Irreführende Werbung für Matratze

31. Oktober 2023
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Zwei Hände, die die Schichten einer Bettmatratze zeigen. Urteil des OLG Frankfurt a. M. vom 13.01.2022, Az.: 6 U 161/21

Eine Herstellerin und Anbieterin von Matratzen darf ihre Produkte nicht mit dem Slogan „Deutschlands meistverkaufte Matratze“ bewerben, wenn sie nicht ausreichend belegen kann, dass die Aussage den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht. Insbesondere reicht es nicht aus, wenn der Geschäftsführer lediglich eidesstattlich versichert, die Angabe entspreche der Wahrheit, ohne dabei konkrete Zahlen anzugeben oder darzulegen, wie die entsprechenden Zahlen ermittelt wurden.

Oberlandesgericht Frankfurt a. M.

Urteil vom 13.01.2022

Az.: 6 U 161/21

 

Tenor

Auf die Berufung der Antragstellerin wird das am 8.6.2021 verkündete Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main abgeändert.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung geboten, es – bei Meidung von Ordnungsgeld bis 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an ihren Geschäftsführern, für jeden Fall der Zuwiderhandlung – zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr für die Matratze Emma One

1. mit dem Slogan „Emma One ist Deutschlands aktuell meisterverkaufte Matratzenserie“ zu werben, wenn diese geschieht wie in der Anlage AS 1;

oder

2. mit den Slogans „Emma One Matratzen-Testsieger – Deutschlands Meistverkaufte“ und/oder „Emma One Testsieger 10/19 90×200 hart & meistverkaufte Matratzenserie letzte 12 Monate“ zu werben, wenn das geschieht wie in den in der Anlage AS 2 genannten Anzeigen;

oder

3. mit einem Testsieg zu werben, ohne anzugeben, bei welchem Test der Testsieg errungen wurde und ohne Benennung der Fundstelle des Tests, wenn das geschieht wie in Anlage AS 2.

Die Erweiterung des Antrags zu 1. (Anlage AS 10) wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Eilverfahrens erster Instanz zu tragen.

Von den Kosten des Eilverfahrens in zweiter Instanz haben die Antragstellerin ¼ und die Antragsgegnerin ¾ zu tragen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über irreführende Werbeangaben.

Die Antragsgegnerin stellt her und vertreibt die Bodyguard-Matratze, die von der Stiftung Warentest in dem Jahr 2015 mit der Note 1,8 als „die beste je getestete Matratze“ bewertet wurde.

Die Antragsgegnerin stellt her und vertreibt die Matratzenserie Emma-One. Im Matratzentest der Stiftung Warentest – Ausgabe 03/2021 wurde eine Emma-One-Matratze Testsiegerin mit der Note 1,7. Die Bodyguard-Matratzen erhielten nur noch die Note „befriedigend“.

Am 22.4.2021 warb die Antragsgegnerin auf der Startseite ihrer Website wie folgt (Anlage AS 1):

[Abbildung]

Steuerte der Nutzer mit dem Cursor das Fragezeichen an, erschien folgender Ergänzungstext:

[Abbildung]

Ebenfalls am 22.4.2021 warb die Antragsgegnerin in Google-Anzeigen wie folgt:

[Abbildung]

Die Antragstellerin mahnte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 22.4.2021 erfolglos ab.

Das Landgericht hat die Eilanträge der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin mit Urteil vom 8.6.2021 zurückgewiesen. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Antragstellerin mit der Berufung.

Die Antragsgegnerin warb am 23.8.2021 auf ihrer Website erneut mit dem Slogan „Deutschlands aktuell meistverkaufte Matratze“ (Anlage AS 10). Steuerte man mit dem Cursor der Mouse das dem Slogan nachgestellte Fragezeichen an, erschien wiederum der Ergänzungstext: „Summe aller Emma One Varianten – bezogen auf die letzten 12 Monate“.

Im Berufungsrechtszug hat die Antragstellerin ihr mit dem Antrag zu 1. verfolgtes Unterlassungsbegehren dahingehend erweitert, dass es sich auch auf die Anlage AS 10 beziehen soll.

