Anforderungen an die Begründung einer Prüfpflicht eines Portalbetreibers

09. März 2018
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Verwendung von sozialen Netzwerken Urteil des OLG Frankfurt a. M. vom 21.12.2017, Az.: 16 U 72/17

Möchte eine juristische Person, die sich durch im Rahmen eines Internetforums veröffentlichte Beiträge in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt sieht, den Portalbetreiber zur Unterlassung verpflichten, so kann dies nur erfolgen, wenn der Betreiber als Störer einzustufen ist oder aber ihn eine Prüfpflicht trifft. Zur Begründung einer Prüfpflicht reicht es jedenfalls nicht, wenn Aussagen als „ehrenrührig und schmähend“ gerügt werden, nicht jedoch der Tatsachengehalt konkret widerlegt oder auch nur zu widerlegen versucht wird. Auch genügt es nicht, wenn Ausführungen dazu fehlen, warum eine Rechtsverletzung überhaupt gegeben sein soll oder sich eine Rechtsverletzung aus einem konkreten Vortrag nicht schlüssig ergibt.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Urteil vom 21.12.2017

Az.: 16 U 72/17

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 23.3.2017 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt, 3. Zivilkammer, Az. 2-03 O 304/16, wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts werden ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt.

Gründe

I.

Die Klägerin, eine Agentur für …, nimmt den Beklagten, einen Verein, dessen Zweck der Verbraucherschutz und der Schutz vor Spams ist, auf Untersagung der Veröffentlichung zweier von einem „User“ namens „A“ in dem Internetportal des Beklagten eingestellten Texte in Anspruch, die negativ über die Klägerin sowie eine B GmbH und eine C GmbH (mit der Klägerin verbunden) berichten. Hilfsweise verlangt sie deren Löschung.

Die angegriffenen Texte sind in einem sogenannten „Forum“ auf der Internetseite des Beklagten eingestellt, in dem der Beklagte dritten Personen gestattet zwecks „Erfahrungsaustausch“ und für „Aufklärungsarbeit“ Veröffentlichungen vorzunehmen. Die Klägerin hat den Beklagten mit Schreiben vom 27.5.2016 (Anlage K 4) wegen zweier bestimmter Beiträge darauf hingewiesen, dass diese „ehrenrührige und schmähende Erklärungen“ enthielten, dem eine eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers der Klägerin beigefügt (Bl, 68 d.A.) und ihn unter anderem aufgefordert, „Rücksprache bei dem direkten Verletzer zu nehmen“. Der Beklagte ist untätig geblieben. Die Klägerin hat behauptet, alle „streitgegenständlichen Tatsachenbehauptungen“ seien „schlichtweg unzutreffend“. Ferner liege eine Meinungsäußerung vor, die eine „Schmähung“ der Klägerin darstelle.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Es hat dies damit begründet, dass die Klage unschlüssig, weil nicht hinreichend begründet sei. Die Klägerin habe nämlich nicht dargelegt, durch welche Äußerungen des sich über zwei Seiten erstreckenden Textes sie sich in ihren Rechten verletzt sehe und welche Tatsachenbehauptungen inwiefern unwahr seien. Ferner sei nicht ersichtlich, warum „die Werbeblöcke“ sie in ihren Rechten verletzten. Die Klägerin gehe auch nicht auf den Einwand ein, dass es sich um Zitate aus „Zeitschrift1“ und handele.

Es sei auch nicht ausreichend, dass der Klägervertreter im Termin erklärt habe, die erwähnten „Cold calls“ seien durch nichts belegt. Es handele sich insoweit um Meinungsäußerungen, weil die Beurteilung, dass diese „verbotene Cold Calls“ seien eine rechtliche Bewertung darstelle.

