonderen Ausnahmekonstellation habe sie sich ausnahmsweise und überobligatorisch entschlossen, technisch „identische“ Inhalte und „fast identische“ Inhalte zu den von der Klägerin gemeldeten automatisiert zu erkennen und in Deutschland zu sperren (Rn. 37 der Klageerwiderung, Bl. 79 d. A.), so dass bereits Erfüllung eingetreten sei (Rn. 81 und 82 der Klageerwiderung, Bl. 92 d. A.)

Die Beklagte ist der Meinung, die Klageanträge seien auf eine europarechtswidrige Einzelfallprüfung und damit auf eine manuelle Nachforschungs- und Überwachungspflicht aller Social Media-Veröffentlichungen angelegt. Sie seien nicht geeignet, das Klageziel der Klägerin zu erreichen. Außerdem seien sie zu unbestimmt und verlagerten die Beurteilung der Beiträge ins Vollstreckungsverfahren. Als neutrale Host-Providerin hafte sie nach den Grundsätzen der Störerhaftung nur für konkret bezeichnete Beiträge. Eine vorbeugende Kontrolle ihrer Plattform auf rechtsverletzende Inhalte sei nicht vorgesehen. Die technischen Möglichkeiten automatischer Erkennung von Inhalten seien begrenzt. Sofern man sich nicht auf Fälle ohne jeglichen ergänzenden Nutzerkommentar (Caption) und gleichzeitig sehr hoher Übereinstimmung der Hashwerte beschränke, sei in jedem Fall der Erkennung eines auf technischem Weg identifizierten Inhalts eine weitere manuelle Prüfung des Beitrags in seinem Veröffentlichungskontext erforderlich, zu der sie nicht verpflichtet sei (Rn. 36 des Schriftsatzes vom 13.09.2021, Bl. 79 d. A.). Die von der Klägerin zur Identifikation rechtsverletzender Inhalte geforderte „menschliche Moderationsentscheidung“ verlange von ihr eine autonome Bewertung, zu der sie nicht verpflichtet werden könne. Der Schmerzensgeldanspruch sei nicht dargelegt. Die der Beklagten unter konkret angezeigten URLs befindlichen Memes, einschließlich der während dieses Verfahrens angezeigten, habe sie stets unverzüglich entfernt. Die Kenntnis der Faktenprüfer von … sei ihr nicht zuzurechnen. Die Klage gefährde die Freiheit der Internetkommunikation.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

A. Die Klage ist zulässig.

Die Klageanträge sind hinreichend bestimmt und geeignet, das Rechtsschutzbegehren der Klägerin zu erreichen. Dies gilt auch für Klageantrag zu 1.III.

Ein Klageantrag ist im Sinne von § 253 II Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis erkennbar abgrenzt und den Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung erkennen lässt. Ein Verbotsantrag muss so klar gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts klar umrissen sind, sich der Beklagte erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Beklagten verboten ist (st. Rspr. BGH, Urteil vom 15.07.1999 – I ZR 204/96; MüKoBGB/Raff, 8. Aufl. 2020, BGB § 1004 Rn. 321). Ob gemessen daran im konkreten Fall die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Klage erfüllt sind, beurteilt sich nicht allein nach der Fassung des Klageantrags. Inhalt und Reichweite des Klagebegehrens werden nicht allein durch den Wortlaut des gestellten Klageantrags bestimmt; vielmehr ist dieser unter Berücksichtigung der Klagebegründung auszulegen. Dabei ist im Zweifel das als gewollt anzusehen, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage der erklärenden Partei entspricht (BGH, Urteil vom 21.3.2018 – VIII ZR 68/17).

Gemessen an diesen Grundsätzen sind die Klageanträge, insbesondere der Klageantrag zu 1.III. zulässig. Die Klägerin wendet sich dagegen, dass durch auf dem sozialen Netzwerk der Beklagten veröffentlichte Memes der falsche Eindruck erweckt wird, sie habe eine konkret bezeichnete Äußerung getätigt. Dabei bezieht sie ihren Antrag auf ein Meme, das sie – wie im Presserecht und Recht des geistigen Eigentums allgemein üblich – sowohl durch die Angabe einer URL als auch durch die als Anlage K 1 vorgelegte Abbildung eindeutig konkretisiert. Dadurch ermöglicht sie der Beklagten, sich erschöpfend zu verteidigen.

Dass die URL angesichts der Löschung im Vollstreckungsverfahren nicht mehr abgerufen werden kann, führt nicht zur Unbestimmtheit dieses Klageantrags. Das Vollstreckungsgericht ist in der Lage, sich durch die Abbildung in der Anlage K 1 ein Bild zu verschaffen, welche im Übrigen zusätzlich zum Urteil archiviert wird und im Vollstreckungsverfahren zugänglich ist.