Die Antragstellerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt vom 8.6.2021 abzuändern und wie folgt zu entscheiden:

Der Antragsgegnerin wird bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt, im geschäftlichen Verkehr für die Matratze Emma One

1. mit dem Slogan „Emma One ist Deutschlands aktuell meistverkaufte Matratzenserie“ zu werben, wenn das geschieht wie in Anlage AS 1, oder mit dem Slogan „Deutschlands aktuell meistverkaufte Matratzenserie“, wenn das geschieht wie in Anlage AS 10;

2. mit den Slogans „Emma One Matratzen-Testsieger – Deutschlands Meistverkaufte“ und/oder „Emma One Testsieger 10/19 90×200 hart & meistverkaufte Matratzenserie letzte 12 Monate“ zu werben, wenn das geschieht wie in den in der Anlage AS 2 genannten Anzeigen; oder

3. mit einem Testsieg zu werben, ohne anzugeben, bei welchem Test der Testsieg errungen wurde und/oder ohne Benennung der Fundstelle des Tests, wenn das geschieht wie in Anlage AS 2.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die Antragserweiterung abzuweisen.

II.

Die zulässige Berufung des Antragstellers hat auch in der Sache Erfolg.

1. Das Oberlandesgericht ist für den erstmals in der Berufungsinstanz auf die Werbung nach Anlage AS 10 gestützten Anspruch nicht zuständig. Für den Erlass der einstweiligen Verfügung ist nach § 937 ZPO das Gericht der Hauptsache zuständig. Gemäß § 943 Abs. 1 Alt. 2 ZPO ist das Berufungsgericht als „Gericht der Hauptsache“ i.S.v. § 937 Abs. 1 ZPO anzusehen, wenn die Hauptsache in der Berufungsinstanz anhängig ist. In der Berufungsinstanz des Verfügungsverfahrens können damit nur die bereits erstinstanzlich erhobenen Ansprüche weiterverfolgt werden (OLG Hamm, Urteil vom 7.6.1990 – 4 U 75/90, juris; OLG Köln GRUR 1991, 65 – Festbetrags-Medikamente; Anders/Gehle, ZPO, 80. Aufl., § 943 Rn 2; a.A. Dötsch MDR 2010, 1429, 1432; anders auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 4.8.2011 – I-2 U 23/11 Rn 33 – Pramipexol). Zulässig sind lediglich Klarstellungen und Konkretisierungen der Anträge. Wird hingegen – wie hier – eine neue Verletzungsform und damit ein weiterer Streitgegenstand in das Verfahren eingeführt, ist das Berufungsgericht funktionell unzuständig. Der erweiterte Antrag zu 1. war daher abzuweisen.

2. Im Übrigen sind die Eilanträge zulässig. Der Verfügungsgrund wird nach § 12 Abs. 1 UWG vermutet.

3. Der Antragstellerin steht gegen die Antragsgegnerin ein Anspruch aus §§ 8 Abs. 1, 3, 5 Abs. 1 UWG auf Unterlassung der Behauptung „Deutschlands aktuell meistverkaufte Matratze“ zu, wie geschehen in Anlagen AS 1 (Antrag 1.).

a) Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist https://www.juris.de/r3/document/BJNR141400004BJNE000504360/format/xsl/part/s?oi=SqD7Psm32b&sourceP=%7B%22source%22%3A%22Link%22%7Dirreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben enthält.

b) Der angegriffene Slogan ist irreführend. Er suggeriert ein dem Beweis zugängliches Alleinstellungsmerkmal, das nicht belegt ist.

aa) Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass der für die Beurteilung maßgebliche Durchschnittsverbraucher den Slogan „Deutschlands aktuell meistverkaufte Matratze“ im Kontext der angegriffenen Internetwerbung dahingehend versteht, dass die Antragsgegnerin die höchsten Verkaufszahlen bei Matratzenserien in dem in dem „Mouse-over“-Text angegebenen Zwölfmonatszeitraum hat. Er geht davon aus, dass in den letzten zwölf Monaten (22.4.2020 – 22.4.2021) in der Summe mehr Emma-One-Matratzen in Deutschland verkauft wurden als Matratzen aus den Serien von Mitbewerbern.

bb) Es ist davon auszugehen, dass diese Vorstellung mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt.

(1) Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der behaupteten Irreführung liegt normalerweise bei der Gläubigerin. Auch im Bereich der Alleinstellungs- und Spitzengruppenwerbung ist keine allgemeine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast anzunehmen. Allerdings muss die Schuldnerin, die eine Allein- oder Spitzenstellung in Anspruch nimmt, die sie begründenden Tatsachen darlegen und beweisen, wenn ihre Werbung als unrichtig beanstandet wird und die Gläubigerin diese Tatsachen entweder überhaupt nicht oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten aufklären kann. Für eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast zugunsten der Gläubigerin besteht nur dann kein Anlass, wenn sie die für die Beurteilung der Spitzenstellung maßgeblichen Tatsachen ohne erhebliche Schwierigkeiten darlegen und beweisen kann (vgl. BGH GRUR 2015, 186 – Wir zahlen Höchstpreise; BGH GRUR 2010, 352 – Hier spiegelt sich Erfahrung).

