Kein Urheberrechtsschutz bei Nachbauten einer Neuzusammensetzung

15. Februar 2024
[Gesamt: 2   Durchschnitt:  5/5]
151 mal gelesen
0 Shares
Ausschnitt aus dem Urheberrechtsgesetz Urteil des BGH vom 09.11.2023, Az.: I ZR 203/22

Der Bundesgerichtshof wies die Revision der Kinder und Erben eines Architekten gegen eine Vertreiberin eines Tischgestells zurück, da keine Verletzung des Urheberrechts durch inhaltliche Änderung des Werks bzw. keine Verletzung der urheberpersönlichkeitsrechtlichen Rechte gegen Entstellung (§ 14 UrhG) in Betracht kommen. Konkret ging es darum, dass die Beklagte ein Tischgestell vertrieb, dessen Urstück durch Zersägen und erneutem Zusammensetzen eines Exemplars entstand, welches der Architekt geschaffen hatte. Nach Beurteilung des OLG Frankfurt a.M. und dem BGH steht den Klägern kein Anspruch aus dem Urheberrechtsgesetz zu, da der urheberrechtliche Schutz des ursprünglichen Tischgestells, der vor allem auf seinen diagonalen Kreuzstreben beruhte, nicht mehr gegeben ist, wenn durch die Herstellung eines neuen Tisches ein neuer Gesamteindruck entsteht. Außerdem liegt keine Entstellung des Originaltisches vor, da die Klage gegen den Vertrieb des neuen Tisches gerichtet ist und deren Herstellung nicht durch regelmäßige Zerlegung und Neuzusammensetzung des Originaltisches erfolgt. Dies geschah nur bei dem ersten Tisch und die Nachbauten sind damit so einzustufen, wie wenn der Originaltisch nur in der Vorstellung des Neuschaffenden zerlegt und das neue Tischgestell mit neuen Materialien hergestellt worden sei.

Bundesgerichtshof

Urteil vom 09.11.2023

Az.: I ZR 203/22

Leitsatz

E2

  1. Ein Anspruch, der auf einen einheitlichen Lebenssachverhalt gestützt wird und der sowohl im Urheberpersönlichkeitsrecht (hier: § 97 Abs. 2 in Verbindung mit § 13 Satz 1 und § 14 UrhG) als auch im Urheberverwertungsrecht wurzelt (hier: § 97 Abs. 2 in Verbindung mit § 15 ff. UrhG), stellt einen einheitlichen Streitgegenstand dar.
  2. Eine Verletzung des Urheberrechts durch die (inhaltliche) Änderung eines Werks als solche kommt weder unter dem Gesichtspunkt der Verwertungsrechte (§§ 15 ff. UrhG) noch demjenigen des Urheberpersönlichkeitsrechts (§ 13 Satz 1, § 14 UrhG) in Betracht, wenn es sich bei der (inhaltlichen) Änderung um eine freie Benutzung im Sinne von § 24 Abs. 1 UrhG aF, § 23 Abs. 1 Satz 2 UrhG nF handelt, weil der Gesamteindruck der neuen Gestaltung vom Gesamteindruck des älteren Werks in der Weise abweicht, dass die den Urheberrechtsschutz des älteren Werks begründenden Elemente im Rahmen der Gesamtschau in der neuen Gestaltung verblassen, also nicht mehr wiederzuerkennen sind, so dass die neue Gestaltung nicht in den Schutzbereich des älteren Werks eingreift.
  3. Die urheberpersönlichkeitsrechtlichen Rechte gegen Entstellung (§ 14 UrhG) und auf Anerkennung der Urheberschaft (§ 13 UrhG) schützen allein die Beziehung des Urhebers zu seinem Werk, also zu einem von ihm geschaffenen konkreten Werk und nicht zu seinem gesamten Werkschaffen. Das Interesse des Urhebers, die wahrheitswidrige Zuschreibung der Urheberschaft an einer nicht von ihm geschaffenen Gestaltung zu verhindern und sich und seinem Werkschaffen nicht fremde Gestaltungen zurechnen lassen zu müssen, kann im Falle von Identitätsverwirrungen durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder das lauterkeitsrechtliche Irreführungsverbot geschützt sein, nicht aber durch das Urheberpersönlichkeitsrecht (Festhaltung an BGH, Urteil vom 8. Juni 1989 – I ZR 135/87, BGHZ 107, 384 [juris Rn. 30] – Emil Nolde; Klarstellung zu BGH, Urteil vom 1. Oktober 1998 – I ZR 104/96, GRUR 1999, 230 [juris Rn. 30] – Treppenhausgestaltung, Urteil vom 13. Oktober 1988 – I ZR 15/87, GRUR 1989, 106 [juris Rn. 17] – Oberammergauer Passionsspiele II und Urteil vom 7. Februar 2002 – I ZR 304/99, BGHZ 150, 32 [juris Rn. 46] – Unikatrahmen).

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 29. November 2022 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Kläger sind die Kinder und (verbliebenen) Erben des am 19. Juli 1970 verstorbenen Architekten Egon Eiermann. Sie machen im Wege der Stufenklage Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte wegen des Vertriebs des Tischgestells „E2“ geltend. Dieses Tischgestell wurde von Adam Wieland unter Verwendung eines 1953 von Egon Eiermann entworfenen Tischgestells (nachfolgend: „Gestell 1953“) geschaffen, das über eine raumdiagonale Kreuzverstrebung verfügt und wie folgt aussieht:

Adam Wieland hatte das Urstück des heutigen „E2“ im Jahr 1965 durch Zersägen und erneutes Zusammensetzen eines Exemplars des von Egon Eiermann geschaffenen Tischmodells hergestellt. Die Querstreben des „E2“ verlaufen (wie im Klageantrag abgebildet) – anders als die des Gestells 1953 – nicht raumdiagonal, sondern in einer Ebene. Mit Blick auf die raumdiagonal angebrachten Querstreben des „Gestells 1953“ hat sich der Merksatz etabliert „Stößt Du Dir die Beine an, sitzt Du an ’nem Eiermann“.