Der Antrag umschreibt das begehrte Rechtsschutzziel der Klägerin exakt. Mit den unter Klageantrag zu 1.III a) und b) genutzten Begriffen „identisch“ und „kerngleich“ und dem einschränkenden Zusatz im letzten Halbsatz wird das begehrte Verbot des Erweckens eines falschen Eindrucks nicht eingeschränkt, sondern lediglich klargestellt, dass auch identische und kerngleiche Memes den zu unterlassenden Eindruck erwecken. Entgegen der Auffassung der Beklagten sind diese Begriffe nicht unbestimmt, sondern beschreiben das rechtlich Charakteristische der beanstandeten Verletzungsform. Diese beschränkt sich nicht auf die genau identische Verletzungsform, sondern umfasst auch alle zwar leicht abgewandelten, aber im Kern gleichartigen Verletzungsformen. Zusätzliche abstrakt formulierten Merkmale im Antrag sind eine unschädliche Überbestimmung, durch die der Antrag nicht über die konkrete Verletzungsform hinaus erweitert wird, sondern durch die die Klägerin lediglich verdeutlicht, in welchem Umfang sie über die Umstände des beanstandeten Verhaltens hinaus andere Verletzungshandlungen als im Kern gleichartig ansieht (BGH, Urteil vom 15.07.1999 – I ZR 204-96; BGH, Urteil vom 18.9.2014 – I ZR 34/12; BGH, Urteil vom 09.03.2021 – VI ZR 73/20). Angesichts der Vielgestaltigkeit der Lebensvorgänge ist kaum zu erwarten, dass es jemals zu einer in allen Einzelheiten identischen Wiederholung eines vergangenen Verhaltens kommt. Ein effektiver Rechtsschutz verlangt deshalb nach einer gewissen Verallgemeinerung der konkret umschriebenen Verletzungshandlung, die deren Wesen erfasst (Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann, 5. Aufl. 2021, UWG § 8 Rn. 155, 159, 160). Daher ist die Verlagerung eines Teils des Streits, was unter Kerngleichheit zu verstehen ist, in das Vollstreckungsverfahren nicht zu vermeiden, wenn nicht der auf einen durchsetzbaren Unterlassungsanspruch zielende Rechtsschutz geopfert werden soll. Die Beklagte ist dadurch gesichert, dass ihr im Vollstreckungsverfahren nur schuldhafte Verstöße zur Last gelegt werden können und ein unverschuldetes Verhalten die Verhängung von Ordnungsmitteln nicht rechtfertigen kann (Vgl. BGH, Urteil vom 15.8.2013 – I ZR 80/12).

Der Klageantrag wird auch nicht durch den letzten Halbsatz („sofern das beschriebene Zitat nicht vom Verbreiter zugleich ernsthaft als falsch gekennzeichnet wird“) unbestimmt. Auch durch diesen Halbsatz wird das begehrte Verbot des Erweckens eines falschen Eindrucks nicht eingeschränkt, sondern lediglich klargestellt, dass ein vom Verbreiter als falsch gekennzeichnetes Zitat nicht geeignet ist, diesen Eindruck zu erwecken. Insoweit stimmt die Kammer der Beklagten zu, dass dieser Teil des Klageantrags „redundant“ (Rn. 11 der Duplik, Bl. 306 d. A.) ist. Dies begründet aber nicht dessen Unbestimmtheit.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Klageantrag zu 1.III auch nicht widersprüchlich. Der Klägerin steht es frei, das von ihr begehrte Verbot des Eindruckserweckens auf den Zeitpunkt der Rechtskraft des Urteils zu beschränken. Der Entscheidungsrahmen des Gerichts wird damit im Sinne von § 308 ZPO hinreichend festgelegt.

Auch wird die Zulässigkeit der Klage nicht durch § 259 ZPO beschränkt, denn die Klägerin begehrt nicht vorsorgenden, sondern vorbeugenden Rechtsschutz. Insoweit macht sie einen bestehenden und keinen zukünftigen Anspruch geltend.

B. Die Klage ist begründet.

I. Der Klägerin steht der mit Klageantrag zu 1.III. geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß §§ 823, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG, 8 EMRK zu.

Die Beklagte hat als sog. mittelbare Störerin rechtswidrig zur fortdauernden Verbreitung des streitgegenständlichen Falschzitats durch die originär verantwortlichen Nutzer beigetragen. Sie ist deshalb verantwortlich dafür, dass fortdauernd der falsche Eindruck erweckt wird, die Klägerin habe die Aussage „Integration fängt damit an, dass Sie als Deutscher mal türkisch lernen!“ getätigt. Dies hat sie zu unterlassen.

1. Das Falschzitat greift rechtswidrig in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin ein.

Die Reichweite des allgemeinen Persönlichkeitsrechts steht wegen seiner Eigenschaft als Rahmenrecht nicht absolut fest. Sie muss grundsätzlich durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist dabei rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 15.09.2015 – VI ZR 175/14; BGH, Urteil vom 28.07.2015 – VI ZR 340/14).

Es ist anerkannt, dass es persönlichkeitsrechtsverletzend ist, einer Person per Zitat eine Äußerung unterzuschieben, die sie gar nicht getätigt hat. Die Zuordnung einer bestimmten Aussage zu einer bestimmten Person in der Form des wörtlichen Zitats enthält die jedenfalls inzidente Behauptung, der Zitierte habe sich so geäußert, wie er zitiert wird (BVerfG, Beschluss vom 25.10.2012 – 1 BvR 2720/11 – Prinzip Arche Noah; BGH, Urteil vom 21.06.2011 – VI ZR 262/09). Dies betrifft auch den Kontext, in den der zitierte Satz oder Satzteil gestellt wird (Soehring/Hoene, Presserecht, 6. Aufl. 2019, § 16 Rn. 96).

Vorliegend ist es zwischen den Parteien unstreitig, dass es die Klägerin die streitgegenständliche Äußerung nie getätigt hat und es sich deshalb um ein Falschzitat handelt.

