Veröffentlichung von Verstößen gegen Hygieneanforderungen unzulässig

10. April 2014
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Beschluss des VG Osnabrück vom 08.05.2013, Az.: 6 B 18/13

Bestehen erhebliche Zweifel daran, ob  die Rechtsgrundlage, die eine Internetveröffentlichung von Pflichtverletzungen gegen Hygieneanforderungen zum Inhalt hat,  mit der Verfassung in Einklang zu bringen ist, so überwiegt das Interesse desjenigen, zu dessen Lasten die Bekanntgabe erfolgt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn er befürchten muss,  dass die Veröffentlichung schwerwiegende nachteilige Konsequenzen für den Betrieb mit sich bringt, die sich wahrscheinlich nicht mehr beheben lassen. Gerade dann wenn das Hygienevergehen, das mit der Veröffentlichung thematisiert werden sollte, bereits behoben ist, besteht nur ein geringere Informationsinteresse zugunsten der Allgemeinheit.

Verwaltungsgericht Osnabrück

Beschluss vom 08.05.3013

Az.: 6 B 18/13

Tenor:

Dem Antragsgegner wird vorläufig untersagt, die mit seinem Schreiben vom 4.4.2013 genannten Informationen auf der Internetplattform www.verstoesse.lebensmittel-futtermittel-sicherheit.niedersachsen.de zu veröffentlichen.

Diese Anordnung wird am 1.7.2013 unwirksam, falls bis dahin der Antragsteller keine Klage erhoben hat oder der Antragsgegner erklärt hat, auf die Veröffentlichung zu verzichten.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5000 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die Aufnahme betrieblicher Angaben auf der unter www.verstoesse.lebensmittel-futtermittelsicherheit.niedersachsen.de erreichbaren Internetplattform seitens des Antragsgegners.

Er betreibt eine Bäckerei. Am 31.10.2012 wurden anlässlich einer planmäßigen Routinekontrolle von der Abteilung Veterinärwesen und Verbraucherschutz des Antragsgegners 24 Verstöße festgestellt; insoweit wird auf die Niederschrift der Betriebskontrolle nebst Anlage und Lichtbildmappe Bezug genommen, die der Kammer als Bestandteil der beigezogenen Verwaltungsvorgängen vorliegen.

Nach vorheriger Anhörung hat der Antragsgegner durch Bescheid vom 13.3.2013 eine Geldbuße von 1.350.- € gegen den Antragsteller festgesetzt.

Mit Schreiben vom 4.4.2013 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, welche betriebs- und anlassbezogene Daten er ab dem 22.4.2013 auf der o.g. Internetplattform zu veröffentlichen beabsichtigte; auf die darin vom Antragsgegner mitgeteilte Begründung der beabsichtigten Maßnahme wird Bezug genommen.

Am 16.4.2013 hat der Antragsteller die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt. Er macht geltend, die beanstandeten Mängel seien bereits während des laufenden Bußgeldverfahrens abgestellt worden, weshalb er gegen den Bußgeldbescheid keinen Einspruch eingelegt habe, um sich die mit einer Fortführung des Verfahrens verbundenen Belastungen zu ersparen. Unter Bezugnahme auf verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung vertritt der Antragsteller die Auffassung, die beabsichtigte Veröffentlichung sei rechtswidrig. Insbesondere falle angesichts der zwischenzeitlichen Abstellung der Mängel die Abwägung zu seinen Gunsten aus, da durch eine Veröffentlichung die wirtschaftliche Existenz seines Betriebs in Frage gestellt werden könne.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

dem Antragsgegner zu untersagen, auf der Internetplattform www.verstoesse.lebensmittel-futtermittel-sicherheit.niedersachsen.de die mit seinem Schreiben vom 4.4.2013 genannten Informationen zu verbreiten.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er hat erklärt, bis zu einer Entscheidung des Gerichts im vorliegenden Verfahren von einer Veröffentlichung auf der Internetplattform abzusehen. Unter Darlegung seiner Rechtsauffassung macht er geltend, warum der vom Antragsteller angegebenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung nicht zu folgen sei. Entgegen der Auffassung des Antragstellers sei auch nicht entschieden, dass Hygienemängel grundsätzlich nicht veröffentlicht werden dürften. Vielmehr sei die Entscheidung auf eine möglicherweise fehlende Vereinbarkeit mit europarechtlichen Bestimmungen gestützt. Die insoweit erhobenen Bedenken seien im Ergebnis jedoch nicht begründet. Mit der Entscheidung des EuGH vom 12.4.2013 – C-636/11 – sei die Vereinbarkeit auch geklärt.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

II.

