Top-Urteil

Live-Stream von Sportveranstaltungen nicht durch EU-Recht geschützt

08. April 2015
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Laptop mit Fußballrasen Ball und Scheinwerfer auf dem Bildschirm Urteil des EuGH vom 26.03.2015, Az.: C-279/13

Direktübertragungen von Sportveranstaltungen im Internet sind nicht durch die Urheberrechtsrichtlinie geschützt. Das EU-Recht räumt dem Rechtsinhaber lediglich das Recht ein, geschützte Werke im Wege der interaktiven Übertragung auf Abruf für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das Anbringen eines anklickbaren Links auf einer Webseite stellt jedoch keine interaktive Übertragung auf Abruf dar. Einer nationalen Regelung, die das Ausschließlichkeitsrecht der Sender auch auf Live-Übertragungen von Sportveranstaltungen im Internet ausdehnt, steht das EU-Recht jedoch nicht entgegen.

Europäischer Gerichtshof

Urteil vom 26.03.2015

Az.: C-279/13

 

 

 

In der Rechtssache C‑279/13

betreffend ein Ersuchen um Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Högsta domstol (Schweden) mit Entscheidung vom 15. Mai 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Mai 2013, in dem Verfahren

C More Entertainment AB

gegen

Linus Sandberg

erlässt

DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin K. Jürimäe, des Richters J. Malenovský (Berichterstatter) und der Richterin A. Prechal,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der C More Entertainment AB, vertreten durch P. Bratt und S. Feinsilber, advokater,

–        von Herrn Sandberg, vertreten durch L. Häggström, advokat,

–        der finnischen Regierung, vertreten durch S. Hartikainen als Bevollmächtigten,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Enegren und J. Samnadda als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167, S. 10).

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der C More Entertainment AB (im Folgenden: C More Entertainment) und Herrn Sandberg wegen der Setzung anklickbarer Links auf einer Website, über die deren Besucher auf die Direktübertragung von Eishockeyspielen auf einer anderen Website zugreifen konnten, ohne den vom Betreiber der anderen Website verlangten Geldbetrag entrichten zu müssen.

 Rechtlicher Rahmen

Richtlinie 2001/29

Die Erwägungsgründe 1, 7, 20, 23 und 25 der Richtlinie 2001/29 lauten:

„(1)      Der [EG-]Vertrag sieht die Schaffung eines Binnenmarkts und die Einführung einer Regelung vor, die den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts vor Verzerrungen schützt. Die Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte trägt zur Erreichung dieser Ziele bei.

 

 

(7)      Der bestehende Gemeinschaftsrechtsrahmen zum Schutz des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte ist daher anzupassen und zu ergänzen, soweit dies für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlich ist. Zu diesem Zweck sollten diejenigen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte, die sich von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat beträchtlich unterscheiden oder eine derartige Rechtsunsicherheit bewirken, dass der Binnenmarkt in seiner Funktionsfähigkeit beeinträchtigt und die Informationsgesellschaft in Europa in ihrer Entwicklung behindert wird, angepasst und uneinheitliches Vorgehen der Mitgliedstaaten gegenüber technischen Entwicklungen vermieden werden, während Unterschiede, die das Funktionieren des Binnenmarkts nicht beeinträchtigen, nicht beseitigt oder verhindert zu werden brauchen.

(20)      Die vorliegende Richtlinie beruht auf den Grundsätzen und Bestimmungen, die in den einschlägigen geltenden Richtlinien bereits festgeschrieben sind, und zwar insbesondere in [der Richtlinie 92/100/EWG des Rates vom 19. November 1992 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums (ABl. L 346, S. 61) in der durch die Richtlinie 93/98/EWG des Rates vom 29. Oktober 1993 (ABl. L 290, S. 9) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 92/100)]. Die betreffenden Grundsätze und Bestimmungen werden fortentwickelt und in den Rahmen der Informationsgesellschaft eingeordnet. Die Bestimmungen dieser Richtlinie sollten unbeschadet der genannten Richtlinien gelten, sofern diese Richtlinie nichts anderes bestimmt.

(23)      Mit dieser Richtlinie sollte das für die öffentliche Wiedergabe geltende Urheberrecht weiter harmonisiert werden. Dieses Recht sollte im weiten Sinne verstanden werden, nämlich dahin gehend, dass es jegliche Wiedergabe an die Öffentlichkeit umfasst, die an dem Ort, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung nimmt, nicht anwesend ist. Dieses Recht sollte jegliche entsprechende drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Übertragung oder Weiterverbreitung eines Werks, einschließlich der Rundfunkübertragung, umfassen. Dieses Recht sollte für keine weiteren Handlungen gelten.