Die Kläger sehen in dem Vertrieb des „E2“ eine Verletzung ihres Urheberrechts am „Gestell 1953“. Sie haben – soweit für den Rechtsstreit noch von Bedeutung – zuletzt beantragt, die Beklagte im Wege der Stufenklage zu verurteilen,

  1. ihnen unter Vorlage der entsprechenden Rechnungen Auskunft zu erteilen über den Umfang der Verwertung des nachfolgend eingeblendeten Tischmodells „E2“ mit mittiger oder versetzter Kreuzverstrebung

nämlich seit Vertriebsbeginn im Jahr 2009 bis zum 31. Dezember 2019, und zwar über die Anzahl der hergestellten und abgesetzten Tischgestelle sowie über die mit dem Absatz der Tischgestelle erzielten Netto-Umsätze;

  1. erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben an Eides statt zu versichern;
  2. an sie Schadensersatz in einer nach Erteilung der Auskunft noch zu bestimmenden Höhe nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pro Jahr seit Rechtshängigkeit, höchstens jedoch 100.000 €, zu zahlen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren haben die Kläger erklärt, ihre Klage (wegen eines inzwischen mit einem Drittunternehmen geschlossenen Vertrags über die Einräumung ausschließlicher Nutzungsrechte) nicht mehr auf die Verletzung von Verwertungsrechten nach §§ 15 ff. UrhG, sondern allein auf eine Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts durch Entstellung nach § 14 UrhG zu stützen. Das Berufungsgericht hat die KIäger ihrer Berufung, mit der diese ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgten, infolge teilweiser Rücknahme für verlustig erklärt, soweit sie Ansprüche wegen einer Verletzung urheberrechtlicher Verwertungsrechte betraf, und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen.

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgen die Kläger ihre Klageanträge weiter.

 

Entscheidungsgründe

A. Das Berufungsgericht hat den von den Klägern verfolgten Auskunftsanspruch für unbegründet erachtet und hierzu ausgeführt:

Ein für den Erfolg des Auskunftsanspruchs erforderlicher Schadensersatzanspruch könne nicht mit der Erwägung begründet werden, Adam Wieland habe bei Herstellung des Urstücks des „E2“ in die körperliche Substanz des von Egon Eiermann gefertigten „Gestells 1953“ eingegriffen. Denn Gegenstand der Klage seien nicht Ansprüche wegen der Herstellung und des Vertriebs dieses Urstücks, sondern seiner zahlreichen Nachbauten, die nicht durch Veränderungen an einem zuvor angefertigten „Gestell 1953“ produziert worden seien.

An einer für eine Entstellung im Sinne von § 14 UrhG erforderlichen, in die geistige Substanz des „Gestells 1953“ eingreifenden Änderung des geistig-ästhetischen Gesamteindrucks fehle es. Die Einordnung des „Gestells 1953“ als urheberrechtlich schutzfähiges Werk komme allenfalls aufgrund der diagonal angebrachten Kreuzstreben in Betracht. Das Modell „E2“ stelle jedoch keine abhängige Bearbeitung oder Umgestaltung des „Gestells 1953“ im Sinne von § 23 Satz 1 und 2 UrhG aF dar, weil der „E2“ das den Gesamteindruck des „Gestells 1953“ prägende eigenschöpferische Merkmal der diagonalen Kreuzverstrebung nicht aufweise, so dass eine Verletzung des Urheberrechts am „Gestell 1953“ nicht festgestellt werden könne.

Da schon die Prüfung des Auskunftsanspruchs ergebe, dass der Hauptanspruch nicht bestehe, sei die Stufenklage insgesamt abzuweisen.

B. Die Revision ist zulässig (dazu nachfolgend B I), hat aber in der Sache keinen Erfolg (dazu nachfolgend B II).

I. Die Revision ist zulässig, insbesondere haben die Kläger mit der Einlegung der Revision ein wirksames Revisionsverfahren eingeleitet. Sie haben gegen das landgerichtliche Urteil wirksam Berufung eingelegt, so dass es nicht bereits rechtskräftig ist.

1. Die Zulässigkeit der Berufung ist vom Revisionsgericht von Amts wegen zu überprüfen. Ein gültiges und rechtswirksames Verfahren vor dem Revisionsgericht ist nur möglich, solange das Verfahren noch nicht rechtskräftig beendet ist. Das setzt neben der Zulässigkeit der Revision voraus, dass das erstinstanzliche Urteil durch eine zulässige Berufung angegriffen worden und die Rechtskraft dieses Urteils damit in der Schwebe gehalten ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 14. Juli 2022 – I ZR 121/21, GRUR 2022, 1675 [juris Rn. 19 bis 20] = WRP 2022, 1519 – Google-Drittauskunft, mwN).

2. Die Kläger haben gegen das Urteil des Landgerichts, mit dem dieses die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche auf Auskunft und Schadensersatz als unter sämtlichen geltend gemachten rechtlichen Gesichtspunkten unbegründet abgewiesen hat, wirksam Berufung eingelegt.

a) Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 4 ZPO muss die Berufungsbegründung die bestimmte Bezeichnung der im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) enthalten. Die Rechtsmittelbegründung muss danach geeignet sein, die erstinstanzliche Entscheidung im Umfang der Anfechtung in Frage zu stellen. Bei mehreren Streitgegenständen oder einem teilbaren Streitgegenstand hat sie sich daher grundsätzlich auf alle Teile des Urteils zu erstrecken, hinsichtlich derer eine Abänderung beantragt ist; andernfalls ist das Rechtsmittel für den nicht begründeten Teil unzulässig (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 7. Januar 2021 – III ZR 127/19, BGHZ 228, 115 [juris Rn. 12]; Beschluss vom 5. Juli 2022 – VIII ZR 137/21, NJW 2022, 3010 [juris Rn. 24], jeweils mwN).