Der Antrag ist zulässig und begründet.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn dies zur Vermeidung wesentlicher Nachteile oder drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint; dabei hat der Antragsteller den insoweit erforderlichen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben, da erhebliche Zweifel hinsichtlich der Vereinbarkeit der gesetzlichen Rechtsgrundlage für die vom Antragsgegner beabsichtigte Veröffentlichung bestehen und gravierende negative wirtschaftliche Auswirkungen einer solchen Veröffentlichung auf den Betrieb des Antragstellers zu befürchten sind, die wohl kaum wieder rückgängig zu machen sein würden. Angesichts der offenen Fragen zur Verfassungsmäßigkeit der vom Antragsgegner für die beabsichtigte Veröffentlichung herangezogene Rechtsgrundlage des § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB überwiegt im vorliegenden Fall das Interesse des Antragstellers das vom Antragsgegner geltend gemachte öffentliche Interesse an einer Veröffentlichung der anlässlich der Betriebskontrolle festgestellten Mängel. Dabei war auch in den Blick zu nehmen, dass die festgestellten Mängel – wie der Antragsteller unwidersprochen geltend gemacht hat – bereits im Laufe des Bußgeldverfahrens behoben worden sind, weshalb die mit der Veröffentlichung verfolgte Information der Öffentlichkeit von verringerter Bedeutung ist. Auch fiele die von der gesetzlichen Regelung im Grundsatz intendierte „Prangerwirkung“ wie auch die mit ihr einhergehenden negativen wirtschaftlichen Auswirkungen auf den Betrieb des Antragstellers voraussichtlich dadurch derzeit in erheblich gesteigertem Maße aus, weil die wohl im Aufbau befindliche Internetplattform nach Eindruck der Kammer aktuell nur einen Einzelnen bzw. vereinzelte branchenfremde Einträge aufweist, wodurch der Betrieb des Antragstellers in besonderer Weise in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt würde.

Erhebliche Bedenken gegen die Vereinbarkeit des § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB mit höherrangigem Recht sind bereits in mehreren verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen dargelegt worden (vgl. OVG NRW, B. v. 24.4.2013, – 13 B 192/13 -, – 13 B 215/13 – und – 13 B 238/13 -, juris; BayVGH, B. v. 18.3.2013, – 9 CE 13.80 -, juris; OVG Rh-Pf., B. v. 13.2.2013 – 6 B 10035/13 -, juris; VGH Bad.-Württ., B. v. 28.1.2013 – 9 S 2423/12 -, juris). Die Kammer nimmt insoweit Bezug auf die Rechtsausführungen zur Vereinbarkeit mit dem Verfassungsrecht unter dem Gesichtspunkt des Rechts des Antragstellers auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG) und seine Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) des OVG Nordrhein-Westfalen in dessen vorgenannten Beschlüssen und macht sich diese Rechtsausführungen zu eigen. Diese werden auch vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (vgl. BayVGH, a.a.O., Rn. 18) und vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (vgl. VGH Bad.-Württ., a.a.O., Rn. 24) geteilt.

Angesichts dessen ist nicht entscheidungserheblich, dass infolge der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 12.4.2013 – C-636/11 – die rechtlichen Bedenken hinsichtlich einer Vereinbarkeit der Rechtsgrundlage mit europarechtlichen Bestimmungen wohl als ausgeräumt betrachtet werden können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG. In Anlehnung an Nr. 25.2 und Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004 (NVwZ 2004, 1327) hat die Kammer den Auffangwert angesetzt und von einer Reduzierung des Betrags im Eilverfahren abgesehen.

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