(25)      Die Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Art und des Umfangs des Schutzes der netzvermittelten Übertragung der urheberrechtlich geschützten Werke und der durch verwandte Schutzrechte geschützten Gegenstände auf Abruf sollte durch einen harmonisierten Rechtsschutz auf Gemeinschaftsebene beseitigt werden. Es sollte klargestellt werden, dass alle durch diese Richtlinie anerkannten Rechtsinhaber das ausschließliche Recht haben sollten, urheberrechtlich geschützte Werke und sonstige Schutzgegenstände im Wege der interaktiven Übertragung auf Abruf für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Derartige interaktive Übertragungen auf Abruf zeichnen sich dadurch aus, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind.“

Art. 1 („Anwendungsbereich“) der Richtlinie 2001/29 bestimmt in seinem Abs. 2:

„Außer in den in Artikel 11 genannten Fällen lässt diese Richtlinie die bestehenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen über folgende Bereiche unberührt und beeinträchtigt sie in keiner Weise:

  1. b)      über das Vermietrecht, das Verleihrecht und bestimmte dem Urheberrecht verwandte Schutzrechte im Bereich des geistigen Eigentums;

…“

 

In Art. 3 („Recht der öffentlichen Wiedergabe von Werken und Recht der öffentlichen Zugänglichmachung sonstiger Schutzgegenstände“) dieser Richtlinie heißt es:

 

„(1)      Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.

 

(2)      Die Mitgliedstaaten sehen für folgende Personen das ausschließliche Recht vor, zu erlauben oder zu verbieten, dass die nachstehend genannten Schutzgegenstände drahtgebunden oder drahtlos in einer Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind:

 

 

  1. d)      für die Sendeunternehmen in Bezug auf die Aufzeichnungen ihrer Sendungen, unabhängig davon, ob diese Sendungen drahtgebunden oder drahtlos, über Kabel oder Satellit übertragen werden.“

 

Richtlinie 2006/115/EG

 

Die Richtlinie 92/100, die beim Erlass der Richtlinie 2001/29 in Kraft war, wurde durch die Richtlinie 2006/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums (ABl. L 376, S. 28) aufgehoben und ersetzt. Die Richtlinie 2006/115 kodifiziert und übernimmt die Bestimmungen der Richtlinie 92/100 in entsprechenden Worten.

 

Der 16. Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/115 lautet:

 

„Die Mitgliedstaaten sollten einen weiter reichenden Schutz für Inhaber von verwandten Schutzrechten vorsehen können, als er in dieser Richtlinie hinsichtlich der öffentlichen Sendung und Wiedergabe vorgeschrieben ist.“

 

Art. 8 („Öffentliche Sendung und Wiedergabe“) dieser Richtlinie bestimmt in seinem Abs. 3:

 

„Die Mitgliedstaaten sehen für Sendeunternehmen das ausschließliche Recht vor, die drahtlose Weitersendung ihrer Sendungen sowie die öffentliche Wiedergabe ihrer Sendungen, wenn die betreffende Wiedergabe an Orten stattfindet, die der Öffentlichkeit gegen Zahlung eines Eintrittsgeldes zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.“

 

Art. 12 („Beziehung zwischen Urheberrecht und verwandten Schutzrechten“) der Richtlinie 2006/115 lautet:

 

„Der Schutz von dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten gemäß dieser Richtlinie lässt den Schutz der Urheberrechte unberührt und beeinträchtigt ihn in keiner Weise.“

 

 Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

 

C More Entertainment ist ein kostenpflichtiger Fernsehsender, der u. a. auf seiner Website gegen Bezahlung Direktübertragungen von Eishockeyspielen anbietet.

 

Im Herbst 2007 übertrug C More Entertainment auf dieser Website mehrere Eishockeyspiele. Das Recht, diese Übertragungen zu sehen, konnten Interessierte gegen Zahlung von 89 Schwedischen Kronen (SEK) (etwa 9,70 Euro) pro Spiel erwerben.