b) Danach war die von den Klägern eingelegte Berufung, die sich nach Antrag und Begründung gegen die Abweisung der geltend gemachten Ansprüche auf Auskunft und Schadensersatz richtete und so der Häufung dieser Ansprüche Rechnung trug, zulässig. Es war nicht erforderlich, ihre Begründung neben der Erstreckung auf die Verletzung von Verwertungsrechten (§§ 15 ff. UrhG) auch auf die Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts (§ 14 UrhG) zu stützen, weil diese Ausprägungen des Urheberrechts keine Mehrheit von Streitgegenständen begründen.

aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird der Streitgegenstand durch den Klageantrag, in dem sich die von der Klagepartei in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt, aus dem die Klagepartei die begehrte Rechtsfolge herleitet (BGH, Urteil vom 13. September 2012 – I ZR 230/11, BGHZ 194, 314 [juris Rn. 18] – Biomineralwasser; Urteil vom 12. März 2020 – I ZR 126/18, BGHZ 225, 59 [juris Rn. 25] – WarnWetter-App, jeweils mwN).

Zu dem Lebenssachverhalt, der die Grundlage der Streitgegenstandsbestimmung bildet, rechnen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs alle Tatsachen, die bei einer vom Standpunkt der Parteien ausgehenden natürlichen Betrachtungsweise zu dem durch den Vortrag der Klagepartei zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören. Von einem einheitlichen Streitgegenstand ist auszugehen, wenn der Tatsachenstoff nicht sinnvoll auf verschiedene eigenständige, den Sachverhalt in seinem Kerngehalt verändernde Geschehensabläufe aufgeteilt werden kann, selbst wenn diese einer eigenständigen rechtlichen Bewertung zugänglich sind. Der Streitgegenstand wird damit durch den gesamten historischen Lebensvorgang bestimmt, auf den sich das Rechtsschutzbegehren der Klagepartei bezieht, unabhängig davon, ob einzelne Tatsachen dieses Lebenssachverhalts von den Parteien vorgetragen worden sind oder nicht, und auch unabhängig davon, ob die Parteien die nicht vorgetragenen Tatsachen des Lebensvorgangs kannten und hätten vortragen können. Eine Mehrheit von Streitgegenständen liegt dagegen vor, wenn die materiell-rechtliche Regelung die zusammentreffenden Ansprüche durch eine Verselbständigung der einzelnen Lebensvorgänge erkennbar unterschiedlich ausgestaltet (BGHZ 194, 314 [juris Rn. 19] – Biomineralwasser; BGH, Urteil vom 5. Oktober 2017 – I ZR 184/16, GRUR 2018, 203 [juris Rn. 17] = WRP 2018, 190 – Betriebspsychologe; Urteil vom 11. Oktober 2017 – I ZR 78/16, GRUR 2018, 431 [juris Rn. 12] = WRP 2018, 413 – Tiegelgröße; BGHZ 225, 59 [juris Rn. 26] – WarnWetter-App).

bb) Nach § 11 UrhG schützt das Urheberrecht den Urheber in seinen geistigen und persönlichen Beziehungen zum Werk und in der Nutzung des Werks (Satz 1) und dient zugleich der Sicherung einer angemessenen Vergütung für die Nutzung des Werks (Satz 2). Damit folgt das deutsche Urheberrecht der monistischen Theorie, nach der das Urheberrecht ein einheitliches Recht ist, in dem persönlichkeits- und vermögensrechtliche Befugnisse untrennbar miteinander verwoben sind (grundlegend E. Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, 3. Aufl., S. 113 bis 116; vgl. auch Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 9. Aufl., Rn. 343 f.).

Ein Anspruch, der – wie der vorliegend in erster Instanz geltend gemachte Schadensersatzanspruch (§ 97 Abs. 2 in Verbindung mit § 14 und §§ 15 ff. UrhG) oder Auskunftsanspruch (§ 242 BGB in Verbindung mit den vorgenannten Vorschriften) – auf einen einheitlichen Lebenssachverhalt gestützt wird und der sowohl im Urheberpersönlichkeitsrecht als auch im Urheberverwertungsrecht wurzelt, umfasst danach nicht eine Mehrheit von materiell-rechtlich verselbständigten Schutzrechten, sondern ein einheitliches Schutzrecht und ist somit als einheitlicher Streitgegenstand anzusehen.

 

II. Die Revision ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen des geltend gemachten Auskunftsanspruchs zutreffend § 97 Abs. 2 und § 14 UrhG in Verbindung mit § 242 BGB entnommen (dazu nachfolgend B II 1). Seine Beurteilung der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit des „Gestells 1953“ ist frei von Rechtsfehlern (dazu nachfolgend B II 2). Auch die Beurteilung des Berufungsgerichts, das von der Beklagten vertriebene Tischmodell sei keine Entstellung des Originaltischs im Sinne des § 14 UrhG, hat im Ergebnis Bestand (dazu nachfolgend B II 3). Die geltend gemachten Ansprüche sind weiter nicht nach § 97 Abs. 2 und § 13 UrhG in Verbindung mit § 242 BGB (dazu nachfolgend B II 4), aufgrund einer Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts des Egon Eiermann (dazu nachfolgend B II 5) oder lauterkeitsrechtlich begründet (dazu nachfolgend B II 6).