Hinsichtlich erwähnter Strafanzeigen wegen versuchten Betruges habe die Klägerin nicht dargelegt, ob es solche gegeben habe. Ohnehin würde dies allenfalls das Verbot dieser konkreten Äußerung rechtfertigen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie in erster Linie ihre beiden erstinstanzlichen Klageanträge weiterverfolgt, hilfsweise den Klageantrag auf das Verbot dreier Äußerungen einschränkt, nämlich zu untersagen folgende Passagen zu veröffentlichen sowie hilfsweise sie zu löschen:

„Thema … D …

Die Geschäftsleute warnen sich untereinander. Aber vielleicht haben auch Wettbewerber auf Unterlassung der Wettbewerbsverstöße geklagt und nichts anderes sind diese verbotenen Cold Calls, so dass man in einen neuen Firmenmantel gewechselt ist …

Aus dem Thread von (…).de raubzitiere ich mal den User Y vom …:

Zitat von Y …

Um diesen Beitrag das gleiche Schicksal zu ersparen, beschränke ich mich auf eine reine Meinungsäußerung: Ich halte die D für absolut unseriös. …

… In einzelnen Fällen gab es Strafanzeigen wegen versuchten Betrugs … und Beschwerden bei der Z.“

In ihrer Begründung rügt die Klägerin zunächst, dass das Landgericht keinen Hinweis erteilt habe, dass die Antragstellung deshalb zu weit sei, weil die unwahren Behauptungen nicht „extrahiert“ worden seien. Es habe ihr keine Gelegenheit gegeben, den Antrag neu zu fassen. Der Klägervertreter habe im Verhandlungstermin erläutert, dass die drei jetzt mit dem Hilfsantrag wiedergegebenen Zitate „als Tatsachenbehauptungen“ bzw. „Schmähungen“ „selbsterklärend“ seien.

Sie vertritt die Auffassung, dass es sich entgegen der Meinung des Landgerichts nicht „hauptsächlich um Meinungsäußerungen“ handele. Der Vorwurf von „Cold Calls“ meine unerwünschte, ohne Einverständnis erfolgende Werbeanrufe bei möglichen Interessenten zu Werbezwecken. Dies stelle einen deutlichen Tatsachenkern dar. Dasselbe gelte für Strafanzeigen wegen versuchten Betruges bzw. Beschwerdeverfahren bei der Z“. Der Klägervertreter habe im Termin erklärt, dass es solche Strafanzeigen nicht gebe. Es sei fehlerhaft, ihr für diese Negativtatsachen die Beweislast zuzuschieben. Ihr seien solche Verfahren ebenso wie auch Beschwerden bei der Z nicht bekannt geworden.

Eine „Schmähung“ sieht die Klägerin in der Äußerung, der Verfasser halte sie „für absolut unseriös“.

Hinsichtlich der Passivlegitimation des Beklagten vertritt die Klägerin unter Bezug auf die Entscheidung des BGH vom 4.4.2017 (VI ZR 123/16) die Auffassung, dass der Beklagte als Betreiber des Internet-Portals Störer sei, weil er sich die Äußerungen bewusst und vorsätzlich zu eigen mache. Dem Beklagten scheine es um „absichtliche Schädigung aus betagten Veröffentlichungen“ zu gehen, weil die in den Äußerungen zitierten Veröffentlichungen nahezu zehn Jahre (beim Einstellen in das Portal) alt gewesen seien. Selbst Ansprüche wegen Wettbewerbsverstößen seien hier bereits seit fünf Jahren verjährt gewesen. Unter Bezug auf eine Entscheidung des EuGH meint die Klägerin, ihr stehe ein „Recht zum Vergessen“ zu. Hinzu komme ein solches Recht, wenn Beiträgen durch Zeitablauf jede Aktualität fehle, und dadurch ein falsches Bild des Unternehmens gezeichnet werde.

Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Er vertritt die Auffassung, dass er schon deshalb nicht für die Äußerungen hafte, weil er sie sich zu keinem Zeitpunkt zu eigen gemacht habe. Denn er habe die Äußerungen keiner redaktionellen Bearbeitung unterzogen und auch nicht auf die Abmahnung der Klägerin reagiert.

Auch die User des Portals, so meint der Beklagte weiter, hätten nur auf die Informationen von anderen Portalen hingewiesen und aus deren Quellen zitiert, ohne sich diese zu eigen zu machen. Als Tatsachenbehauptungen über im Internet verbreitete Äußerungen seien sie wahr. Die Klägerin könne deshalb dem Beklagten und den Usern nicht untersagen, aus den Quellen zu zitieren.