 

Herr Sandberg richtete auf seiner Website Links ein, durch die das Bezahlsystem von C More Entertainment umgangen werden konnte. Diese Links ermöglichten es den Besuchern der Website, unentgeltlich die von C More Entertainment am 20. Oktober bzw. 1. November 2007 veranstalteten Direktübertragungen zweier Eishockeyspiele zu verfolgen.

 

Vor dem ersten der beiden Spiele forderte C More Entertainment Herrn Sandberg telefonisch erfolglos auf, die von ihm auf seiner Website angebrachten Links zu entfernen. Nach diesem Spiel wies C More Entertainment Herrn Sandberg schriftlich darauf hin, dass durch die Setzung dieser Links ihre Rechte verletzt worden seien.

 

Während der Übertragung des zweiten Spiels richtete C More Entertainment einen technischen Schutz ein, so dass über die von Herrn Sandberg gesetzten Links kein Zugang zu dieser Übertragung mehr möglich war.

 

Herr Sandberg wurde vor dem Hudiksvalls tingsrätt (Bezirksgericht Hudiksvall) wegen Verstoßes gegen das lag (1960:729) om upphovsrätt till litterära och konstnärliga verk (Gesetz 1960:729 über das Urheberrecht an literarischen und künstlerischen Werken) angeklagt. Er wurde am 10. November 2010 einer Verletzung der Urheberrechte für schuldig befunden, deren Inhaber nach Ansicht des Hudiksvalls tingsrätt C More Entertainment war, und zur Zahlung einer Geldstrafe sowie zur Leistung von Schadensersatz an C More Entertainment verurteilt.

 

Sowohl Herr Sandberg als auch C More Entertainment legten gegen dieses Urteil Rechtsmittel beim Hovrätt för Nedre Norrland (Berufungsgericht für das untere Norrland) ein.

 

Mit Entscheidung vom 20. Juni 2011 stellte das Hovrätt fest, dass weder ein Teil der Arbeit der Kommentatoren, der Kameraleute oder der Regisseure der Übertragungen von Eishockeyspielen für sich allein noch einige oder alle Teile zusammengenommen die für den urheberrechtlichen Schutz nach dem lag (1960:729) om upphovsrätt till litterära och konstnärliga verk notwendige Originalität erreichten. Des Weiteren habe C More Entertainment für die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Übertragungen nicht Urheberrechte, sondern verwandte Schutzrechte inne; diese seien verletzt worden. Daher verurteilte das Hovrätt Herrn Sandberg zu einer höheren Geldstrafe als das erstinstanzliche Gericht, setzte jedoch den C More Entertainment zuerkannten Schadensersatz leicht herab.

 

C More Entertainment legte gegen das Urteil des Hovrätt Rechtsmittel beim Högsta domstol (Oberster Gerichtshof) ein und beantragte, sie als Inhaberin der Urheberrechte anzuerkennen und den an sie zu zahlenden Schadensersatzbetrag zu erhöhen.

 

Nach Ansicht des Högsta domstol geht weder aus dem Wortlaut der Richtlinie 2001/29 noch aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass die Anbringung eines Hyperlinks auf einer Website eine öffentliche Wiedergabe darstelle. Die betreffende nationale Regelung sehe weiter reichende verwandte Schutzrechte vor als Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29, denn anders als diese Bestimmung beschränke das schwedische Recht den Schutz nicht auf Handlungen der Zugänglichmachung „auf Abruf“. Unter diesen Umständen hat der Högsta domstol beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof fünf Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen.

 

Mit Schreiben vom 26. März 2014 hat der Kanzler des Gerichtshofs dem Högsta domstol eine Abschrift des Urteils Svensson u. a. (C‑466/12, EU:C:2014:76) übermittelt, in dem mehrere Fragen dazu geprüft wurden, ob die Anbringung eines anklickbaren Links auf einer Website als öffentliche Wiedergabe qualifiziert werden kann. Der Kanzler ersuchte den Högsta domstol, ihm mitzuteilen, ob er in Anbetracht dieses Urteils sein Vorabentscheidungsersuchen aufrechterhalten wolle.

 

Mit Entscheidung vom 20. Oktober 2014 hat der Högsta domstol beschlossen, die ersten vier Vorlagefragen zurückzuziehen und nur die fünfte Frage aufrechtzuerhalten, die wie folgt lautet:

 

Dürfen die Mitgliedstaaten dadurch ein weiter gehendes Ausschließlichkeitsrecht des Rechtsinhabers festlegen, dass von der öffentlichen Wiedergabe Handlungen erfasst sind, die über die in Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29 genannten Handlungen hinausgehen?