1. Nach § 97 Abs. 2 UrhG ist, wer eine Handlung nach § 97 Abs. 1 UrhG – die widerrechtliche Verletzung des Urheberrechts oder eines anderen nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Rechts – vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Die Kläger berufen sich im Streitfall nicht mehr auf eine Verletzung der urheberrechtlichen Verwertungsrechte, sondern allein noch des Urheberpersönlichkeitsrechts in der Erscheinungsform des Schutzes vor einer Entstellung oder anderen Beeinträchtigung des Werks im Sinne des § 14 UrhG. Die schuldhafte Verletzung des § 14 UrhG begründet die Schadensersatzpflicht nach § 97 Abs. 2 UrhG (vgl. nur Peukert/v. Ungern-Sternberg in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl., § 14 UrhG Rn. 43; Dustmann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 12. Aufl., § 14 UrhG Rn. 79; Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, 7. Aufl., § 14 Rn. 44) und nach § 242 BGB die Pflicht zur Auskunft zwecks Bezifferung dieses Schadensersatzanspruchs (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juli 2022 – I ZR 141/20, GRUR 2022, 1427 [juris Rn. 68] = WRP 2022, 1125 – Elektronischer Pressespiegel II, mwN). Für die Beurteilung der Auskunfts- und Schadensersatzpflicht ist auf die Rechtslage zur Zeit der Vornahme der beanstandeten Handlung abzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 2018 – I ZR 187/16, GRUR 2018, 832 [juris Rn. 45] = WRP 2018, 950 – Ballerinaschuh).

2. Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen den vom Berufungsgericht unterstellten Umfang des urheberrechtlichen Schutzes für den Originaltisch als Werk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG.

a) Das Berufungsgericht hat angenommen, das „Gestell 1953“ könne allenfalls aufgrund der diagonal angebrachten Kreuzstreben als urheberrechtlich schutzfähiges Werk eingeordnet werden. Sein Gesamteindruck werde zwar auch durch die auf das Wesentliche beschränkte, minimalistische Gestaltung geprägt. Der Stil als solcher sei aber nicht schutzfähig und die diagonale Querverstrebung sei – wie ein Gussgestell aus dem 19. Jahrhundert zeige – als solche schon vorher bekannt gewesen. Der geistig-ästhetische Gesamteindruck des „Gestells 1953“ werde deshalb durch die Kreuzverstrebung in Verbindung mit der minimalistischen Gestaltung des Gestells geprägt. Vor diesem Hintergrund könne offenbleiben, ob das „Gestell 1953“ die notwendige Schöpfungshöhe aufweise. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

b) Nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG gehören Werke der bildenden Kunst einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst sowie Entwürfe solcher Werke zu den urheberrechtlich geschützten Werken, sofern sie nach § 2 Abs. 2 UrhG persönliche geistige Schöpfungen sind. Eine persönliche geistige Schöpfung ist eine Schöpfung individueller Prägung, deren ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht hat, dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise von einer „künstlerischen“ Leistung gesprochen werden kann. Dabei kann die ästhetische Wirkung der Gestaltung einen Urheberrechtsschutz nur begründen, soweit sie auf einer künstlerischen Leistung beruht und diese zum Ausdruck bringt (BGH, Urteil vom 7. April 2022 – I ZR 222/20, GRUR 2022, 899 [juris Rn. 28] = WRP 2022, 729 – Porsche 911; Urteil vom 15. Dezember 2022 – I ZR 173/21, GRUR 2023, 571 [juris Rn. 13] = WRP 2023, 591 – Vitrinenleuchte, jeweils mwN).

In der Sache entsprechen diese Maßstäbe dem unionsrechtlichen Begriff des urheberrechtlich geschützten Werks im Sinne der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (BGH, GRUR 2022, 899 [juris Rn. 29] – Porsche 911, mwN). Dabei handelt es sich um einen autonomen Begriff des Unionsrechts, der in der gesamten Union einheitlich auszulegen und anzuwenden ist (EuGH, Urteil vom 13. November 2018 – C-310/17, GRUR 2019, 73 [juris Rn. 33] = WRP 2019, 55 – Levola Hengelo; Urteil vom 12. September 2019 – C-683/17, GRUR 2019, 1185 [juris Rn. 29] = WRP 2019, 1449 – Cofemel). Für die Einstufung eines Objekts als Werk müssen zwei kumulative Voraussetzungen erfüllt sein. Zum einen muss es sich bei dem betreffenden Gegenstand um ein Original in dem Sinne handeln, dass er eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellt (EuGH, GRUR 2019, 73 [juris Rn. 36] – Levola Hengelo; GRUR 2019, 1185 [juris Rn. 29] – Cofemel; EuGH, Urteil vom 11. Juni 2020 – C-833/18, GRUR 2020, 736 [juris Rn. 22] = WRP 2020, 1006 – Brompton Bicycle). Ein Gegenstand ist ein Original, wenn er die Persönlichkeit seines Urhebers widerspiegelt, indem er dessen freie kreative Entscheidungen zum Ausdruck bringt. Davon kann nicht ausgegangen werden, wenn die Schaffung eines Gegenstands durch technische Erwägungen, durch Regeln oder durch andere Zwänge bestimmt wurde, die der Ausübung künstlerischer Freiheit keinen Raum gelassen haben (EuGH, GRUR 2019, 1185 [juris Rn. 30 f.] – Cofemel; GRUR 2020, 736 [juris Rn. 23 f.] – Brompton Bicycle). Zum anderen ist die Einstufung als Werk Elementen vorbehalten, die eine solche Schöpfung zum Ausdruck bringen (EuGH, GRUR 2019, 73 [juris Rn. 36 f.] – Levola Hengelo; GRUR 2019, 1185 [juris Rn. 29] – Cofemel; GRUR 2020, 736 [juris Rn. 22] – Brompton Bicycle).