Es gibt keinen Rechtfertigungsgrund dafür, jemanden eine falsche Äußerung in den Mund zu legen. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt sowohl vor unrichtigen, verfälschten als auch entstellten Wiedergaben einer Äußerung (vgl. BVerfGE 34, 269, 282 f. – Soraya; BVerfGE 54, 148, 154 f. – Eppler; BVerfGE 54, 208, 217 – Böll/Walden). Falschzitate sind besonders schädlich, weil sie den Zitierten als „Zeuge gegen sich selbst“ für die getätigte Aussage anführen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31.03.1993 – 1 BvR 295/93).

2. Die Beklagte ist als mittelbare Störerin passiv legitimiert.

Als mittelbarer Störer ist grundsätzlich verpflichtet, wer in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Beeinträchtigung des Rechtsguts beiträgt. Dabei kann als Beitrag auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte.

Die Haftung als mittelbarer Störer darf aber nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden, welche die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben. Sie setzt deshalb Verhaltenspflichten voraus (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 24.07.2018 – VI ZR 330/17 – Prozessberichterstattung).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Host-Provider zur Vermeidung einer Haftung als mittelbarer Störer zwar grundsätzlich nicht verpflichtet, die von den Nutzern ins Netz gestellten Beiträge vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen. Er ist aber verantwortlich, sobald er Kenntnis von einem konkreten rechtswidrigen Inhalt (oder einer konkreten rechtswidrigen Handlung durch einen Nutzer, vgl. EuGH, Urteil vom 22.06.2021 – C-682/18 u.a., Rn. 113, 118) erlangt und nicht unverzüglich tätig wird, um die in Rede stehende Information oder den Zugang zu ihr zu sperren (vgl. BGH, Urteil vom 01.03.2016 – VI ZR 34/15 Rn. 23 – jameda.de II, BGH, EuGH-Vorlage vom 13.09.2019 – I ZR 140/15 Rn. 49, 52 – YouTube; Urteil vom 15.10.2020 – I ZR 13/19 Rn. 24 – Störerhaftung des Registrars).

Dies setzt voraus, dass der Hinweis so konkret gefasst ist, dass der Adressat des Hinweises den Rechtsverstoß unschwer – das heißt ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung – feststellen kann. Der Hinweis ist erforderlich, um den grundsätzlich nicht zur präventiven Kontrolle verpflichteten Diensteanbieter in die Lage zu versetzen, in der Vielzahl der indexierten Internetseiten diejenigen auffinden zu können, die möglicherweise die Rechte Dritter verletzen (BGH, Urteil vom 17.08.2011 – I ZR 57/09 – Stiftparfüm; BGH, Urteil vom 24.07.2018 – VI ZR 330/17 Rn. 36 – Prozessberichterstattung).

Ab dem Zeitpunkt seiner Kenntnis ist der Diensteanbieter nicht nur dazu verpflichtet, den konkreten Inhalt unverzüglich zu sperren, sondern hat auch Vorsorge zu treffen, dass es möglichst nicht zu weiteren gleichartigen Rechtsverletzungen kommt (vgl. BGH, Urteil vom 17.08.2011 – I ZR 57/09 Rn. 39 – Stiftparfüm; BGH, Urteil vom 12.07.2012 – I ZR 18/11 – Alone in the Dark).

Unter Anwendung dieser Grundsätze ist von einer Kenntnis der Beklagten von dem Falschzitat spätestens seit dem anwaltlichen Schreiben der Klägerin vom 01.04.2021 auszugehen.

Während die Klägerin in der über das Meldeportal gemeldeten Anzeige ohne weitere Erläuterungen lediglich auf § 186 StGB hingewiesen hat, hat sie mit diesem Schreiben der Beklagten unmissverständlich klargemacht, dass die streitgegenständliche Äußerung nicht von ihr stammt und es sich um ein Falschzitat handelt. Durch die konkret genannte URL war die Beklagte auch in der Lage zu erkennen, um welche Art von Falschzitat durch welche Art von Memes es der Klägerin geht. Hiermit hat die Klägerin den von der Rechtsprechung geforderten „konkreten Hinweis“ für den Rechtsverstoß des Falschzitats erteilt und sie dadurch in die Lage versetzt, die Memes aufzufinden, die ihre Rechte verletzen.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist es nicht erforderlich, dass die Klägerin diesen Hinweis für jede weitere Rechtsverletzung wiederholt (Rn. 66 der Klageerwiderung, Bl. 88 d. A.). Das von der Beklagten zur Begründung dieser Auffassung zitierte Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23.06.2009 (VI ZR 232/08) betrifft keinen „absolut vergleichbaren Fall“. Der dortige Fall betraf eine vorbeugende Unterlassungsklage einer Bildnisveröffentlichung über die konkrete Verletzungsform hinaus. Dagegen begehrt die hiesige Klägerin das Verbot, sämtliche Memes öffentlich zugänglich machen zu lassen, die den fälschlichen Eindruck erwecken, sie habe die ihr zugeschriebene Äußerung getätigt, obwohl sie dies nie getan hat. Diesen Rechtsverstoß hat sie jedoch klar benannt, so dass dieser Rechtsverstoß unschwer zu erkennen ist. Unstreitig weiß die Beklage, dass es sich um ein Falschzitat handelt.

Weitere Anforderungen an den Hinweis hat die Rechtsprechung nicht aufgestellt, insbesondere nicht die Angabe einer konkreten URL. Mit diesem Schreiben hat die Klägerin die Beklagte in Kenntnis von der ihr widerfahrenen Rechtsverletzung gesetzt und dadurch die Pflicht der Beklagten ausgelöst, das von ihr verantwortete soziale Netzwerk auf rechtsverletzende Inhalte zu überprüfen.