Eine Verletzung rechtlichen Gehörs könne die Klägerin, so der Beklagte, nicht geltend machen, denn die angeblichen konkreten Verletzungen seien Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Zudem habe der Beklagte in der Klageerwiderung darauf hingewiesen, dass nicht nachvollziehbar sei, auf welche Umstände die Klägerin ihren Anspruch stütze.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat einen Anspruch der Klägerin auf Unterlassung aus §§ 1004 Abs. 1 S. 2 analog, § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG wie auch auf bloße Löschung der in das „Forum“ eingestellten Texte aus §§ 1004 Abs. 1 S. 1 analog, § 823 Abs. 1 BGB im Ergebnis zu Recht verneint. Das gilt auch für den in der Berufungsinstanz mit dem Hilfsantrag nur eingeschränkt verfolgten Anspruch.

Dabei kann dahin gestellt bleiben, ob die Klägerin schon nicht ausreichend dargelegt hat, durch welche konkreten Äußerungen sie sich in ihren Rechten verletzt sieht und welche Tatsachenbehauptungen inwiefern unwahr sind, sowie auch die Frage, ob das Landgericht die hierzu vom Klägervertreter im Verhandlungstermin vorgenommenen Konkretisierungen hätte berücksichtigen müssen. Selbst wenn die Texte die Klägerin in ihrem Unternehmerpersönlichkeitsrecht verletzen, besteht derzeit gegen den Beklagten kein Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch, weil er nicht als Störer im Sinne von § 1004 BGB anzusehen ist.

Da der Beklagte auf seiner Internetseite nur ein „Forum“ zur Verfügung stellt, in dem Dritte Äußerungen abgeben können, kommt es darauf an, ob die Veröffentlichung der Äußerungen ihm als Störer im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB zugerechnet werden können. Dabei kommt eine Zurechnung als unmittelbarer oder als mittelbarer Störer in Betracht.

a) Der Beklagte ist nicht unmittelbarer Störer.

Unmittelbarer Störer ist ein Portalbetreiber bei von einem Dritten eingestellten Äußerungen nur dann, wenn er sie sich zu eigen gemacht hat. Von einem zu eigen Machen ist dabei dann auszugehen, wenn der Portalbetreiber nach außen erkennbar die inhaltliche Verantwortung für die auf seiner Internetseite veröffentlichten Inhalte übernommen hat, was aus objektiver Sicht auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände zu beurteilen ist. Dabei ist bei der Annahme einer Identifikation mit fremden Inhalten grundsätzlich Zurückhaltung geboten (zuletzt BGH NJW 2017, 2029 [BGH 04.04.2017 – VI ZR 123/16] Rn. 18).

Für ein zu eigen Machen spricht es, wenn der Portalbetreiber eine inhaltlich-redaktionelle Überprüfung der auf seinem Portal eingestellten Nutzerbewertungen auf Vollständigkeit und Richtigkeit vornimmt (BGH ebenda). Eine solche Bearbeitung des Beitrags durch den Beklagten hat der Kläger nicht dargelegt und er ist auch nicht hinreichend aus dem Beitrag selbst ersichtlich. Der Beklagte hat dies zudem ausdrücklich bestritten.

Für ein zu eigen Machen ist es nicht ausreichend, dass der Beklagte sich nicht, etwa durch einen Disclaimer, von den Inhalten der eingestellten Texte distanziert und auf seinem Portal mitgeteilt hat, er sei für die Beiträge nicht verantwortlich (BGH ebenda Tz. 20). Ob ein Hinweis auf der Internetseite darauf, dass der Betreiber sich eine Abänderungsbefugnis vorbehält, allein ausreichend ist, kann hier dahin gestellt bleiben, weil solches nicht vorgetragen ist.

b) Der Beklagte ist auch nicht mittelbarer Störer.