Für die Anwendung der vorstehenden Grundsätze ist es unerheblich, dass das „Gestell 1953“ vor dem Inkrafttreten der hier maßgeblichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes am 1. Januar 1966 (§ 143 Abs. 2 UrhG) gestaltet worden ist. Nach der Übergangsbestimmung des § 129 Abs. 1 Satz 1 UrhG sind die Vorschriften des Urheberrechtsgesetzes auf die vor seinem Inkrafttreten geschaffenen Werke anzuwenden, es sei denn, dass die Werke zu diesem Zeitpunkt urheberrechtlich nicht geschützt sind oder dass im Urheberrechtsgesetz sonst etwas anderes bestimmt ist. Im Hinblick darauf, dass Werke der angewandten Kunst nach § 2 des am 1. Juli 1907 in Kraft getretenen Kunsturhebergesetzes Urheberrechtsschutz genossen, ergeben sich hinsichtlich der Anforderungen an die Werkqualität grundsätzlich zwischen dem geltenden und dem früheren Recht keine Unterschiede (vgl. BGH, GRUR 2022, 899 [juris Rn. 30] – Porsche 911).

Ob den Anforderungen, die an schutzfähige Werke zu stellen sind, im Einzelfall genügt ist, bleibt weitgehend eine Frage tatgerichtlicher Würdigung (BGH, Urteil vom 27. Januar 1983 – I ZR 177/80, GRUR 1983, 377 [juris Rn. 15] = WRP 1983, 484 – Brombeer-Muster; Urteil vom 10. Dezember 1986 – I ZR 15/85, GRUR 1987, 903 [juris Rn. 27] – Le Corbusier-Möbel; Urteil vom 22. Juni 1995 – I ZR 119/93, GRUR 1995, 581 [juris Rn. 13] = WRP 1995, 908 – Silberdistel). Es ist in der Revisionsinstanz jedoch zu überprüfen, ob die Beurteilung des Berufungsgerichts von den von ihm getroffenen Feststellungen getragen wird. Hierzu muss das Berufungsurteil eine revisionsrechtlich nachprüfbare Begründung enthalten. Erforderlich ist vor allem, dass der für die Feststellung der Schutzfähigkeit entscheidende Gesamteindruck und die ihn tragenden einzelnen Elemente nachvollziehbar dargelegt werden (BGH, Urteil vom 16. April 2015 – I ZR 225/12, GRUR 2015, 1189 [juris Rn. 47] = WRP 2015, 1507 – Goldrapper, mwN). Diesen Anforderungen wird die Entscheidung des Berufungsgerichts gerecht.

c) Die Revision rügt vergeblich, das Berufungsgericht habe außer Acht gelassen, dass Urheberrechtschutz nicht nur durch für sich genommen schutzfähige Elemente, sondern auch durch die eine eigenschöpferische Leistung aufweisende Kombination von für sich genommen nicht schutzfähigen Elementen untereinander oder mit einem neuen Element begründet werden könne.

Zwar trifft es zu, dass die Kombination für sich genommen nicht schutzfähiger, weil etwa auf vorbekannten Gestaltungen beruhender Elemente Urheberrechtsschutz erlangen kann, sofern sie in ihrer Gesamtheit eine Schöpfung individueller Prägung darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 27. Februar 1961 – I ZR 127/59, GRUR 1961, 635, 637 – Stahlrohrstuhl; BGH, GRUR 2022, 899 [juris Rn. 60] – Porsche 911).

Mit dieser Rüge zeigt die Revision einen Rechtsfehler des Berufungsgerichts jedoch nicht auf. Dieses hat eine Gesamtbetrachtung des „Gestells 1953“ vorgenommen und ausgeführt, der Gesamteindruck des Modells werde durch die in der Diagonale liegende Kreuzverstrebung in Verbindung mit dem für sich genommen nicht schutzfähigen minimalistischen Stil geprägt. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass allenfalls die Kombination dieser Elemente einen Urheberrechtsschutz des „Gestells 1953“ begründen könne, hat aber offengelassen, ob das „Gestell 1953“ damit die für einen Urheberrechtsschutz notwendige Schöpfungshöhe aufweist. Dies ist für die rechtliche Nachprüfung in der Revisionsinstanz zugunsten der Kläger zu unterstellen.

d) Das Berufungsgericht hat entgegen der Ansicht der Revision auch, wie nach § 286 Abs. 1 ZPO geboten, sämtlichen wesentlichen Verfahrensstoff berücksichtigt. Die Revision rügt vergeblich, das Berufungsgericht habe nicht – wie von den Klägern dargelegt – gewürdigt, dass das „Gestell 1953“ ein puristischer, streng geometrischer, auf Einzelelemente reduzierter Quader mit einer anorganischen Grundform sei. Hiermit setzt sie in revisionsrechtlich unbehelflicher Weise ihre eigene Würdigung an die Stelle der tatgerichtlichen Würdigung, ohne einen Rechtsfehler aufzuzeigen. Dies gilt gleichermaßen für den von der Revision als übergangen gerügten Vortrag, auch die Querstreben bildeten ein deutlich erkennbares, den Quader andeutendes Rechteck, und das als Werkstoff verwendete Stahlrohr betone und verstärke den konstruktiv-technischen, aber gleichzeitig modernen Eindruck, so dass es sich um ein Werk der angewandten Kunst mit hoher Individualität und ästhetischer Kraft handele.

3. Die Revision wendet sich weiter ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, das von der Beklagten vertriebene Tischmodell sei keine Entstellung des Originaltischs im Sinne des § 14 UrhG.

a) Das Berufungsgericht hat angenommen, der Eingriff Adam Wielands in die körperliche Substanz des von Egon Eiermann gefertigten „Gestells 1953“ bei Herstellung des Urstücks des „E2“ rechtfertige nicht die Annahme einer Entstellung im Sinne des § 14 UrhG. Gegenstand der Klage seien nicht Ansprüche wegen der Herstellung und des Vertriebs dieses Urstücks, sondern seiner zahlreichen Nachbauten, die nicht durch Veränderungen an einem zuvor angefertigten „Gestell 1953“ produziert worden seien. Hinsichtlich dieser Nachbauten stelle sich die Rechtslage nicht anders dar, als wenn Adam Wieland das „Gestell 1953“ nur in seiner Vorstellung zerlegt und dann ein dem „E2“ entsprechendes neues Tischgestell aus neuen Materialien hergestellt hätte.

