Kein Anspruch auf Lieferung bei offensichtlich erkennbarem Preisfehler

15. Mai 2017
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Frau vor Bildschirm beim Online-Shopping Urteil des AG Dortmund vom 21.02.2017, Az.: 425 C 9322/16

Die Geltendmachung eines Lieferanspruchs bei einem fehlerhaften Angebot in einem Online-Shop verstößt gegen Treu und Glauben und ist rechtsmissbräuchlich, wenn für den Käufer erkennbar war, dass es sich um ein fehlerhaftes Angebot handelt und im Verhältnis zum Marktpreis ein deutlich zu niedriger Kaufpreis angegeben war. Grundsätzlich dürfen Käufer Preisfehler in Online-Shops ausnutzen und die Waren zu den günstigeren Preisen kaufen. Bei einer enormen Preisdifferenz muss dem Käufer jedoch klar sein, dass ein Preisfehler vorliegt und ein Anspruch auf Lieferung folglich abgelehnt werden kann.

Amtsgericht Dortmund

Urteil vom 21.02.2017

Az.: 45 C 9322/16

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der klagenden Partei auferlegt.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Lieferung von vier elektrischen Vollkassettenmarkisen.

Die Beklagte vertreibt über die Internetverkaufsplattform „rakuten.de“ elektrische Vollkassenmarkisen. Die Plattform bietet Webshops inklusive Zahlungsverkehrslösung und Übernahme des Risikos von Zahlungsausfällen gegen eine monatliche Grundgebühr sowie eine Verkaufsprovision pro Artikel an. Die Beklagte bewarb die auf Blatt 2 der Gerichtsakte beschriebenen Markisen zum Preis von € 29,90 zuzüglich Versandkosten in Höhe von € 5,99. Das dazugehörige Bild war mit „- 98 %“ überschrieben. Unter dem 30.08.2016 bestellte die Klägerin vier dieser Markisen inklusive Versandkosten zum Gesamtpreis von € 125,59. Am selben Tag ging der Klägerin die Bestellbestätigung mitsamt Widerrufsbelehrung und den AGB der Beklagten zu. In diesen heißt es:

„Angebotsannahme/Vertragsschluss: Durch das automatisierte Versenden der Auftragsbestätigung per E-Mail unmittelbar nach Bestellung, nehmen wir das Angebot (Ihre Bestellung) auf Vertragsschluss an.“

Die Klägerin erhielt eine Rechnung, welche sie unverzüglich bezahlte. Unter dem 05.09.2016 erhielt die Klägerin eine Rückzahlungsbestätigung der Firma S. Mit Schreiben 14.09.2016 teilte die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigen der Beklagten mit, dass sie auf Erfüllung des Kaufvertrages besteht und forderte die Beklagte auf, die Ware bis zum 23.09.2016 zu liefern.

Die Beklagte erwiderte mit E-Mail vom 16.09.2016 den Kaufvertrag angefochten zu haben und übersandte dazu den Ausdruck des E-Mail Ausgangspostfachs. Unter dem 27.09.2016 wurde die Beklagte erneut zur Lieferung aufgefordert. Diese erfolgte nicht.

Die Klägerin behauptet, dass ihr niemals eine Anfechtungserklärung der Beklagten zugegangen sei. Darüber hinaus ist sie der Ansicht es liege kein Anfechtungsgrund vor.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vier elektrische Vollkassettenmarkisen aus verstärktem Material und einer genau spezifizierten Ausstattung zu liefern.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, dass die Ware fälschlicherweise zu einem Angebotspreis von € 29,90 auf die beschriebene Internethandelsplattform eingestellt worden sei. Sie behauptet, die korrekte Preisangabe hätte eine UVP in Höhe von € 2.990,00 und sodann einen reduzierten Preis von € 1.499,00 auszeichnen sollen. Durch das versehentliche Setzen eines Kommas bei der Eingabe des Preises von € 2.990,00 sei dieser zu € 29,90 eingestellt worden.

Sie behauptet des Weiteren, einen Tag nach dem Eingang der Bestellung der Klägerin, am 31.08.2016, den Fehler bemerkt und sogleich eine Anfechtungserklärung per E-Mail an die von der Klägerin mitgeteilte E-Mail-Adresse versandt zu haben. Diese sei der Klägerin auch zugegangen.