Von § 1004 Abs. 1 BGB umfasst ist neben dem unmittelbaren Störer, also demjenigen, der durch sein Verhalten selbst die Beeinträchtigung adäquat verursacht hat, auch der mittelbare Störer.

aa) Mittelbarer Störer ist zunächst einmal derjenige, der in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat. Dabei genügt als Mitwirkung in diesem Sinne auch die Unterstützung oder die Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte (zuletzt BGH NJW 2016, 56 [BGH 28.07.2015 – VI ZR 340/14] Rz. 34). Bejaht hat der Bundesgerichtshof in jenem Fall die Verantwortlichkeit eines Autors, der seinen Text auf eine Homepage gesetzt hatte, dafür, dass dieser Text von anderen übernommen wurde und nun auf anderen Internetseiten steht. Denn dem Verfasser eines im Internet abrufbaren Beitrags sei eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch insoweit zuzurechnen, als sie durch die Weiterverbreitung des Ursprungsbeitrags durch Dritte im Internet entstanden ist. Da Meldungen im Internet typischerweise von Dritten verlinkt und kopiert werden, ist die durch die Weiterverbreitung des Ursprungsbeitrags verursachte Rechtsverletzung sowohl äquivalent als auch adäquat kausal auf die Erstveröffentlichung zurückzuführen. Der Zurechnungszusammenhang sei in solchen Fällen auch nicht deshalb zu verneinen, weil die Persönlichkeitsrechtsverletzung insoweit erst durch das selbstständige Dazwischentreten Dritter verursacht worden ist. Denn durch die „Vervielfältigung“ der Abrufbarkeit des Beitrags durch Dritte verwirklicht sich eine durch die Veröffentlichung des Ursprungsbeitrags geschaffene internettypische Gefahr (BGH ebenda Rn. 37).

Nach diesen Grundsätzen ist der Beklagte nicht als mittelbarer Störer anzusehen. Zwar wirkt er objektiv an der – hier unterstellten – Persönlichkeitsrechtsverletzung durch den Verfasser „A“ mit, weil er die Abteilung „Forum“ auf seiner Internetseite als Plattform für solche Meinungsäußerungen zur Verfügung stellt. Es fehlt jedoch an einer willentlichen Verletzung des Persönlichkeitsrechts, weil ein Wille des Beklagten, die Veröffentlichung dieses konkreten und als rechtsverletzend erkannten Textes zu fördern, nicht feststellbar ist. Der Beklagte stellt nur allgemein seine Homepage für Beiträge zur Verfügung, ohne diese vorher zu kennen. Eingestellt werden sie von den Usern. Die geschilderten Tatsachen sind dem Beklagten selbst nicht bekannt. Insofern fehlt es an der Voraussetzung, dass er „willentlich“ an der Herbeiführung der Persönlichkeitsrechtsverletzung mitwirkt.

bb) Mittelbarer Störer ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aber auch der Betreiber eines Internetportals oder ein Host-Provider, wenn er später positive Kenntnis von einer Rechtsgutsverletzung durch einen von einem Dritten eingestellten Inhalt erlangt (BGH NJW 2007, 2558 [BGH 27.03.2007 – VI ZR 101/06]). Zwar trifft den Betreiber keine Verpflichtung, die bei ihm eingestellten Inhalte auf eine Verletzung von Persönlichkeitsrechten Betroffener zu überprüfen (BGH NJW 2012, 2345 [BGH 27.03.2012 – VI ZR 144/11]; BGHZ 191, 219 = NJW 2012, 148 [BGH 25.10.2011 – VI ZR 93/10]). Wird ihm die Rechtsverletzung jedoch bekannt, so ist er ex nunc zur Unterlassung verpflichtet. In dem Unterlassen, einen als unzulässig erkannten Beitrag zu entfernen, liegt nämlich eine Perpetuierung der Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen. Der Betreiber eines Internetforums ist „Herr des Angebots“ und verfügt deshalb vorrangig über den rechtlichen und tatsächlichen Zugriff. Auch wenn von ihm keine Prüfpflichten verletzt werden, so ist er doch nach allgemeinem Zivilrecht zur Beseitigung und damit zur Unterlassung künftiger Rechtsverletzungen verpflichtet (BGH NJW 2007, 2558 [BGH 27.03.2007 – VI ZR 101/06][BGH 27.03.2007 – VI ZR 101/06], Rn. 9; BGH NJW 2016, 2106 [BGH 01.03.2016 – VI ZR 34/15] Rn. 23).