Es fehle auch an einer für die Annahme einer Entstellung im Sinne von § 14 UrhG erforderlichen, in die geistige Substanz des „Gestells 1953“ eingreifenden Änderung des geistig-ästhetischen Gesamteindrucks, weil es sich bei dem Modell „E2“ nicht um eine abhängige Bearbeitung oder Umgestaltung des „Gestells 1953“ im Sinne von § 23 Satz 1 und 2 UrhG aF handele. Bei der Beurteilung komme es auf den Abstand an, der zu den entlehnten eigenpersönlichen Zügen des benutzten Werks eingehalten werde. Es sei auf die Übereinstimmung im Bereich der objektiven Merkmale abzustellen, durch die die schöpferische Eigentümlichkeit des Originals bestimmt werde, und durch Vergleich der sich gegenüberstehenden Werke zu ermitteln, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eigenschöpferische Züge des älteren Werks übernommen worden seien. Maßgebend sei ein Vergleich des jeweiligen Gesamteindrucks der Gestaltungen, in dessen Rahmen sämtliche übernommenen schöpferischen Züge in einer Gesamtschau zu berücksichtigen seien. Soweit die ästhetische Gestaltung dem Gebrauchszweck geschuldet sei, könne sie urheberrechtlichen Schutz nicht begründen. Das „Gestell 1953“ und das Modell „E2“ wiesen zwar insoweit Gemeinsamkeiten auf, als es sich bei beiden um eine minimalistisch wirkende Stahlrohrkonstruktion eines Tischgestells handele. Dem „E2“ fehle jedoch das den Gesamteindruck des „Gestells 1953“ prägende eigenschöpferische Merkmal der diagonalen Kreuzverstrebung. Da das Modell „E2“ die Gestaltung nicht aufweise, in deren Verbindung mit der minimalistischen Gestaltung allenfalls die schöpferische Leistung bei der Gestaltung des „Gestells 1953“ liege, könne eine Verletzung des Urheberrechts am „Gestell 1953“ nicht festgestellt werden. Übernommen werde lediglich der als solcher nicht schutzfähige minimalistische Stil. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

b) Nach § 14 UrhG hat der Urheber das Recht, eine Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung seines Werkes zu verbieten, die geeignet ist, seine berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen am Werk zu gefährden. Diese Vorschrift ist Ausdruck des Urheberpersönlichkeitsrechts, das den Schutz des geistigen und persönlichen Bandes zwischen Urheber und Werk zum Gegenstand hat (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 2019 – I ZR 98/17, BGHZ 221, 181 [juris Rn. 26] – HHole [for Mannheim], mwN). Im Unterschied zum urheberrechtlichen Änderungsverbot, das sich (ausschließlich) gegen eine Verletzung des Bestands und der Unversehrtheit des Werks selbst in seiner konkret geschaffenen Gestaltung richtet (vgl. BGH, Urteil vom 31. Mai 1974 – I ZR 10/73, BGHZ 62, 331 [juris Rn. 24] – Schulerweiterung), schützt das urheberpersönlichkeitsrechtlich ausgestaltete Recht des § 14 UrhG vor einer Beeinträchtigung der geistigen und persönlichen Urheberinteressen nicht nur durch inhaltliche Änderung, sondern auch durch Form und Art der Werkwiedergabe und -nutzung (vgl. BGH, Urteil vom 2. Oktober 1981 – I ZR 137/79, GRUR 1982, 107 [juris Rn. 25] – Kirchen-Innenraumgestaltung; Urteil vom 7. Februar 2002 – I ZR 304/99, BGHZ 150, 32 [juris Rn. 46] – Unikatrahmen; Urteil vom 18. Dezember 2008 – I ZR 23/06, GRUR 2009, 395 [juris Rn. 14] = WRP 2009, 313 – Klingeltöne für Mobiltelefone I; Beschluss vom 11. Mai 2017 – I ZR 147/16, ZUM 2018, 50 [juris Rn. 11]).

aa) Die Beeinträchtigung als in § 14 UrhG genannter Oberbegriff umfasst nicht nur die Verschlechterung oder Abwertung des Werks, sondern schon den Eingriff in den vom Urheber geschaffenen geistig-ästhetischen Gesamteindruck (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 1988 – I ZR 15/87, GRUR 1989, 106 [juris Rn. 12] – Oberammergauer Passionsspiele II; Dustmann in Fromm/Nordemann aaO § 14 UrhG Rn. 12; Schulze in Dreier/Schulze aaO § 14 Rn. 7; Peukert in Schricker/Loewenheim aaO § 14 UrhG Rn. 13); sie schließt die Vernichtung des Werks ein (vgl. BGHZ 221, 181 [juris Rn. 25 bis 30] – HHole [for Mannheim]). Die in § 14 UrhG genannte Entstellung bedeutet eine negativ bewertete Beeinträchtigung etwa durch Verschlechterung, Verzerrung oder Verfälschung des Werks (vgl. BGH, GRUR 1989, 106 [juris Rn. 12] – Oberammergauer Passionsspiele II; BGHZ 221, 181 [juris Rn. 31] – HHole [for Mannheim]; Dustmann in Fromm/Nordemann aaO § 14 UrhG Rn. 9; BeckOK.Urheberrecht/Götting, 39. Edition [Stand: 1. August 2023], § 14 UrhG Rn. 10; Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 6. Aufl., § 14 UrhG Rn. 3; Peukert in Schricker/Loewenheim aaO § 14 UrhG Rn. 18).

bb) Der Tatbestand des §14 UrhG setzt weiter voraus, dass die beanstandete Handlung die berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen des Urhebers am Werk zu gefährden geeignet ist, erfordert also eine Abwägung des Bestands- und Integritätsinteresses des Urhebers mit dem der Vornahme der Beeinträchtigung zugrundeliegenden Interesse (BGHZ 62, 331 [juris Rn. 25] – Schulerweiterung; BGH, GRUR 1989, 106 [juris Rn. 16 bis 19] – Oberammergauer Passionsspiele II; BGHZ 221, 181 [juris Rn. 36, 39] – HHole [for Mannheim]; BeckOK.Urheberrecht/Götting aaO § 14 UrhG Rn. 19; Peukert in Schricker/Loewenheim aaO § 14 UrhG Rn. 26).

c) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die der Schaffung des Modells „E2“ vorangegangene Zerlegung eines „Gestells 1953“ könne im Streitfall nicht zur Annahme einer Beeinträchtigung im Sinne des § 14 UrhG führen.

