Nicht immer Urheberrechtsschutz für pornografische Filme

01. Juli 2013
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Eigener Leitsatz:

Pornografischen Filmen fehlt es an einer persönlichen geistigen Schöpfung, sofern sie lediglich in primitiver Art sexuelle Vorgänge zeigen. Insofern kann hierfür kein Schutz als Filmwerk beansprucht werden. Auch ein Laufbilderschutz kommt nicht in Betracht, wenn keine Ersterscheinung des Filmes in Deutschland bzw. bei einem Ersterscheinen im Ausland keine Nacherscheinung in Deutschland innerhalb von 30 Tagen vorliegt.

Landgericht München I

Beschluss vom 29.05.2013

Az.: 7 O 22293/12

In dem Rechtsstreit …

wegen Gestattung

erlässt das Landgericht München I – 7. Zivilkammer – durch die Richter am Landgericht … am 29.05.2013 folgenden

Beschluss:

1. Den Beschwerden der Beteiligten … (zu 4) und … (zu 3) wird abgeholfen. Insoweit wird festgestellt, dass der Gestattungsbeschluss des Landgerichts München I vom 25.10.2012, Az. 7 0 22293/12, die beiden Beschwerdeführer in ihren Rechten verletzt hat, soweit darin der Beteiligten zu 1 gestattet worden ist, der Antragstellerin unter Verwendung von Verkehrsdaten Auskunft über den Namen und die Anschrift derjenigen Inhaber eines Internetanschlusses zu erteilen, denen zu den im Beschluss genannten Daten zu den dort genannten Uhrzeiten die genannten und den Beschwerdeführern zuordenbaren IP-Adressen betreffend die Filme … und … zugewiesen waren.

2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.400,00 EUR (je Beschwerdeführer 1.200,00 EUR) festgesetzt.

Entscheidungsgründe:

I.
Die Antragstellerin, ein Unternehmen mit Sitz in den Vereinigten Staaten von Amerika, beantragte mit Schriftsatz vom 25.10.2012 den Erlass eines Gestattungsbeschlusses nach § 101 Abs. 9 UrhG sowie einer einstweiligen Sicherungsanordnung. Sie trug hierzu vor, Herstellerin von acht Filmen erotischen Inhalts, darunter … und …, zu sein. Die Werke seien über das Internet weltweit auch in Deutschland veröffentlicht worden. Hierzu hat sie zwei eidesstattliche Versicherungen des Herrn … (Anlagen AST 3 und 3a) vorgelegt. Aus diesen gehe hervor, dass der Film … einheitlich am 19.10.2012 und der Film … einheitlich am 17.10.2012 erstmals durch die Beteiligte zu 1 weltweit veröffentlicht worden sein soll. Die Art der Veröffentlichung wird nicht mitgeteilt.

Die Kammer hat dem Antrag mit Beschluss vom 26.10.2012 (Bl. 9/11) stattgegeben.

Mit Schriftsatz vom 28.12.2012 (Bl. 25/40) hat der Beteiligte hiergegen Beschwerde eingelegt. In der Beschwerdeschrift wird unter anderem ausgeführt, dass der Film …, der Gegenstand einer Abmahnung war, keinen Schutz als Filmwerk genieße und mangels eines hinreichenden Vortrags zum erstmaligen Erscheinen auch keinen Schutz als Laufbilder. Insoweit habe der Beteiligte in Erfahrung gebracht, dass im Vor- und Abspann des Filmes nicht die Antragstellerin sondern das Unternehmen … als Produzent genannt werde. Ein Online-Portal der Antragstellerin sei nicht zu ermitteln, eben so wenig Video- oder DVD-Exemplare des Films. Unter dem 11.04.2013 erging in dem
Verfahren … gegen die Antragstellerin, Az. 7 0 25517/12, ein der Klage stattgebendes Versäumnisurteil in dem – rechtskräftig – festgestellt worden ist, dass der Antragstellerin im Hinblick auf den Film … keine Rechte gegen den Beteiligten … zustehen.