(2) Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass nach diesen Grundsätzen die Antragsgegnerin im Streitfall Umstände dafür darlegen und glaubhaft machen muss, die für die Richtigkeit des behaupteten Alleinstellungsmerkmals sprechen. Die Parteien veröffentlichen ihre Verkaufszahlen nicht. Die Antragstellerin hat keine Möglichkeit, die Verkaufszahlen der Antragsgegnerin aus anderen Quellen selbst zu ermitteln. Die veröffentlichten Umsatzzahlen lassen keine zuverlässigen Rückschlüsse auf die in Deutschland verkauften Matratzenstückzahlen zu. Denn die Antragsgegnerin verkauft Varianten zu unterschiedlichen Preisen und hat auch andere Produkte im Sortiment als Matratzen. Außerdem bezog sich die veröffentlichte Zahl auf den weltweiten Umsatz.

(3) Die Antragsgegnerin hat – entgegen der Auffassung des Landgerichts – erstinstanzlich keine hinreichenden Umstände dargelegt und glaubhaft gemacht, die dafür sprechen, dass sie in dem angegebenen Zeitraum die meisten Matratzen verkauft hat. Sie hat in der mündlichen Verhandlung Kopien von drei eidesstattlichen Versicherungen von Herrn A vorgelegt, der „B“ der Fa. C GmbH, ihrer Muttergesellschaft, ist. Die Antragstellerin hat ihrerseits eine eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers vorgelegt.

– In der Versicherung Nr. 1 (Bl. 354) heißt es, aus veröffentlichten Umsatzzahlen der Antragstellerin lasse sich errechnen, dass von deren Bodyguard-Matratzen in den Monaten April 2020 bis März 2021 558.000 Stück abgesetzt worden sein dürften. Die Antragsgegnerin habe im gleichen Zeitraum „weitaus mehr“ verkauft. Die Verkaufszahl von 558.000 werde „deutlich sechsstellig übertroffen.“ Er habe in seiner Funktion Einsicht „in Verkaufssysteme“ der Antragsgegnerin und könne dort die Verkaufszahlen der Emma One einsehen.

– In der Versicherung Nr. 2 (Bl. 353) heißt es, die durchschnittlichen Verkaufszahlen in Deutschland seien in den Monaten April und Mai 2021 gegenüber dem Zeitraum April 2020 bis März 2021 nicht reduziert gewesen. Sie hätten durchschnittlich bei über 70.000 Stück pro Monat gelegen.

– In der Versicherung Nr. 3 (Bl. 356) heißt es, selbst wenn die Antragstellerin in dem Zeitraum April 2020 bis März 2021 700.000 Bodyguard-Matratzen verkauft hätte, läge die Verkaufszahl der Emma One immer noch „weit mehr als 50.000 Stück darüber“.

– Der Geschäftsführer der Antragstellerin hat eidesstattlich versichert, von den Matratzen der Bodyguard-Reihe seien im Zeitraum 22.4.2020 bis 22.4.2021 „deutlich mehr als 630.000“ Stück verkauft worden.

Die eidesstattlichen Versicherungen von Herrn A reichen nicht aus, um mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von der Richtigkeit der Werbebehauptung („meistverkaufte“) auszugehen. Es fehlt schon an ausreichendem Sachvortrag. Die Antragsgegnerin hat ihre Verkaufszahlen für den maßgeblichen Zeitraum nicht genau offengelegt. Der Zeuge hat lediglich bekundet, die Verkaufszahlen lägen „weit mehr als 50.000 Stück“ über jenen der Antragstellerin bzw. hätten in bestimmten Monaten durchschnittlich bei über 70.000 Stück gelegen. Das reicht für einen substantiierten, überprüfbaren Vortrag nicht aus. Es fehlt auch an einer ausreichenden Glaubhaftmachung. Es ist nicht ersichtlich, welches Zahlenwerk der Zeuge eingesehen hat, ob dieses die Verkaufszahlen zuverlässig wiedergibt und wie sie ermittelt wurden. Die Angabe, er habe in „Verkaufssysteme“ der Antragsgegnerin Einsicht genommen, ist nicht ausreichend.