Gegenstand der Klage sind Ansprüche wegen des Vertriebs des Modells „E2“ in den Jahren 2009 bis 2019. Die Kläger gehen also nicht gegen die seinerzeitige Zerlegung und Änderung eines „Gestells 1953“ vor, sondern beanstanden den Vertrieb des „E2“ als unzulässige Nachbildung des „Gestells 1953“. Damit ist die Zulässigkeit der Änderung des Originals – hier: der seinerzeitigen Zerlegung eines Tischs – nicht Gegenstand des Rechtsstreits (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 1985 – I ZR 104/83, GRUR 1986, 458 [juris Rn. 18] – Oberammergauer Passionsspiele I).

d) Die Revision hat weiter keinen Erfolg, soweit sie die Beurteilung des Berufungsgerichts angreift, mangels Eingriffs in den geistig-ästhetischen Gesamteindruck liege in dem Vertrieb des „E2“ keine Beeinträchtigung im Sinne des § 14 UrhG.

aa) Eine Beeinträchtigung durch Form oder Art der Werknutzung (dazu vgl. BGHZ 150, 32 [juris Rn. 46] – Unikatrahmen) steht im Streitfall nicht in Rede und kommt auch nicht in Betracht.

bb) Die inhaltliche Änderung eines Werks kann als solche nur dann eine Beeinträchtigung im Sinne des § 14 UrhG darstellen, wenn sie den Schutzbereich des Urheberrechts am geänderten Werk berührt. Handelt es sich bei der (inhaltlichen) Änderung um eine freie Benutzung im Sinne von § 24 Abs. 1 UrhG aF, § 23 Abs. 1 Satz 2 UrhG nF, weil der Gesamteindruck der neuen Gestaltung vom Gesamteindruck des älteren Werks in der Weise abweicht, dass die den Urheberrechtsschutz des älteren Werks begründenden Elemente im Rahmen der Gesamtschau in der neuen Gestaltung verblassen, also nicht mehr wiederzuerkennen sind, greift die neue Gestaltung nicht in den Schutzbereich des älteren Werks ein (vgl. BGH, GRUR 2023, 571 [juris Rn. 29] – Vitrinenleuchte, mwN). Eine Verletzung des Urheberrechts durch die (inhaltliche) Änderung als solche kommt dann weder unter dem Gesichtspunkt der Verwertungsrechte (§§ 15 ff. UrhG) noch demjenigen des das Urheberpersönlichkeitsrecht schützenden § 14 UrhG in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 1993 – I ZR 263/91, BGHZ 122, 53 [juris Rn. 25] – Alcolix; Urteil vom 11. März 1993 – I ZR 264/91, GRUR 1994, 191 [juris Rn. 103] – Asterix-Persiflagen; Urteil vom 28. Juli 2016 – I ZR 9/15, BGHZ 211, 309 [juris Rn. 41] – auf fett getrimmt; OLG München, ZUM-RD 2008, 149 [juris Rn. 9]; Dustmann in Fromm/Nordemann aaO § 24 UrhG Rn. 4a; Dreyer in Dreyer/Kotthoff/Meckel/Hentsch, Urheberrecht, 4. Aufl., § 14 UrhG Rn. 25; Peukert in Schricker/Loewenheim aaO § 14 UrhG Rn. 9). Daher stellt eine Änderung, die auf die Übernahme der die urheberrechtliche Schutzfähigkeit des Originals begründenden Merkmale verzichtet, mangels Eingriffs in den urheberrechtlichen Schutzbereich keine Beeinträchtigung im Sinne des § 14 UrhG dar.

Ohne Erfolg wendet sich die Revision danach gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, mangels Übernahme des die Urheberrechtsschutzfähigkeit des „Gestells 1953“ in Verbindung mit der minimalistischen Gestaltung des Gestells begründenden eigenschöpferischen Merkmals der in der Diagonale liegenden Kreuzverstrebung fehle es an einer Beeinträchtigung im Sinne des § 14 UrhG durch die Nachbildung.

cc) Die Revision rügt im Ergebnis ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe das Vorbringen der Kläger übergangen, dass der „E2“ zu Unrecht Egon Eiermann als Urheber des „Gestells 1953“ zugerechnet werde. Liegt im Streitfall die Änderung außerhalb des urheberrechtlichen Schutzbereichs des Originalwerks, führt auch dieser Umstand nicht zur Annahme einer urheberpersönlichkeitsrechtlichen Beeinträchtigung im Sinne des § 14 UrhG.

14 UrhG schützt – wie auch § 13 UrhG – allein die Beziehung des Urhebers zu seinem Werk (vgl. § 11 UrhG), also zu einem von ihm geschaffenen konkreten Werk und nicht zu seinem gesamten Werkschaffen. Das Interesse des Urhebers, die wahrheitswidrige Zuschreibung der Urheberschaft an einer nicht von ihm geschaffenen Gestaltung zu verhindern und sich und seinem Werkschaffen nicht fremde Gestaltungen zurechnen lassen zu müssen, kann im Falle von Identitätsverwirrungen durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder das lauterkeitsrechtliche Irreführungsverbot geschützt sein, nicht aber durch das Urheberpersönlichkeitsrecht (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juni 1989 – I ZR 135/87, BGHZ 107, 384 [juris Rn. 30] – Emil Nolde; Dustmann in Fromm/Nordemann aaO § 13 UrhG Rn. 11; Schulze in Dreier/Schulze aaO § 13 Rn. 16; aA W. Nordemann, GRUR 1996, 737, 738).