3. Die Prüfpflicht der Beklagten umfasst die Identifikation von zu den von der Klägerin mit Klageantrag 1.III. eingeblendeten Inhalten identischen und ähnlichen Memes einschließlich solcher, die mit einer Caption verbunden sind.

Der Umfang der einem Hostprovider auferlegten Prüfpflichten bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als mittelbaren Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen des Einzelfalls eine Verhinderung der Verletzung zuzumuten ist (vgl. BGH, Urteil vom 24.07.2018 – VI ZR 330/17 Rn. 36; BGH, Urteil vom 30. 4. 2008 – I ZR 73/05 Rn. 50 – Internetversteigerung III; BGHZ 185, 330 – Sommer unseres Lebens; BGHZ 158, 343 – Schöner Wetten; BGH, Urteil vom 9. 2. 2006 – I ZR 124/03 Rn. 32 – Rechtsanwalts-Ranglisten). Sie haftet nur dann nicht, wenn sie nach dem Hinweis vom 01.04.2021 alles ihr technisch und wirtschaftlich Zumutbare getan hat, um weitere Rechtsverletzungen zu verhindern (vgl. BGH, Urteil vom 12.07.2012 – I ZR 18/11 – Alone in the Dark).

Die Kammer ist nach den Darlegungen der Parteien davon überzeugt, dass es der Beklagten technisch und wirtschaftlich zumutbar ist, auch ohne konkrete Bezeichnung der URL sowohl identische, fast identische und ähnliche als auch mit einer Caption verbundene Memes zu erkennen.

Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass zum Ausgangspost identische Bilder über den Vergleich der Hashwerte automatisiert identifiziert werden können (Rn. 29 der Duplik, Bl. 311 d. A.).

Es ist zwischen den Parteien ebenfalls unstreitig, dass es technische Möglichkeiten gibt, nicht nur fast identische, sondern sogar „ähnliche Bilder“ zu erkennen, indem man Abstriche hinsichtlich des Grads der Übereinstimmung beim Hashwert macht (Rn. 31 der Duplik, Bl. 311 d. A.) und die so gefundenen „Kandidaten“ mittels PDNA und OCR überprüft (Rn. 40 der Klageerwiderung, Bl. 80 d. A.). So war es der Beklagten im Rahmen des Klageverfahrens nach eigenem Vortrag möglich, „fast identische“ Inhalte automatisiert zu erkennen und zu sperren (Rn. 37 der Klageerwiderung, Bl. 79 d. A.). Dieses Verfahren schließt nach dem Verständnis der Kammer das Erkennen von Memes ein, die mit einer Caption verbunden sind. Die Einrichtung sogenannter Upload-Filter ist hierfür nicht erforderlich. Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien können auch solche mit einer Caption verbundene Memes durch automatisierte Verfahren gefiltert werden. Mit anderen Worten, es ist nicht die Identifikation dieser Memes mit Caption, die die Beklagte für unzumutbar hält, sondern die nicht automatisiert mögliche Bewertung, ob der Inhalt der Caption ausnahmsweise dazu führt, dass sie nicht mehr als rechtsverletzend zu bewerten sind.

Die Kammer kann keinen Grund erkennen, warum diese Identifizierung der Beklagten technisch und wirtschaftlich unzumutbar sein sollte. Zwar mag es für die Beklagte einfacher sein, lediglich konkret bezeichnete URL aufzufinden. Dies ist aber nicht der Maßstab für die Bestimmung ihrer Prüfpflichten, sondern die technische und wirtschaftliche Zumutbarkeit. Die Beklagte mag im Fall einer ohne Angabe einer URL bezeichneten Rechtsverletzung länger für die Identifikation brauchen. Dies begründet jedoch keine technische

oder wirtschaftliche Unzumutbarkeit. Die Beklagte hat hierzu nichts vorgetragen. Die Beklagte schweigt zur technischen und wirtschaftlichen Unzumutbarkeit und trägt lediglich zu einer ihr „rechtlichen Unzumutbarkeit“ vor. Ihr Vortrag beschränkt sich darauf, dass sie nach deutschem Recht nicht verpflichtet werden könne, die automatisiert gefilterten Inhalte auf Rechtsverletzungen zu überprüfen. Dies ist rechtsirrtümlich (s. dazu sogleich unter Ziffer B.I.4. des Urteils).

4. Die Beklagte hat ihre Prüfpflicht verletzt, indem sie nicht unverzüglich nach der ihr vermittelten Kenntnis von dem Falschzitat ihrer Prüfpflicht zur Identifikation sämtlicher das Falschzitat enthaltenen Memes auf ihrer Plattform nachgekommen ist.

5. Der Klägerin steht deswegen gegenüber der Beklagten ein Unterlassungsanspruch zu. Dieser beinhaltet das Recht der Klägerin, von der Beklagten zu verlangen, dass sie es unterlässt, sämtliche zu diesem Zeitpunkt auf ihrer Plattform befindlichen zur Anlage K 1 identischen und kerngleichen Memes öffentlich zugänglich zu machen.

Nach dem hier maßgeblichem deutschen Recht ist ein Host-Provider nicht nur zur einmaligen Löschung oder Entfernung des Zugangs zu einem rechtswidrigen Inhalt, sondern bei einer Störerhaftung zur Unterlassung verpflichtet (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 22.6.2021 – C-682/18, C-683/18 (Frank Peterson/Google LLC ua [C-682/18] u. Elsevier Inc./Cyando AG [C-683/18]); BGH, Beschluss vom 20.09.2018 – I ZR 53/17; BGH, Beschluss vom 130.9.2018 – I ZR 140/15 -…, zur Verletzung absoluter Rechte wie eines Urheberrechts). Es ist anerkannt, dass er verpflichtet sein kann, künftig auch kerngleiche Verletzungen zu verhindern (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 03.10.2019 – C-18/18 Rn. 37 ff.; BGH, Urteil vom 01.03.2016 – VI ZR 34/15 Rn. 23 – jameda.de II). Es steht der Klägerin frei, diesen Unterlassungsanspruch in zeitlicher Hinsicht auf die Rechtskraft des Urteils zu begrenzen.