Mit Schreiben vom 31.01.2012 (Bl. 47) hat auch der Beteiligte … Beschwerde eingelegt und diese mit Schreiben vom 05.02.2013 (Bl. 49/60) weiter begründet. Die fehlende Unterschrift wurde mit Schreiben vom 27.05.2013 (Bl. 64/65) nachgeholt. Der Beschwerde liegt eine Abmahnung in Bezug auf den Film … zu Grunde. Der Beteiligte bringt unter anderem ebenfalls vor, dass als Herstellerin des Films das Unternehmen … ermittelt werden könne. Ein Bezug zur Antragstellerin fehle.

Die Antragstellerin hat zu den beiden Beschwerden nicht Stellung genommen, obwohl ihr hierzu über ihre anwaltlichen Vertreter Gelegenheit gegeben worden war.

II.
Die beiden statthaften Beschwerden sind begründet. Der Gestattungsbeschluss ist zu Unrecht ergangen. Die Aktivlegitimation der Antragstellerin ist nach wie vor nicht hinreichend dargetan. Den Beschwerden war daher abzuhelfen (§ 68 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Aufgrund prozessualer Überholung, die Auskunft wurde bereits erteilt, war der Beschluss nicht aufzuheben, sondern die aus dem Tenor ersichtliche Feststellung zu treffen (§ 62 FamFG). Das rechtliche Interesse an der Feststellung ist durch den Grundrechtseingriff gegeben.

1. Die Beschwerden sind statthaft und form- und fristgerecht eingelegt (vgl. BGH, Beschluss vom 05.12.2012 – I ZR 48/12 – Die Heiligtümer des Todes).

2. Die Beschwerden sind bereits deswegen begründet, weil es der Antragstellerin bis heute nicht gelungen ist, die tatsächlichen Voraussetzungen für das Bestehen urheberrechtlichen Schutzes für die beiden Filme in der Bundesrepublik Deutschland glaubhaft zu machen.

a. Die Antragstellerin hat die Schutzfähigkeit des Films … lediglich pauschal behauptet. Auch auf den substantiierten Sachvortrag des Beteiligten hat sie nicht erwidert. Die Kammer unterstellt daher, dass dessen Sachvortrag zutrifft und der 7 Minuten und 43 Sekunden lange Film lediglich sexuelle Vorgänge in primitiver Weise zeigt (vgl. Schriftsatz vom 28.12.2012 S. 14 = Bl. 38; Fotostrecke gem. Anlage BF 6; DVD gem. Anlage BF 5). Hierfür kann kein Schutz als Filmwerk (§ 94 UrhG) beansprucht werden. Es fehlt offensichtlich an einer persönlichen geistigen Schöpfung (§ 2 Abs. 2 UrhG).

Auch ein – gar nicht geltend gemachter – subsidiärer Schutz als Laufbilder (§ 95 UrhG) scheidet vorliegend aus.

Laufbilderschutz nach §§ 94, 95, 128 Abs. 2, 126 Abs. 2 UrhG kommt dann in Betracht, wenn ein Ersterscheinen der Laufbilder in Deutschland bzw. bei einem Ersterscheinen im Ausland ein Nacherscheinen in Deutschland innerhalb von 30 Tagen dargetan ist.

Der Begriff des Erscheinens ist legaldefiniert in § 6 Abs. 2 UrhG. Hiernach ist die Herstellung von ausreichenden Vervielfältigungsstücken zeitlich vor dem Angebot an die Öffentlichkeit erforderlich.

Ob das Angebot von Video-on-Demand hierunter subsumiert werden kann, wird in der Literatur unterschiedlich beurteilt. Unter anderem Katzenberger in Schricker/Loewenheim, UrhG, 4. Aufl., § 6 Rn. 56 und Schack GRUR 2007, 639, 644 verneinen das mit beachtenswerten Gründen. Unter anderem Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, 4. Aufl., § 6 Rn. 16 bejaht eine analoge Anwendung. Die Kammer war in der Vergangenheit der letzteren Ansicht zugeneigt.