 

 Zur Vorlagefrage

 

Aus den Akten geht hervor, dass der Ausgangsrechtsstreit die Bereitstellung von Links auf einer Website betrifft, die es dem Besucher ermöglichen, auf der Website eines Sendeunternehmens auf Direktübertragungen von Eishockeyspielen zuzugreifen, ohne den Geldbetrag entrichten zu müssen, den das Sendeunternehmen für diese Übertragungen verlangt. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass die Vorlagefrage des Högsta domstol im Wesentlichen so zu verstehen ist, ob Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die das Ausschließlichkeitsrecht der in Art. 3 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2001/29 genannten Sendeunternehmen auf Handlungen der öffentlichen Wiedergabe ausdehnt, die in Direktübertragungen von Sportveranstaltungen über das Internet wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden bestehen könnten.

 

Vorab ist festzustellen, dass gemäß Art. 3 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2001/29 die Mitgliedstaaten den Sendeunternehmen das ausschließliche Recht gewähren müssen, zu erlauben oder zu verbieten, dass die Aufzeichnungen ihrer Sendungen in einer Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind.

 

Als Erstes geht aus Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29, insbesondere aus der Wendung „öffentliche Wiedergabe … einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung“, hervor, dass der Begriff „öffentliche Zugänglichmachung“, der auch in Art. 3 Abs. 2 dieser Richtlinie verwendet wird, unter den weiter gehenden Begriff „öffentliche Wiedergabe“ fällt.

 

Als Zweites ist Art. 3 Abs. 2 dieser Richtlinie zu entnehmen, dass eine Handlung, um als „öffentliche Zugänglichmachung“ im Sinne dieses Artikels qualifiziert werden zu können, kumulativ die beiden Voraussetzungen dieser Bestimmung erfüllen muss, nämlich, dass der betreffenden Öffentlichkeit der Zugriff auf den betreffenden Schutzgegenstand sowohl von Orten als auch zu Zeiten ihrer Wahl ermöglicht wird.

 

Wie aus der Begründung des Vorschlags der Kommission vom 10. Dezember 1997 (KOM[97] 628), auf dessen Grundlage die Richtlinie 2001/29 erlassen wurde, hervorgeht und durch den 25. Erwägungsgrund dieser Richtlinie bestätigt wird, betrifft der Begriff „öffentliche Zugänglichmachung“ im Sinne von Art. 3 dieser Richtlinie „interaktive Übertragungen auf Abruf“, die sich gerade dadurch auszeichnen, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind (vgl. in diesem Sinne Urteil SCF, C‑135/10, EU:C:2012:140, Rn. 59).

 

Dies ist aber bei Direktübertragungen über das Internet wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht der Fall.

 

Das vorlegende Gericht möchte dennoch wissen, ob Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29 dahin zu verstehen ist, dass er dem entgegensteht, dass die Mitgliedstaaten den in Art. 3 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie genannten Sendeunternehmen ein Ausschließlichkeitsrecht auch für Handlungen gewähren, die, wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, zwar als „öffentliche Wiedergabe“ qualifiziert werden können, nicht aber als öffentliche Zugänglichmachung der Aufzeichnung ihrer Sendungen in einer Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind.

 

Wie aus dem siebten Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29 hervorgeht, besteht das Ziel der Richtlinie darin, das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte nur insoweit zu harmonisieren, als dies für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlich ist. Aus diesem Erwägungsgrund ergibt sich nämlich, dass es nicht Ziel der Richtlinie ist, jene Unterschiede zwischen den nationalen Rechtsvorschriften zu beseitigen oder zu verhindern, die das Funktionieren des Binnenmarkts nicht beeinträchtigen. Daher hat der Unionsgesetzgeber – wie auch aus der Bezeichnung der Richtlinie hervorgeht – die Urheberrechte und die verwandten Schutzrechte nur teilweise harmonisiert.

 

Aus den Erwägungsgründen 23 und 25 der Richtlinie geht hervor, dass der Unionsgesetzgeber zum einen das für die öffentliche Wiedergabe geltende Urheberrecht weiter harmonisieren wollte und zum anderen die Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Art und des Umfangs des Schutzes der Übertragung auf Abruf beseitigen und für solche Übertragungen einen harmonisierten Rechtsschutz auf Ebene der Europäischen Union schaffen wollte.