Dieses Recht der Klägerin umfasst auch den Anspruch, dass die Beklagte mittels einer „menschlichen Moderationsentscheidung“ feststellt, welche der – wie unter Ziffer B.I.2. des Urteils beschrieben – mittels automatisierter Erkennung gefilterten Memes das Persönlichkeitsrecht der Klägerin kerngleich verletzen. Es obliegt der Beklagten, dies auch ohne Angabe einer konkreten URL mittels der „anerkannten Rechtsfigur der Kerngleichheit“ (Rn. 11 der Duplik, Bl. 305 d. A.) festzustellen.

Wie die Beklagte in ihrer Duplik unter Verweis auf die Rechtsprechung im Ausgangspunkt zutreffend referiert, sind kerngleich „Abwandlungen, in denen das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt“ (BGH, Beschluss vom 03.04.2014 – I ZB 42/11). Ebenfalls im Ausgangspunkt zutreffend referiert die Beklagte, dass Voraussetzung für die Kerngleichheit ist, dass die kerngleichen Verletzungshandlungen in das Erkenntnisverfahren und die Verurteilung einbezogen sind (BGH, a.a.O., Rn. 12).

Die Beklagte erkennt vorliegend jedoch nicht, dass Kern des Verbots das öffentlich Zugänglichmachenlassen des (bekannten) Falschzitats ist und damit der Schutz der Klägerin vor entstellten Wiedergaben einer Äußerung. Ein auf die konkrete Verletzungsform beschränktes Unterlassungsgebot greift nicht nur dann, wenn eine Äußerung wortgleich wiederholt wird, sondern auch dann, wenn die darin enthaltenen Mitteilungen sinngemäß ganz oder teilweise Gegenstand einer erneuten Äußerung sind (BGH, Urteil vom 24.07.2018 – VI ZR 330/17 – Prozessberichterstattung). Die Beklagte verkennt damit, dass kerngleiche Verletzungshandlungen im Hinblick auf dieses Schutzrecht alle Memes sind, die den Eindruck erwecken, die zitierte Äußerung stamme von der Klägerin. Sämtliche Memes, die diesen Eindruck erwecken, sind damit Gegenstand dieses Erkenntnisverfahrens. Entscheidend für die Kerntheorie ist, dass mit diesem Erkenntnisverfahren festgelegt ist, dass das in Anlage K 1 abgebildete Meme das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin in Form des Schutzes vor dem streitgegenständlichen Falschzitat verletzt. Die Verbreitung dieses Falschzitats ist zu unterlassen. Damit erlaubt die Kerntheorie die Vollstreckung aus dem Unterlassungstitel wegen sämtlicher Memes, die dieses Recht verletzen, indem sie das Falschzitat als solches verbreiten.

Die Beklagte irrt, wenn sie meint, sie sei nicht verpflichtet festzustellen, ob die gefilterten Memes dieses Recht der Klägerin kerngleich verletzen. Die Beklagte muss nicht mehr feststellen, ob das Falschzitat die Rechte der Klägerin verletzt. Dies steht durch hiesiges Urteil fest. Ihr obliegt es damit nur noch festzustellen, ob die gefilterten Memes das ihr bekannte Falschzitat verbreiten. Dies ist nur dann der Fall, wenn sie nicht zugleich aufdecken, dass es sich um ein Falschzitat handelt oder – um es mit den Worten der Klägerin am Ende ihres Klageantrags zu sagen – der „Verbreiter das Zitat nicht zugleich als ernsthaft als falsch“ kennzeichnet. In diesem Fall erweckt der Verbreiter nicht mehr den Eindruck, dass das Falschzitat von der Klägerin stammt, es ist nicht mehr kerngleich.

Das deutsche Recht mutet jedem Verpflichteten eines Unterlassungsgebots grundsätzlich zu, selbst festzustellen, ob in einer ihm bekannten Abwandlung das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt und damit kerngleich ist. Dies gilt auch in diesem Fall. Die Beklagte befindet sich damit in keiner anderen Situation, als wenn die Klägerin oder ein anderer Nutzer ihr eine Rechtsverletzung meldet. Auch in diesem Fall muss sie mittels „menschlicher Moderationsentscheidung“ feststellen, ob die gemeldete Rechtsverletzung zu einer Sperrung führt oder nicht. Vor der gleichen Situation steht sie in Anbetracht der gefilterten Kandidaten. Der einzige Unterschied ist, dass die Kandidaten nicht aufgrund einer Meldung der URL durch die Klägerin identifiziert werden, sondern durch die beschriebenen Methoden künstlicher Intelligenz. Soweit es der Technik nicht möglich ist, diese Kandidaten als Verbreiter von Falschzitaten auszuschließen, bedarf es in gleicher Form wie bei der Meldung einer konkreten URL einer von der Beklagten zu leistenden „menschlichen Moderationsentscheidung“. Diese menschliche Moderationsentscheidung muss sie ohnehin treffen. Der einzige Unterschied ist, dass es nicht mehr der Klägerin aufgebürdet ist, diese Kandidaten der „menschlichen Moderationsentscheidung“ durch die Beklagte zuzuführen, sondern die Beklagte diese mittels der genannten Bilderkennungsverfahren selbst filtert.