Eine solche Kenntnis des Beklagten kann hier nicht ohne weiteres unterstellt werden. Sie ist ohnehin nur ausnahmsweise feststellbar, denn sie erfordert auch eine Abwägung zwischen dem Recht des Betroffenen auf Schutz seiner Persönlichkeit und dem Recht jedenfalls des Providers auf Meinungs- und Medienfreiheit (BGH NJW 2016, 2106 [BGH 01.03.2016 – VI ZR 34/15] Rn. 23).

(1) Hinsichtlich der angegriffenen Tatsachenaussagen ist eine Kenntnis des Beklagten nicht feststellbar. Die Beklagte kann nicht wissen, ob die Klägerin bzw. die mit ihr verbundenen Gesellschaften „Cold Calls“ zur Vertragsanbahnung einsetzen oder ob gegen sie Strafanzeigen wegen versuchten Betruges oder Beschwerdeverfahren bei der Z anhängig waren.

(2) Lediglich in Bezug auf eine sich aus dem Text selbst, ohne weitere zusätzliche Tatsachenkenntnis ersichtliche Beleidigung oder Schmähkritik ist es denkbar, dass sie dem Betreiber eines Portals ab dem Zeitpunkt bekannt ist, an dem er auf sie hingewiesen wird (vgl. BGH NJW 2007, 2558 [BGH 27.03.2007 – VI ZR 101/06]). Der Klägervertreter hat vor dem Landgericht mit einem gewissen Recht darauf hingewiesen, dass eine etwaige Schmähkritik im Text „selbsterklärend“ sei. Eine solche sieht die Klägerin jedoch zu Unrecht in dem als Zitat im Zitat geäußerten Satz „Ich halte die D für absolut unseriös.“

Dabei mag unterstellt werden, dass es sich um eine reine Meinungsäußerung handelt. Sie stellt gleichwohl keine Schmähung dar. Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik nämlich eng auszulegen. Auch eine überzogene, ungerechte oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Betroffenen im Vordergrund steht, der jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll. Eine wertende Kritik an der gewerblichen Leistung eines Wirtschaftsunternehmens ist in der Regel auch dann vom Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GGgedeckt, wenn sie scharf und überzogen formuliert ist; sie kann nur unter engen Voraussetzungen als Schmähkritik angesehen werden (BGH NJW 2015, 773 [BGH 16.12.2014 – VI ZR 39/14] Rn. 18 f.).

Die durch Tatsachen erläuterte Beurteilung der Geschäftsmethoden eines Unternehmens als „absolut unseriös“ ist nach diesen Grundsätzen keineswegs als Schmähkritik einzuordnen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Äußerung hier im Streitfall eingebettet ist in Tatsachenaussagen, aus denen diese Bewertung hergeleitet wird. Es vermischt sich nach dem Zusammenhang die Stellungnahme „Ich halte…“ mit den vorher und nachher geschilderten Tatsachen über die (angebliche) Geschäftspraxis der Klägerin bei der Anbahnung von Werbeverträgen. Die Beurteilung als unseriös beruht wesentlich auf den eingangs des Textes vom Autor („A“) geschilderten – und insoweit auch nicht angegriffenen – eigenen Erfahrungen. Danach ist er zum wiederholten Male von mit der D verbundenen Unternehmen ungefragt angerufen und zum Abschluss von Werbeverträgen mit der Klägerin zumindest zeitlich gedrängt worden. Ferner wird auf Erfahrungen anderer „Opfer“, mit denen der Autor gesprochen habe, verwiesen. Die zu eigen gemachte Einschätzung „absolut unseriös“ ist eine zusammenfassende, tatsachenbasierte Bewertung dieser Vorkommnisse. Ob die herangezogenen Tatsachen zutreffen, kann der Betreiber des Portals nicht wissen.

cc) Der Beklagte ist auch nicht deshalb als mittelbarer Störer anzusehen, weil er einer an ihn herangetragenen konkreten Beanstandung durch die Klägerin nicht oder nicht in ausreichender Weise nachgegangen ist.