(4) Auch im Berufungsverfahren hat die Antragsgegnerin die Alleinstellungsbehauptung nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht. Sie hat eidesstattliche Versicherungen ihres Geschäftsführers vorgelegt, wonach im fraglichen Zeitraum in Deutschland „mehr als 750.000 Verkäufe“ von Emma One-Matratzen erfolgten. Dies ergebe sich aus „unseren Systemen“. Auch hier fehlt es sowohl an konkreten Zahlen als auch an überprüfbaren Angaben, welche Zahlenwerke auf die genannten Verkaufszahlen schließen lassen.

(5) Soweit die Antragsgegnerin auf Indizien verweist, die für ihre Vorrangstellung bei den Verkaufszahlen bzw. für mutmaßlich gesunkene Verkaufszahlen der Antragsgegnerin sprechen sollen, reichen diese erst Recht nicht aus, um eine Alleinstellung darzutun. Das gilt z.B. für die in der Presse veröffentlichen Zahlen zum Gesamtumsatz und für die im letzten Jahr verschlechterte Bewertung der Bodyguard-Matratze im Test der Stiftung Warentest. Die aus diesen Umständen abgeleiteten Überlegungen lassen nicht zuverlässig darauf schließen, dass die Emma One die meistverkaufte Matratze ist. Es kann z.B. nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Matratzenkäufer die aktuellen Testergebnisse kennt oder seine Kaufentscheidung allein daran orientiert. Die entsprechenden Ausführungen sind spekulativ und laufen auf Mutmaßungen hinaus.

(6) Auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob der Vorsprung der Antragsgegnerin hinreichend deutlich und stetig ist und ob an diesem Erfordernis für Allein- und Spitzenstellungswerbungen überhaupt festzuhalten ist, kommt es bei dieser Sachlage nicht an. Die behauptete Alleinstellung trifft unabhängig davon nicht zu, ob der Vorsprung deutlich und stetig ist.

cc) Die Irreführung ist geeignet, geschäftliche Entscheidungen von Verbrauchern zu beeinflussen. Ist das Produkt eines Herstellers Spitzenreiter bei den Verkaufszahlen, spricht das aus Sicht der Verbraucher dafür, dass es Vorteile gegenüber den Produkten der Mitbewerber bietet.

3. Der Antragstellerin steht gegen die Antragsgegnerin ein Anspruch auf Unterlassung aus §§ 8 Abs. 1, 3, 5 Abs. 1 UWG zu, zu suggerieren, ihre Testsieger-Matratze sei zugleich die meistverkaufte Matratze, wie geschehen in den Anzeichen nach Anlage AS 2 (Antrag 2.).

a) Im Rahmen einer Google-Adword-Anzeige wirbt die Antragsgegnerin mit der hervorgehobenen Überschrift „Emma One Matratzen Testsieger – Deutschlands Meistverkaufte“. Im darunter befindlichen Text heißt es wie folgt: „Emma One Testsieger 10/19 90×200 hart & meistverkaufte Matratzenserie der letzten 12 Monate.“ Die Wörter „Emma One“ und „meistverkaufte“ sind fett gedruckt.

b) Durch diese Angaben wird der unzutreffende Eindruck erweckt, gerade das Testsieger-Produkt, also die Emma One „90×200 hart“, sei die meistverkaufte Matratze. Entgegen der Ansicht des Landgerichts kann nicht angenommen werden, dass der Durchschnittsverbraucher aus dem Kontext der Werbung erkennt, dass die Angabe „meistverkaufte“ getrennt von der Angabe „Testsieger“ zu betrachten ist. Insbesondere wird der Durchschnittsverbraucher die Anzeige nicht dahingehend analysieren, dass „meistverkaufte“ auf eine (ganze) Matratzenserie bezogen ist, während der Testsieg ein einzelnes Modell aus der Serie betrifft. Eine solche Überlegung liegt schon deshalb nicht nahe, weil in der Überschrift nicht von einer Serie, sondern von „Deutschlands Meistverkaufte“ die Rede ist. Diese Angabe wird der Verkehr gedanklich mit dem Begriff „Matratze“, nicht „Matratzenserie“ verknüpfen. Wenn er den Text unter der Überschrift liest, wird dieser Eindruck nicht richtiggestellt. Sofern ihm die Begrifflichkeit „Matratzenserie“ überhaupt auffällt, was fraglich ist, wird er daraus nicht ableiten, dass die Serie auch andere Matratzen beinhalten muss, als jene, die den Testsieg errungen hat. Er weiß nämlich gar nicht, ob Gegenstand des Tests nur ein einziges oder mehrere Varianten des Matratzenmodells Emma One „90×200 hart“ waren. Auf die von den Parteien aufgeworfene Frage, ob die Überschrift nach den Grundsätzen der Blickfangwerbung zu beurteilen ist, kommt es bei dieser Sachlage nicht an.