Soweit ein Anbieten von körperlichen Vervielfältigungsstücken an die Öffentlichkeit im Raum steht, wäre vorzutragen, ob und wie viele Vervielfältigungsstücke wann hergestellt worden sind und wann das erste Angebot dieser Vervielfältigungsstücke erfolgt ist. Nach einhelliger Kommentarmeinung reicht es nicht aus, dass lediglich nach Eingang der Bestellung herzustellende Vervielfältigungsstücke angeboten worden sind. Soweit das Angebot über eine Internetseite erfolgt ist, wäre vorzutragen, inwieweit sich diese Internetseite auch an den deutschen Markt gewandt hat, zum Beispiel durch Abfassung auch in deutscher Sprachen und/oder Mitteilung einer Lieferbereitschaft nach Deutschland.

Vorliegend hat die Antragstellerin schon nicht hinreichend deutlich dargetan, ob die behauptete weltweite Veröffentlichung durch einen Online-Vertrieb von Vervielfältigungsstücken erfolgt sein soll oder durch eine Abrufbarkeit über Video-on-Demand.

Mit den eidesstattlichen Erklärungen des Herrn … (Anlagen AST 3, 3a) verhält es sich ebenso. Diese sind daher nicht geeignet glaubhaft zu machen, dass die dort aufgeführten Filme entweder zu einem bestimmten Zeitpunkt per Video-on-Demand oder über Internetvertrieb von körperlichen Vervielfältigungsstücken erschienen sind. Die Erklärung enthält keine konkrete Aussage dazu, ob bestimmte Laufbilder nun über Video-on-Demand oder über Internetvertrieb von körperlichen Vervielfältigungsstücken erschienen sein sollen. Aussagen zu Tag der Herstellung und Anzahl der Vervielfältigungsstücke fehlen ebenso. Im Übrigen ist die Antragstellerin dem Vortrag des Beteiligten … nicht entgegengetreten, dass körperliche Vervielfältigungsstücke des Films … weltweit nicht erhältlich seien.

Auf die nicht aufgeklärten Unstimmigkeiten in Bezug auf den im Vorspann und Abspann genannten Filmhersteller … kam es daher nicht mehr entscheidend an. Ebenso kann dahinstehen, dass die Antragstellerin nach dem Vortrag des Beteiligten gar keine Online-Plattform vorweisen kann, über den sie den Vertrieb via Video-on-Demand hätte vornehmen können.

Ferner kann dahinstehen, ob Handlungen, die in der Bundesrepublik Deutschland gegen Gesetze zum Schutze der Jugend verstoßen, per se geeignet sein können, ein Erscheinen im Sinne des § 6 Abs. 2 UrhG zu begründen.

b. In Bezug auf den Film … kann auf die obigen Ausführungen Bezug genommen wer den. Mangels substantiiertem Vortrag der Antragstellerin ist davon auszugehen, dass es sich auch bei diesem Film mit einer Lauflänge von 19 Minuten und 34 Sekunden, wie vom Beteiligten … vorgetragen, um reine Pornografie handelt, die keinen Schutz als Filmwerk für sich beanspruchen kann.

Im Hinblick auf einen allenfalls möglichen Laufbilderschutz ist die Antragstellerin in Bezug auf die Umstände des Ersterscheinens ebenfalls beweisfällig geblieben. Auf die obigen Ausführungen wird insoweit verwiesen.

Insoweit kommt es nicht mehr darauf an, ob die Kammer der eidesstattlichen Erklärung des Herrn … aus den vom Beteiligten … dargelegten Umständen (Gesetzesverstoß in der Bundesrepublik Deutschland) Glauben schenken kann. Auch auf den weiteren Vortrag des Beteiligten … kommt es nicht mehr an.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 101 Abs. 9 Satz 4 UrhG, § 81 FamFG. Vorliegend entspricht es billigem Ermessen, der Antragstellerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, zumal sie es nicht einmal versucht hat, ihren Antrag auf Erlass eines Gestattungsbeschlusses zu verteidigen.

4. Die Festsetzung des Geschäftswertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 30 Abs. 2 Satz 2 KostO.

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