Sie ist der Ansicht, dass aufgrund der falschen Preisauszeichnung ein Anfechtungsgrund vorlag. Ferner meint die Beklagte das Festhalten an der Vertragserfüllung sei auch treuwidrig. Der Klägerin sei ersichtlich gewesen, dass eine derart hochwertige Markise nicht zu einem Verkaufspreis von € 29,90 verkauft werden sollte.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig aber unbegründet.

I.

Die Parteien haben ursprünglich einen Kaufvertrag über die Lieferung von vier elektrischen Vollkassettenmarkisen geschlossen. Durch die automatisierte Auftragsbestätigung wurde gemäß den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten das Angebot der Klägerin über den Kauf der vier Markisen zu einem Stückpreis von € 29,90 angenommen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte ihre Willenserklärung wirksam gem. § 123 BGB angefochten hat oder ob in der Verweigerung der Lieferung nicht eine konkludente Anfechtungserklärung zu sehen ist (OLG Stuttgart Urt. v. 10.8.2006 – 12 U 91/06 (juris)). Die sehr teure Beweisaufnahme über die Frage, ob eine Anfechtungserklärung der Klägerin tatsächlich zugegangen ist kann unterbleiben, weil die Klage auch bei unterbliebenem Zugang der Erklärung unbegründet ist.

II.

Das Festhalten der Klägerin an der Vertragserfüllung ist nämlich treuwidrig, § 242 BGB.

Treu und Glauben bilden eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung. Eine hiergegen verstoßende Rechtsausübung oder Ausnutzung einer Rechtslage ist unzulässig. Ein solcher Rechtsmissbrauch liegt vor, wenn der Rechtsausübung kein schutzwürdiges Eigeninteresse zugrunde liegt (vgl. Grüneberg in: Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 242 Rn. 38, 50).

Ein günstiges Angebot in einem Internetshop nutzen zu wollen ist grundsätzlich nicht zu beanstanden und auch nicht treuwidrig. Angesichts des enormen Preisunterschieds zur angegeben UVP des Herstellers und vergleichbarer Angebote von Markisen, muss für die Klägerin allerdings offensichtlich gewesen sein, dass es sich bei der Preisgestaltung nur um einen Fehler handeln kann (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 10.06.2009 -14 U 622/09 – OLGR 2009, 645; LG München I, Urteil vom 29.04.2014 – Az. 12 O 11274/13; ähnlich OLG München, Beschluss vom 15.11.2002 – Az. 19 W 2631/02; OLG Düsseldorf  NJW-RR 2016, 1074; a.A. AG Hamburg-Barmbeck MMR 2004, 772). Auch die Anzeige der vermeintlich richtigen Reduzierung des Preises um volle 98 % lässt objektiv nicht den Schluss der Richtigkeit der Angaben zu. Gerade diese Verdeutlichung des Preisunterschiedes macht den Fehler der Beklagten noch offensichtlicher.

Diesen wollte sich die Klägerin auch durch die Bestellung gleich vier 4,50 m x 3,00 m Markisen eindeutig zu Nutze machen. Sie wollte den erkennbaren Fehler der anderen Seite dadurch ausnutzen, dass sie gleich vier Markisen bestellte. Dadurch wurde der Schaden auf Seiten der Beklagten vergrößert.

Das Festhalten der Klägerin an der Vertragsgestaltung erscheint daher unbillig und rechtsmissbräuchlich, sodass nach Ansicht des Gerichts in Übereinstimmung mit der wohl überwiegenden Meinung in der Rechtsprechung der Händler gemäß Treu und Glaube nicht zur Lieferung verpflichtet ist.

Ob die Beklagte unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluss ggf. verpflichtet ist, der Klägerin ihren Schaden zu ersetzen, kann dahingestellt bleiben, weil die Klägerin einen solchen Schaden vorliegend z.B. in Form ihrer vorgerichtlichen Anwaltskosten nicht geltend gemacht hat (AG Lahr NJW 2005, 991).

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO.

1 Kommentar

  1. Till Wollheim, 17. Mai 2017

    In Deutschland gilt die Preisangabe in einem Geschäft stets (aus eben diesem Grunde) nicht als Angebot, sondern als invitatio ad offerendum. Das schreiben die Shops zusätzlich auch in ihre AGBs. Häufig so: „ein Vertrag kommt dadurch zustande, daß wir die Sache an Sie versenden oder Ihnen ausdrücklich den Verkauf bestätigen“.
    Hier hätte es sich der Händler viel leichter machen können wenn er *lediglich* eine Eingangsbestätigung versandt hätte und die zügige Bearbeitung angekündigt hätte.

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