Bei fehlender positiver Kenntnis kann ein Unterlassungs- oder Löschungsanspruch wegen mittelbarer Störerschaft aufgrund eines vom Hostprovider oder dem Betreiber des Informationsportals einzuleitenden Prüfverfahrens entstehen. Wird der Provider nämlich mit der Beanstandung eines Betroffenen konfrontiert, die so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer bejaht werden kann, ist eine Ermittlung und Bewertung des gesamten Sachverhalts unter Berücksichtigung einer etwaigen Stellungnahme des für den beanstandeten Beitrag Verantwortlichen erforderlich (erstmals BGHZ 191, 219= NJW 2012, 148 Rn. 25f. und jetzt BGH NJW 2016, 2106 = BGHZ 209, 139[i] Rn. 24; vgl. auch Palandt/Sprau, BGB, 76. Aufl., § 823 Rz. 203; MünchKomm-BGB/Rixecker, 7. Aufl., Anhang § 12 Rz. 246). Welcher Überprüfungsaufwand vom Hostprovider im Einzelfall zu verlangen ist, ist aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung, bei der die betroffenen Grundrechte der Beteiligten zu berücksichtigen sind, zu ermitteln (BGH NJW 2016, 2106 Rn. 38). Mindestens ist in der Regel jedenfalls eine Stellungnahme des einstellenden Dritten zu der Rüge des Betroffenen einzuholen. Eine Verpflichtung zur Löschung des beanstandeten Eintrags entsteht, wenn auf der Grundlage der Stellungnahme des für den Beitrag Verantwortlichen und einer etwaigen Replik des Betroffenen unter Berücksichtigung etwa zu verlangender Nachweise von einer rechtswidrigen Verletzung des Persönlichkeitsrechts auszugehen ist (BGHZ 191, 219 Rn. 27). Ein Anspruch auf Unterlassung/Löschung besteht aber auch, wenn keine Stellungnahme des Dritten eingeholt wird, der Hostprovider also seinen Prüfpflichten nicht nachkommt.

Hier hat zwar die Klägerin den Beklagten mit dem vorgerichtlichen Schreiben vom 27.5.2016 aufgefordert, „Rücksprache bei dem direkten Verletzer zu nehmen“ und der Beklagte hat nichts unternommen. Gleichwohl besteht unter diesem Gesichtspunkt kein Anspruch auf Unterlassung gegen den Beklagten, denn es fehlt in dem Schreiben an einer so konkret gefassten Darstellung, dass auf ihrer Grundlage der Rechtsverstoß unschwer bejaht werden kann.

(1) Die erste mit der Klage angegriffene Äußerung von „A“ vom … um … Uhr, die allein einen Link zur Internetseite von „Zeitschrift1“ enthält, ist im vorgerichtlichen Schreiben schon nicht gerügt worden. Dort ist eine andere Äußerung vom selben Tag um … Uhr betreffend Werbung der C GmbH für eine Präsentationswerbung bei … gerügt worden. Dieser Beitrag ist ausweislich des Umstandes, dass er im Klageantrag und im vorgelegten Website-Ausdruck nicht mehr vorhanden ist, gelöscht worden.

(2) Hinsichtlich der zweiten erheblich umfangreicheren Äußerung vom … hat die Klägerin zur Begründung ihrer Rüge lediglich ausgeführt, dass „ehrenrührige und schmähende Erklärungen enthalten sind, die bereits für ihr Unternehmen ganz augenscheinlich auf eine Persönlichkeitsrechtsverletzung abzielen (z.B. „In Einzelfällen gab es Strafanzeigen wegen versuchten Betruges … Ich halte die D für absolut unseriös. Wer auf die Angebote zur Präsentationswerbung hereingefallen ist.“).