Entgegen den Ausführungen der Beklagten in ihrer Duplik, bedeutet dies nicht, dass ihr dadurch auferlegt wird, eine Beurteilung „aller Inhalte vor(zu)nehmen, die von mehr als 2,9 Mrd. Nutzern des …-Dienstes hochgeladen werden“ (Rn. 49). Es bleibt bei einer begrenzten Zahl von Beurteilungen – „wie in dem Fall, in dem der Klägerin abverlangt wird, potentiell rechtsverletzende Inhalte selbst zu melden“ (Rn. 49), nämlich derer, die nach der Filterung durch die künstliche Intelligenz übrigbleiben. Der Unterschied ist nur, dass nicht die Klägerin, der hierzu die technischen Mittel gar nicht zustehen, jeden einzelnen rechtsverletzenden Inhalt selbst melden muss, sondern die dazu kompetente Beklagte diese mithilfe technischer Mittel automatisiert ermittelt.

Diese Verpflichtung steht auch im Einklang mit dem Europarecht. Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 03.10.2019 (C-18/18 – Glawischnig-Piesczek) ausdrücklich klargestellt, dass es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt ist, einem Hosting-Anbieter „Überwachungspflichten in spezifischen Fällen“ aufzuerlegen und „die von ihm gespeicherten Informationen, die einen sinngleichen Inhalt haben wie Informationen, die zuvor für rechtswidrig erklärt worden sind, zu entfernen.“ Entgegen der Ansicht der Beklagten erfordert diese Verpflichtung keine europarechtswidrige „autonome Beurteilung“ der Rechtswidrigkeit der Verbreitung des Falschzitats. Diese ist bereits durch das hiesige Urteil festgestellt.

6. Die von der Beklagten begangene Verletzungshandlung begründet die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche tatsächliche Vermutung einer Wiederholungsgefahr (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 29.06.2021 – VI ZR 52/18 Rn. 25 mwN). Dies gilt insoweit auch für die Handlungsform des Verbreitens (vgl. zB EuGH, Urteil vom 22.06.2021 – C-682/18 u.a., GRUR 2021, 1053 Rn. 102, zur öffentlichen Wiedergabe i.S.d. UrhG).

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Unterlassungsantrag durch das Entfernen von Post 1 bis 7 nicht hinfällig geworden. Insoweit gilt für Host-Provider nichts anderes als für sonstige Störer. Ohne Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung besteht die Vermutung einer Wiederholungsgefahr bei Einstellen der Verletzungshandlung grundsätzlich fort.

II. Der Klägerin steht auch der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 10.000,00 Euro zu.

1. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung begründet eine schuldhafte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dann einen Anspruch auf eine Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine derart schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Dabei sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen. Bei gebotener Gesamtwürdigung ist auch ein erwirkter Unterlassungstitel zu berücksichtigen; der Titel und die mit ihm verbundenen Vollstreckungsmöglichkeiten können den Geldentschädigungsanspruch beeinflussen und im Zweifel sogar ausschließen, da die Zubilligung einer Geldentschädigung bei einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung ihre sachliche Berechtigung in dem Gedanken findet, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig sanktionslos blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmerte (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 21. April 2015 – VI ZR 245/14 Rn. 33; Urteil vom 15.09.2015 – VI ZR 175/14 Rn. 38; Urteil vom 24.05.2016 – VI ZR 496/15 Rn. 9 – Beleidigung per SMS).

Bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen soll die Geldentschädigung dem Verletzen unter anderem Genugtuung für den erlittenen Eingriff geben. Sie findet sie ihre sachliche Berechtigung in dem Gedanken, dass das Persönlichkeitsrecht gegenüber erheblichen Beeinträchtigungen anderenfalls ohne ausreichenden Schutz bliebe. Außerdem dient die Geldentschädigung der Prävention (vgl. z.B. BGH, Urt. v. 17.12.2013 – VI ZR 211/12 Rn. 38 mwN – Sächsische Korruptionsaffäre).

2. Davon ausgehend liegen die Voraussetzung für die Zahlung einer Geldentschädigung hier vor.

Die Beklagte ist aufgrund eines eigenen schuldhaften Verhaltens für die mit den rechtswidrigen Äußerungen verbundene Persönlichkeitsrechtsverletzung der Klägerin (mit-)verantwortlich.

Die Vorschrift des § 10 Satz 1 TMG steht ihrer Haftung nicht entgegen. Wie oben bereits dargetan wurde, wusste die Beklagte spätestens mit dem anwaltlichen Schriftsatz der Klägerin vom 01.04.2021, dass es sich bei der streitgegenständlichen Äußerung um ein Falschzitat handelt, deren Verbreitung (offensichtlich) rechtswidrig ist (§ 10 Satz 1 Nr. 1 TMG). Sie ist daraufhin nur beschränkt tätig geworden und hat den Zugang zu den streitgegenständlichen Memes nur teilweise gesperrt (§ 10 Satz 1 Nr. 2 TMG), so dass Memes mit dem Falschzitat weiterhin öffentlich zugänglich waren. Daher haftet die Beklagte, wie oben dargetan wurde, nach allgemeinen Grundsätzen.