Soweit der Senat angenommen hat, dass die Interessen des Urhebers durch eine die künstlerische Konzeption berührende Veränderung besonders in Mitleidenschaft gezogen werden können, soweit der Urheber mit der veränderten Fassung seines Werks identifiziert und ihm auch eine Verfälschung der künstlerischen Konzeption zugerechnet wird, betrifft dies Änderungen, nach deren Vornahme das Werk aufgrund der fortbestehenden eigenschöpferischen Merkmale weiterhin als solches des Urhebers erkennbar bleibt (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 1970 – I ZR 30/69, BGHZ 55, 1 [juris Rn. 57] – Maske in Blau: Aufführung eines Theaterstücks in geänderter Form; Urteil vom 5. März 1971 – I ZR 94/69, GRUR 1971, 525 [juris Rn. 16] – Petite Jacqueline: künstlerisch abwertende kommerzielle Verwertung eines Teilausschnitts eines Lichtbildwerks auf einem Buchumschlag; BGH, GRUR 1989, 106 [juris Rn. 17] – Oberammergauer Passionsspiele II: Veränderung von Bühnenbildern; BGH, Urteil vom 1. Oktober 1998 – I ZR 104/96, GRUR 1999, 230 [juris Rn. 30] – Treppenhausgestaltung: Verschmelzung eines Werks der Baukunst mit einer Skulptur eines anderen Urhebers; BGHZ 150, 32 [juris Rn. 46] – Unikatrahmen: Einfügung von Bildern in von Dritten bemalte Rahmen). Hieran fehlt es im Falle einer freien Benutzung im Sinne des § 24 Abs. 1 UrhG aF/§ 23 Abs. 1 Satz 2 UrhG nF.

4. Die geltend gemachten Ansprüche sind auch nicht wegen einer Verletzung des Rechts des Urhebers auf Anerkennung seiner Urheberschaft gemäß § 13 Satz 1 UrhG begründet. Dieses Recht ist ebenso wie das Entstellungsverbot nach § 14 UrhG dem Urheberpersönlichkeitsrecht zuzuordnen, so dass ein (auch) darauf gestützter Anspruch zwar keinen gesonderten Streitgegenstand darstellt. Wie das Entstellungsverbot nach § 14 UrhG schützt das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft nach § 13 UrhG jedoch nicht vor einer etwaigen Fehlzuordnung der Urheberschaft an fremden Werken (dazu bereits vorstehend Rn. 44 bis 46).

5. Die geltend gemachten Ansprüche sind auch nicht wegen einer Verletzung des (postmortalen) allgemeinen Persönlichkeitsrechts von Egon Eiermann gemäß § 823 Abs. 1 BGB begründet.

a) Das zivilrechtliche postmortale allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt mit seinen vermögenswerten Bestandteilen auch vermögenswerte Interessen der Person. Bei einer Verletzung können Schadensersatzansprüche bestehen, die von den Erben des Verstorbenen geltend gemacht werden können (BGH, Urteil vom 1. Dezember 1999 – I ZR 49/97, BGHZ 143, 214 [juris Rn. 47 bis 67] – Marlene Dietrich; Urteil vom 5. Oktober 2006 – I ZR 277/03, BGHZ 169, 193 [juris Rn. 12] – kinski-klaus.de).

b) Ob die Geltendmachung des postmortalen Persönlichkeitsrechts gegenüber dem Urheberpersönlichkeitsrecht als eigenständiger Streitgegenstand anzusehen ist, der in der Revisionsinstanz nicht neu eingeführt werden könnte (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 2014 – I ZR 30/11, GRUR 2014, 984 [juris Rn. 34] = WRP 2014, 1203 – PC III, mwN), braucht nicht entschieden zu werden. Jedenfalls ist ein Schadensersatzanspruch im Streitfall ausgeschlossen, weil die Dauer des Schutzes der vermögenswerten Bestandteile des postmortalen Persönlichkeitsrechts auf zehn Jahre nach dem Tode der Person begrenzt ist (BGHZ 169, 193 [juris Rn. 16] – kinski-klaus.de). Egon Eiermann ist am 19. Juli 1970 verstorben.

6. Die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche sind auch nicht nach §§ 3, 5, 9 Abs. 1 UWG begründet. Insoweit fehlt es ebenfalls an Feststellungen des Berufungsgerichts und hat die Revision ein Übergehen entsprechenden Vortrags nicht gerügt. Im Übrigen handelt es sich bei lauterkeitsrechtlichen Ansprüchen im Verhältnis zu Ansprüchen, die – wie im Streitfall – auf die Verletzung eines Schutzrechts gestützt sind, um gesonderte Streitgegenstände (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 2014 – I ZR 164/12, GRUR 2014, 393 [juris Rn. 14] = WRP 2014, 424 – wetteronline.de), die – wie ausgeführt (dazu Rn. 50) – in der Revisionsinstanz nicht neu eingeführt werden können.

 

C. Danach ist die Revision der Kläger zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Jetzt zum Newsletter anmelden!

Erlaubnis zum Versand des Newsletters: Ich möchte regelmäßig per E-Mail über aktuelle News und interessante Entwicklungen aus den Tätigkeitsfeldern der Anwaltskanzlei Hild & Kollegen informiert werden. Diese Einwilligung zur Nutzung meiner E-Mail-Adresse kann ich jederzeit für die Zukunft widerrufen, in dem ich z. B. eine E-Mail an newsletter [at] kanzlei.biz sende. Der Newsletter-Versand erfolgt entsprechend unserer Datenschutzerklärung.

n/a