Damit wird durch Wiederholung des angegriffenen Textes im Wesentlichen nur ausgedrückt, dass die Klägerin die Aussagen als ehrenrührig und schmähend ansieht. Die Unwahrheit der Äußerungen wird nicht ausdrücklich behauptet. Jedenfalls fehlt es an konkreten Angaben, nämlich beispielsweise, dass keine Strafanzeigen gegen die Klägerin oder die B GmbH oder gegen die C GmbH vorlägen und wegen welcher Taten. Zwar kann die im Schreiben geäußerte Meinung, es handele sich um Schmähungen, dahin verstanden werden, dass die Klägerin auch zum Ausdruck bringen wollte, es sei unwahr, dass es Strafanzeigen gegen sie gegeben habe. Dies ist jedoch erst Ergebnis einer Auslegung des Textes, weshalb die Rüge im Sinne des Bundesgerichtshofs gerade nicht so konkret gefasst ist, dass die Rechtsverletzung auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer bejaht werden kann. Darüber hinaus enthält der angegriffene Text erheblich mehr Äußerungen, so dass es nicht genügen kann mit „z.B.“ einige herauszugreifen. Für einen Großteil des Textes, insbesondere die beiden Absätze im Klageantrag ab „Ich vermute, dies …“, fehlen überhaupt Ausführungen dazu, warum eine Rechtsverletzung gegeben sein soll. Der letzte Satz der Rüge ist zudem unvollständig und enthält damit keinen nachvollziehbaren Hinweis an den Beklagten.

Lediglich die in dem Schreiben in Bezug genommene und beigefügte eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers der Klägerin enthält hinsichtlich eines Punktes eine Präzisierung: Danach sei die Äußerung unrichtig, dass in einigen Fällen D-Mitarbeiter versprochen hätten, dass man für die Firmen (die potentiellen Kunden) eine Anzeige auf der E-Website schalte. Die Rüge ist insoweit zwar durch konkrete Tatsachen unterlegt, jedoch ergibt sie nicht schlüssig eine Rechtsverletzung der Klägerin. Diese Äußerung ist nämlich im Kontext unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen und Grundrechte ersichtlich nicht rechtswidrig: Denn in dem zitierten Artikel aus der Zeitschrift „Zeitschrift2“ aus dem Jahr 2008 wird lediglich über Beschwerden von Firmen und Freiberuflern berichtet, die der Redaktion vorlägen und die jenen Vorwurf erheben. Es wird dort nicht behauptet, dass er tatsächlich zutrifft. Die Klägerin bestreitet auch nicht, dass es diese Beschwerden gegeben habe. Folglich wird in dem Artikel lediglich über einen begründeten Verdacht berichtet. Es wird zudem im nächsten Satz ausgeführt, dass D (also die Klägerin) dies dementiere. Daraus ergibt sich, dass die Klägerin zu dem Vorwurf damals angehört worden ist. Die Äußerung ist deshalb nach den Grundsätzen über die Verdachtsberichterstattung zulässig.

Insgesamt also war das vorgerichtliche Schreiben der Klägerin vom 27.4.2016 nicht geeignet, eine Prüfpflicht des Beklagten im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auszulösen.

Mangels ordnungsgemäßer Einleitung eines Prüfverfahrens gegenüber dem Beklagten als Betreiber des Portals besteht kein Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 analog BGB. Eine erneute Aufforderung zur Prüfung ist bislang nicht erfolgt.

2. Ein Anspruch auf Löschung der beiden Texte steht der Klägerin auch nicht unabhängig davon, ob der Inhalt wegen Unwahrheit oder Schmähung rechtsverletzend ist, allein deshalb zu, weil es sich um Zitate aus zum Teil schon mehrere, bis zu zehn Jahre alten Veröffentlichungen handelt. Die Klägerin kann sich nicht auf eine sogenanntes „Recht zum Vergessen“ berufen.

a) Nach deutschem Recht gewährt das allgemeine Persönlichkeitsrecht grundsätzlich kein „Recht auf Vergessen“. Die Berichterstattung über wahre Geschehnisse muss grundsätzlich hingenommen werden. Eine Ausnahme wird – soweit ersichtlich – allein für natürliche Personen, vor allem für Straftäter unter dem Gesichtspunkt der Wiedereingliederung, diskutiert. Sie wird nur ausnahmsweise angenommen, wenn ein besonderer „Persönlichkeitsschaden“ droht, der außer Verhältnis zum öffentlichen Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht (vgl. MünchKomm-BGB/Rixecker, 7. Aufl., Anhang § 12 Rz. 145 f.). Der Bundesgerichtshof hat einen Unterlassungsanspruch in NJW 2013, 220 [BGH 17.10.2012 – VIII ZR 226/11] auf Löschung eines Berichts in den „Altmeldungen“ einer Wochenzeitung abgelehnt, in dem über eine Jahre zurückliegende nicht schwere Straftat eines Gazprom-Managers berichtet wurde, bei der das Strafverfahren aus Opportunitätsgründen eingestellt worden war. Der Artikel, so der Bundesgerichtshof, habe noch nicht seine Aktualität verloren und die Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung durch das weitere Bereithalten des Artikels sei nicht schwerwiegend (BGH NJW 2013, 229 [BGH 30.10.2012 – VI ZR 4/12]).