Zwar folgt die Verantwortung der Beklagten für die Posts nicht bereits aus § 7 Abs. 1 TMG (i.V.m. allgemeinen Gesetzen), weil sich die Beklagte die streitgegenständlichen nicht zu eigen gemacht hat. Von einem Zueigenmachen ist auszugehen, wenn der Portalbetreiber nach außen erkennbar die inhaltliche Verantwortung für die auf seiner Internetseite veröffentlichten Inhalte übernimmt. Dies ist aus objektiver Sicht auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände zu beurteilen. Dabei ist bei der Annahme einer Identifikation mit fremden Inhalten grundsätzlich Zurückhaltung geboten (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 14.01.2020 – VI ZR 497/18 Rn. 39 mwN). Ein Zueigenmachen liegt demnach nicht schon dann vor, wenn eine Äußerung verbreitet wird, ohne dass sich der Verbreiter ausdrücklich von ihr distanziert. Dies gilt erst recht für den Betreiber einer Social Media Plattform wie die Beklagte, die den Nutzern grundsätzlich nur die Infrastruktur für deren Posts zur Verfügung stellt. Ein Zueigenmachen hat auch nicht darin gelegen, dass die Beklagte nicht sämtliche Memes nach dem Hinweis der Klägerseite auf deren rechtsverletzenden Gehalt unverzüglich entfernt hat. Damit hat die Beklagte bei gebotener objektiver Betrachtung nicht kundgetan, dass sie sich den Memes inhaltlich anschließt oder die Verantwortung für diese übernimmt.

Die Beklagte ist aber jedenfalls als Teilnehmerin durch Unterlassen für die Persönlichkeitsrechtverletzungen der Nutzer bei der Verbreitung der Falschzitate mitverantwortlich. Für die Haftung als Teilnehmer einer deliktischen Handlung gilt § 830 BGB. Diese Grundsätze gelten auch, wenn – wie hier – der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit in einem Unterlassen liegt (vgl. insofern z.B. BGH, GRUR 2019, 813 Rn. 106 – Cordoba II; BGH, Urteil vom 05.03.2020 – I ZR 32/19, GRUR 2020, 738 Rn. 42 – Internet-Radiorecorder).

Wie oben dargetan wurde, war die Beklagte verpflichtet, die persönlichkeitsverletzenden Memes als fortdauernden Störungszustand zu beseitigen und ihre Plattform auf weitere rechtsverletzende Falschzitate zu untersuchen. Dies war Bestandteil ihrer Unterlassungspflicht. Da die Beklagte dieser Verpflichtung nicht nachgekommen ist, hat sie im konkreten Fall den primär Verantwortlichen zu deren Rechtsverletzungen Hilfe geleistet.

Die Abrufbarkeit der streitgegenständlichen Äußerungen auf dem Portal der Beklagten nach deren Kenntnis von deren (offensichtlicher) Rechtswidrigkeit hat die Klägerin auch schwerwiegend in ihrem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt.

Die Glaubwürdigkeit ist das Kapital eines jeden Menschen, besonders einer … Diese Glaubwürdigkeit wird durch das Zuschreiben von Falschzitaten beschädigt. Dies ist ehrenrührig und beeinträchtigt die Persönlichkeit des oder der Falschzitierten. Falschzitate verzerren auch den Meinungskampf.

Dieser Fall zeigt exemplarisch wie schwer es für Betroffene ist, das Netz von Falschzitaten zu befreien, obwohl deren Gemeinschädlichkeit auf der Hand liegt. Trotz Kenntnis der Beklagten von dem Falschzitat, weigert sie sich, ihre Plattform davon umfassend zu befreien. Sie begründet diese Weigerung auch damit, dass „aufgrund der politisch prominenten Rolle der Klägerin eine möglichst offene, öffentliche Debatte über sie, ihre Äußerungen und Positionen ermöglicht werden“ muss (Rn. 42 der Klageerwiderung, Bl. 81 d. A.). Dabei verkennt sie, dass durch ihr Ermöglichen des Verbreitens von Falschzitaten gerade eine offene, öffentliche Debatte über die Klägerin, ihre Äußerungen und Positionen verhindert wird. Dabei liegt insbesondere unter den Bedingungen der Verbreitung von Informationen durch soziale Netzwerke im Internet ein wirksamer Schutz der Persönlichkeitsrechte von Amtsträgerinnen und Amtsträgern sowie Politikerinnen und Politikern über die Bedeutung für die jeweils Betroffenen hinaus im öffentlichen Interesse. Denn eine Bereitschaft zur Mitwirkung in Staat und Gesellschaft kann nur erwartet werden, wenn für diejenigen, die sich engagieren und öffentlich einbringen, ein hinreichender Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte gewährleistet ist (BVerfG, Beschluss vom 19.12.2021 – 1 BvR 1073/20 Rn. 35). Dies gilt insbesondere für den Schutz vor Fehlzitaten. Es gibt schlicht keine Rechtfertigung für das Verbreiten von Falschzitaten.