4. Der Antragstellerin steht gegen die Antragsgegnerin ein Anspruch auf Unterlassung §§ 8 Abs. 1, 3, 5a Abs. 2 UWG zu, mit einem Testergebnis ohne Angabe der Fundstelle zu werben (Antrag 3.).

a) Nach § 5a Abs. 2 UWG handelt unlauter, wer die Entscheidungsfreiheit von Verbrauchern im Sinne des § 3 Abs. 2 UWG dadurch beeinflusst, dass er eine Information vorenthält, die im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände wesentlich ist. Dazu gehört bei der Werbung mit Testergebnissen die eindeutige und leicht zugängliche Angabe der Fundstelle, um dem Verbraucher eine einfache Möglichkeit zu eröffnen, den Test selbst zur Kenntnis zu nehmen. Fehlt es daran, beeinträchtigt dies seine Möglichkeit, die testbezogene Werbung zu prüfen und insbesondere in den Gesamtzusammenhang des Tests einzuordnen. Dadurch wird die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte geschäftliche Entscheidung im Sinne des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG zu treffen, spürbar beeinträchtigt. Bei einer Werbung für ein Produkt mit einem Testergebnis im Internet muss die Fundstelle entweder bereits deutlich auf der ersten Bildschirmseite dieser Werbung angegeben werden oder jedenfalls ein deutlicher Sternchenhinweis den Verbraucher ohne weiteres zu der Fundstellenangabe führen (BGH GRUR 2010, 248Rn 31, 32 – Kamerakauf im Internet; BGH GRUR 2016, 1076 Rn 16 – 53 – LGA tested). Dem Sternchenhinweis kommt ein – als solcher klar erkennbarer – Link gleich, der ersichtlich zu einer weiteren Aufklärung über das Testergebnis führt (vgl. OLG Frankfurt am Main WRP 2016, 1024).

b) Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin gilt die Pflicht zur Fundstellenangabe nicht nur bei Angeboten im Sinne des § 5a Abs. 3 UWG, in denen die Merkmale und der Preis eines Produkts schon so konkret angegeben werden, dass ein durchschnittlicher Verbraucher das Geschäft abschließen kann. Um eine solche Werbung handelt es sich bei den Google-Anzeigen nach Anlage AS 2 nicht.

c) Vorliegend findet sich in den Google-Anzeigen weder eine Fundstellenangabe noch ein Link, welcher der Angabe „Testsieger“ zugeordnet ist. Entgegen der Ansicht des Landgerichts genügt es nicht, dass man beim Anklicken der Google-Anzeige zu einer Seite geführt wird, auf der das Testsiegel erscheint (vgl. Bl. 260 d.A.). Erforderlich ist vielmehr, dass das Testergebnis der Stiftung Warentest selbst in der (Google)-Werbeanzeige mit einem Fundstellenhinweis oder einem Link versehen ist. Denn die Angabe der Testfundstelle muss für den Verbraucher auf Grund der Gestaltung der Werbung leicht auffindbar sein (BGH GRUR 2010, 631 – Kamerakauf im Internet; BGH GRUR 2019, 631 – Das beste Netz). Der Fundstellenhinweis auf einer mit der Anzeige allgemein verlinkten Seite steht einem auf das Testergebnis bezogenen „Sternchenhinweis“ oder Link nicht gleich. Auf der verlinkten Seite erwartet der Verbraucher nicht ohne weiteres eine nähere Aufklärung über das Testergebnis. Er klickt die Anzeige also nicht deshalb an, um Informationen zu dem Test zu finden. Klickt er die Anzeige an, um die verlinkte Webseite der Antragsgegnerin zu besuchen, hat er bereits die durch die Anzeige bewirkte, uninformierte geschäftliche Entscheidung getroffen. Er hat sich entschieden, sich mit dem Angebot der Antragsgegnerin näher zu befassen (ebenso: OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.7.2020, I-20 U 156/20, Anlage AS 11).

d) Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht des Landgerichts auch nicht aus der Art des verwendeten Kommunikationsmittels. Der Verbraucher hat auch im Rahmen einer Google-Anzeige ein Interesse, die testbezogene Werbung zu prüfen. Die Angabe ist auch in diesem Rahmen zumutbar. Es genügt eine deutlich erkennbare Verlinkung der Testangabe bzw. eine wenige Zeichen umfassende Angabe (z.B. „Stiftung Warentest Heft 2/21“)

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

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