Auch hier können die nur ausnahmsweise gegebenen Voraussetzungen für ein „Recht auf Vergessen“ nicht bejaht werden. Bei der Klägerin handelt es sich nicht um eine natürliche Person, so dass ein „schwerer Persönlichkeitsschaden“ nur ausnahmsweise in Betracht kommt. Jedenfalls ist der Beitrag von „A“ nicht so alt, dass er kaum noch Bedeutung unter dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes hat. Auf den Artikel in „Zeitschrift1“ aus dem Jahr 19xx wird lediglich verlinkt. Die Klägerin muss sich insoweit an den Verleger der Zeitung wenden, in deren Archiv der Artikel steht. Hinsichtlich des zweiten Beitrages stammt der zitierte Bericht aus der Zeitschrift „Zeitschrift2“ zwar aus dem Jahr 20xx, der Verfasser zeigt in seinem eigenen vorangehenden Text jedoch auf, dass die dort genannte Praxis nun mit einer anderen mit der Klägerin verbundenen Vertriebsfirma fortbesteht. Er schildert eingangs – und dies wird mit der Klage nicht angegriffen -, dass er vor wenigen Tagen, also im … 20xx per „Cold Call“ angerufen und ihm auf ähnliche Weise ein Vertragsschluss angeboten worden sei, wie in dem Bericht 20xx geschildert. Das hebt als Beschreibung eines Kontinuums den alten Bericht in einen Status der Aktualität. Dass dann zwischen dem … (Eintrag) und dem … (Aufforderung zur Löschung) weitere dreiundeinhalb Jahre vergangen sind, erscheint als kein ausreichender Zeitraum, um deshalb anzunehmen, es bestehe kein Interesse der Öffentlichkeit an solchen Geschäftspraktiken mehr.

b) Ein Anspruch auf Löschung allein wegen der fehlenden Aktualität ergibt sich auch nicht aus den §§ 1004 Abs. 1 S. 1 analog. § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 13.5.2014 (C-131/12, NJW 2014, 2257 = NVwZ 2014, 857), in der dieser einen Anspruch aus der genannten Richtlinie unter bestimmten Bedingungen als gegeben erachtet hat, betraf einen spanischen Bürger, der (u.a.) von Google Spain im Jahr 2010 verlangte, dass im Suchsystem die Verknüpfungen so gelöscht/eingerichtet werden, dass sie nicht zu einem Bericht in einer Tageszeitung aus dem Jahr 1998 führen, in dem in einer Anzeige auf die Versteigerung eines Grundstücks im Zusammenhang mit einer wegen Forderungen der Sozialversicherung (gegen ihn) erfolgten Pfändung hingewiesen wurde. Nach der Entscheidung kann ein Unterlassungsanspruch unabhängig davon bestehen, ob der betroffenen Person durch die Einbeziehung der betreffenden Information in die Ergebnisliste (bei Google) ein Schaden entsteht. Ein solcher Anspruch kommt hier jedoch schon deshalb nicht in Betracht, weil es sich bei dem Beklagten nicht um den Betreiber eines Internet-Suchdienstes handelt. Ein bloßer Portalbetreiber unterliegt nicht der genannten Richtlinie. Bei der Abwägung ist zudem zu sehen, dass die „Gefahr einer Perpetuierung und Streuung“ bei einem Suchdienst erheblich größer ist als bei einem einzelnen Homepage-Betreiber.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Eine Zulassung der Revision war nicht geboten, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit, auch des angefochtenen Urteils, ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

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