Die hartnäckige Weigerung der Beklagten, ihre Verpflichtung anzuerkennen, ihr Netz von ihr bekannten Falschzitaten zu befreien, zeigt sich auch darin, dass sie damit verbundenen Persönlichkeitsverletzungen nicht ernst nimmt. Sie insinuiert, dass die Eignung des streitgegenständlichen Falschzitats „zur Verächtlichmachung oder Herabwürdigung (…) zweifelhaft (sei), weil die Aussage jedenfalls auch als Aufruf zu einer Willkommenskultur verstanden werden kann, bei der sich die Mehrheitsgesellschaft gegenüber Einwanderern offen und ‚entgegenkommend‘ zeigt, etwa durch Aneignung gewisser Sprachkenntnisse“ (Rn. 78 der Klageerwiderung, Bl. 91 d. A.). Zudem weist sie für die Kammer nicht nachvollziehbar darauf hin, dass die Schwere der Rechtsverletzung dadurch gemindert sei, dass „das zugrundeliegende, echte Zitat der Klägerin jedenfalls in eine vergleichbare Richtung geht“ (Rn. 76 der Duplik, Bl. 326 d. A.). Die Beklagte hatte hierzu (unbestritten) vorgetragen, dass das Falschzitat auf der authentischen Äußerung der Klägerin gegenüber einem Politiker beruhte, mit der sie diesen wie folgt aufforderte, sich bei einer im Fernsehen 2010 ausgestrahlten Diskussionsrunde, um die korrekte Aussprache des türkischen Namens einer Mitdiskutantin zu bemühen: „Integration fängt damit an, dass Sie als Deutscher sich ihren Namen mal merken“ (Rn. 4 ff. der Klageerwiderung, Bl. 71 ff. d. A.).

Diese Position der Beklagte zeigt deutlich, dass sie verkennt, dass Falschzitate regelmäßig schwere Persönlichkeitsrechtsverletzungen begründen. Sie verdeutlicht ebenfalls wie schwer es für den Betroffenen ist, sich gegen Falschzitate zu wehren, wenn selbst die Beklagte rechtsanwaltlich vertreten der Auffassung ist, dass „das zugrundeliegende, echte Zitat der Klägerin jedenfalls in eine vergleichbare Richtung geht“.

Die Schwere der Persönlichkeitsverletzungen wird auch durch die auf dieses Falschzitat abgegebenen Kommentare deutlich. Während die Beklagte meint, es könne auch „als Aufruf zu einer Willkommenskultur“ (Rn. 78 der Klageerwiderung, Bl. 91 d. A.) verstanden werden, zeigen die dazu abgegebenen Nutzerkommentare deutlich ein anderes Verständnis. Die Kammer verweist für die in Reaktion auf dieses Falschzitat abgegebenen Kommentare auf die im Tatbestand beschriebenen Post 5, Post 6 und Post 7.

Auch verkennt die Beklagte die mit derartigen Falschzitaten verbundenen Anfeindungen, die sich klar aus den Reaktionen zu Post 5, Post 6 und Post 7 ergeben, wenn sie in ihrer Duplik schreibt, dass die Klägerin „auch aufgrund ihrer welt- und integrationsoffenen politischen Positionen Anfeindungen ausgesetzt sein mag“ (Rn. 76 der Duplik, Bl. 326 d. A.). Es reicht nicht, solche Anfeindungen „außerordentlich bedauerlich“ (Rn. 76) zu finden, wie die Beklagte in ihrer Duplik schreibt. Die Beklagte ist darüber hinaus verpflichtet, der Klägerin Anfeindungen zu ersparen, die sich daraus ergeben, dass die Beklagte es nach dem Hinweis auf ein Falschzitat unterlässt, dasselbe Falschzitat weiterhin öffentlich zugänglich machen zu lassen.

Die durch die Klägerin erlittene Beeinträchtigung kann auch nicht auf andere Weise befriedigend ausgeglichen werden. Insoweit spielt im Streitfall die Präventivfunktion eine nicht unerhebliche Rolle. Die der Klägerin zugebilligte Geldentschädigung dient nicht allein dazu, die von ihr erlittene Persönlichkeitsrechtsverletzung durch eine Geldzahlung zu kompensieren. Sie soll die Beklagte auch dazu anhalten, entsprechende Falschzitate künftig unverzüglich und umfassend zu löschen, sobald sie – durch den/die Betroffene/n oder auf andere Weise – Kenntnis davon erlangt, dass diese (offensichtlich) rechtswidrig sind, wovon bei Falschzitaten wie dem hier Streitgegenständlichen grundsätzlich ausgegangen werden kann.

Soweit die Beklagte geltend macht, die Klägerin habe sie erst längere Zeit nach Veröffentlichung ihrer eigenen Kenntnis von dem Falschzitat in Anspruch genommen, ist nicht ersichtlich, dass dies schon zeitlich früher Erfolg versprechend möglich gewesen wäre.

Der Höhe nach ist die von der Klägerin mindestens begehrte Entschädigung von 10.00,00 Euro erforderlich, unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls aber auch ausreichend, um die vorgenannten Zwecke zu erreichen.

Eine Überkompensation droht nicht. Wird ein Host-Provider wie die Beklagte zur Zahlung einer Geldentschädigung verurteilt, kann er regelmäßig bei dem/den originär Verantwortlichen Regress nehmen, da eine gesamtschuldnerische Haftung besteht (§§ 830, 426 BGB).

III. Die Klage wird insoweit abgewiesen, als die Klägerin auch die Unterlassung beantragt hat, die streitgegenständlichen Memes „öffentlich zugänglich zu machen“. Die Beklagte moniert insoweit zu Recht, dass nicht ersichtlich ist, dass sie dies jemals getan hat. Entsprechend hat die Kammer den Unterlassungstenor darauf beschränkt, die streitgegenständlichen Memes „öffentlich zugänglich machen zu lassen.“

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 91a Abs. 1 Satz 1, 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO. Das geringfügige Teilunterliegen der Klägerin durch die in Ziffer B.III. dieses Urteils beschriebene Beschränkung des Unterlassungstenors ist verhältnismäßig geringfügig. Es hat keine höheren Kosten verursacht.

V. Die Ordnungsmittelandrohung beruht auf § 890 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

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