 

Dagegen ergibt sich weder aus Art. 3 Abs. 2 noch aus irgendeiner anderen Bestimmung der Richtlinie 2001/29, dass der Unionsgesetzgeber hinsichtlich der Art und des Umfangs des Schutzes, den die Mitgliedstaaten den in Art. 3 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie genannten Rechtsinhabern für bestimmte Handlungen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die von dieser Bestimmung nicht ausdrücklich erfasst sind, zuerkennen können, die Absicht hatte, etwaige Unterschiede zwischen den nationalen Rechtsvorschriften zu harmonisieren und folglich zu verhindern oder zu beseitigen.

 

Außerdem beruht die Richtlinie 2001/29 nach ihrem 20. Erwägungsgrund auf den Grundsätzen und Bestimmungen, die in den auf dem Gebiet des geistigen Eigentums geltenden Richtlinien bereits festgeschrieben sind, wie z. B. in der Richtlinie 92/100 (vgl. in diesem Sinne Urteil Football Association Premier League u. a., C‑403/08 und C‑429/08, EU:C:2011:631, Rn. 187).

Aus dem 16. Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/115 – die die Richtlinie 92/100 ersetzt hat – geht nämlich hervor, dass die Mitgliedstaaten einen weiter reichenden Schutz für Inhaber von verwandten Schutzrechten vorsehen können sollen, als er in der Richtlinie 2006/115 hinsichtlich der öffentlichen Sendung und Wiedergabe vorgeschrieben ist.

Nun bestimmt Art. 8 („Öffentliche Sendung und Wiedergabe“) der Richtlinie 2006/115 in seinem Abs. 3 namentlich, dass die Mitgliedstaaten für Sendeunternehmen das ausschließliche Recht vorsehen müssen, die drahtlose Weitersendung ihrer Sendungen sowie die öffentliche Wiedergabe ihrer Sendungen, wenn die betreffende Wiedergabe an Orten stattfindet, die der Öffentlichkeit gegen Zahlung eines Eintrittsgelds zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.

Somit ist festzustellen, dass die Richtlinie 2006/115 den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumt, hinsichtlich der öffentlichen Sendung und Wiedergabe von Sendungen von Sendeunternehmen einen weiter reichenden Schutz vorzusehen, als er nach Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2006/115 vorgeschrieben ist. Eine solche Möglichkeit bedeutet, dass die Mitgliedstaaten den Sendeunternehmen das ausschließliche Recht gewähren können, Handlungen der öffentlichen Wiedergabe ihrer Sendungen – insbesondere solcher Sendungen, auf die jede Person von einem Ort ihrer Wahl zugreifen kann – auch unter anderen Umständen als den in Art. 8 Abs. 3 dieser Richtlinie vorgesehenen zu erlauben oder zu verbieten, wobei ein solches Recht gemäß Art. 12 der Richtlinie 2006/115 den Schutz der Urheberrechte in keiner Weise beeinträchtigen darf.

Dementsprechend ist Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29 dahin auszulegen, dass er nicht die den Mitgliedstaaten nach Art. 8 Abs. 3 in Verbindung mit dem 16. Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/115 eingeräumte Möglichkeit berührt, den Sendeunternehmen das ausschließliche Recht zu gewähren, Handlungen der öffentlichen Wiedergabe ihrer Sendungen zu erlauben oder zu verbieten, sofern ein solcher Schutz den Schutz der Urheberrechte nicht beeinträchtigt.

Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung, die das Ausschließlichkeitsrecht der in Art. 3 Abs. 2 Buchst. d dieser Richtlinie genannten Sendeunternehmen auf Handlungen der öffentlichen Wiedergabe ausdehnt, die in Direktübertragungen von Sportveranstaltungen über das Internet wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden bestehen könnten, nicht entgegensteht, sofern eine solche Ausdehnung den Schutz der Urheberrechte nicht beeinträchtigt.

 Kosten

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Neunte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung, die das Ausschließlichkeitsrecht der in Art. 3 Abs. 2 Buchst. d dieser Richtlinie genannten Sendeunternehmen auf Handlungen der öffentlichen Wiedergabe ausdehnt, die in Direktübertragungen von Sportveranstaltungen über das Internet wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden bestehen könnten, nicht entgegensteht, sofern eine solche Ausdehnung den Schutz der Urheberrechte nicht beeinträchtigt.

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