Pressefreiheit gibt kein Zutrittsrecht zu nicht-öffentlichen Gebäuden

05. August 2014
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Beschluss des VG Berlin vom 27.06.2014, Az.: VG 27 L 274.14

Nach dem Berliner Pressegesetz sind die Behörden verpflichtet, den Pressvertretern zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe Auskünfte zu erteilen. Journalisten können insoweit jedoch nur die Mitteilung konkreter Tatsachen zu einem bestimmten Sachverhalt verlangen. Sie haben jedoch kein Recht darauf, sich nicht allgemein zugänglich Informationen selbst zu beschaffen. Auch aus der grundgesetzlich geschützten Pressefreiheit folgt kein weitergehendes Informationszugangsrecht und kein Recht für Journalisten auf Zutritt zu Gebäuden, die nicht allgemein zugänglich sind.

Verwaltungsgericht Berlin

Beschluss vom 27.06.2014

Az.: VG 27 L 274.14

In der Verwaltungsstreitsache

Antragstellerin,

Verfahrensbevollmächtigte(r):

g e g e n

das Land Berlin,

vertreten durch das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin
– Rechtsamt -,

Frankfurter Allee 35/37, 10247 Berlin,

Antragsgegner,

hat die 27. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin

durch

den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht ..,

den Richter am Verwaltungsgericht … und

die Richterin am Verwaltungsgericht …

am 27. Juni 2014 beschlossen:

 Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird zurückgewiesen.

 Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Entscheidungsgründe

Der Antrag,

dem Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung aufzugeben, der Jour-
nalistin O_____ oder einer anderen oder einem anderen von der Antrag-
stellerin zu benennenden Journalistin/-en zu gestatten, Gelände, Gebäude
einschließlich des Daches der Gerhard-Hauptmann-Schule in Kreuzberg auf-
zusuchen, ist unbegründet. Die Antragstellerin hat das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs nicht mit der für die begehrte Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2
ZPO).

Nach der in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen summari-
schen Prüfung der Sach- und Rechtslage hat die Antragstellerin, die Verlegerin einer Tageszeitung ist, keinen Anspruch darauf, dass der Antragsgegner einer von der Antragstellerin zu benennende/-n Journalistin oder einem von letzterer Beteiligten zu benennende/-n Journalisten den Zutritt zu dem Grundstück in Berlin-Kreuzberg, Ohlauer Str. 24, gestattet, auf dem das Gebäude der ehemaligen Gerhard-
Hauptmann-Schule steht.

1. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 4 Abs. 1 des Berliner Pressegesetzes – BlnPrG –, wonach die Behörden verpflichtet sind, den Vertretern der Presse, die sich als solche ausweisen, zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe Auskünfte zu er-teilen. Seinem Gegenstand nach bezieht sich der in dieser Vorschrift eingeräumte Anspruch auf die Mitteilung konkreter Tatsachen, die sich im amtlichen Raum manifestiert haben, bezogen auf einen bestimmten Sachverhalt. Der Anspruch vermittelt hingegen nach dem klaren Gesetzeswortlaut kein Recht darauf, dass sich Journalisten nicht allgemein zugängliche Informationen der Auskunftsverpflichteten selbst verschaffen (vgl. zu § 4 PresseG NRW OVG Münster, Urteil vom 13. März 2013 – 5 A 1293/11 –, juris Rn. 45 ff).

Vorliegend wird nicht die Mitteilung konkreter Tatsachen begehrt. Vielmehr erstrebt die Antragstellerin, einem von ihr benannten Journalisten den Zutritt zu dem genannten Grundstück zu gestatten, um sich dort Informationen selbst zu verschaffen. Das Grundstück und die dort erlangbaren Informationen sind nicht allgemein zugänglich. Der Antragsgegner, der Eigentümer des Grundstücks ist, hat sein Hausrecht zumindest der Sache nach dahin ausgeübt, Vertretern der Presse zurzeit keinen Zutritt zu dem Grundstück und dem aufstehenden Gebäude einschließlich des Daches zu gestatten. Überdies ist auch nicht erkennbar, dass die entsprechende Entscheidung des Antragsgegners rechtsfehlerhaft ist.

2. Ein Anspruch auf Gestattung des Zutritts zu dem Grundstück für Journalisten steht der Antragstellerin auch aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und aus der Informationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 GG nicht zu.

Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG schützt die Pressefreiheit. Dazu gehört der Schutz der Berichterstattung von der medienspezifischen Form der Beschaffung von Informationen bis zur Verbreitung der Nachricht und der Meinung. Erst der prinzipiell ungehinderte Zugang zur Information versetzt die Medien in die Lage, die ihnen in der freiheitlichen Demokratie zukommende Funktion wahrzunehmen. Zum Schutzbereich der Pressefreiheit gehört – über einen verfassungsunmittelbaren Minimalstandard hinaus,
der jedenfalls durch die vorhandenen einfach-gesetzlichen Auskunftsansprüche abgesichert wird – allerdings ebenso wenig wie zu dem der Informationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 GG ein Recht auf Eröffnung einer Informationsquelle. Soweit die Medien an der Zugänglichkeit einer für jedermann geöffneten Informationsquelle teilhaben, wird der Zugang für diese nicht grundsätzlich anders als für die Bürger allgemein durch die Informationsfreiheit geschützt. Ein gegen den Staat ge-
richtetes Recht auf Zugang besteht über einen Minimalstandard hinaus nur in Fällen, in denen eine im staatlichen Verantwortungsbereich liegende Informationsquelle auf Grund rechtlicher Vorgaben zur öffentlichen Zugänglichkeit bestimmt ist, der Staat den Zugang aber nicht in hinreichender Weise eröffnet (vgl. OVG Münster a.a.O. Rn. 68 f).

Das in Rede stehende Grundstück ist nicht auf Grund vergleichbarer zwingender
rechtlicher Vorgaben zur öffentlichen Zugänglichkeit in dem Sinne bestimmt, dass Vertretern der Presse dort die Beschaffung von Informationen (z. B. über Zustände und Vorgänge auf dem Grundstück) gestattet werden müsste. Die ehemalige Gerhard-Hauptmann-Schule wurde nach Einstellung des Schulbetriebs als Schulgebäude entwidmet und befindet sich im Finanz- bzw. Verwaltungsvermögen des Antragsgegners. Seit Anfang Dezember 2012 sind das Grundstück und das aufstehende ehemalige Schulgebäude von Flüchtlingen besetzt. Der Antragsgegner als Eigentümer hat die die allgemeine Zugänglichkeit des Grundstücks kraft seines Hausrechts zulässigerweise für Pressevertreter eingeschränkt. Aus dem Umstand, dass Mitarbeiter des Antragsgegners und von ihm als Vermittler zugelassene Personen zum
Gelände Zugang haben, kann die Antragstellerin nichts für sich herleiten. Demnach ist bereits der grundrechtliche Schutzbereich der Informationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht betroffen.

Ein weitergehendes Informationszugangsrecht für Journalisten lässt sich auch der Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht entnehmen. Der von ihr erfasste Schutz der Beschaffung von Informationen bezieht sich auf allgemein zugängliche Informationen (vgl. OVG Münster a.a.O. Rn. 74 ff).

Auf die Frage, inwieweit auf dem Grundstück eine konkrete Gefahrensituation, der der Antragsgegner im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht zu begegnen hat, besteht, kommt es danach nicht an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung
beruht auf §§ 39 ff, 52 f. des Gerichtskostengesetzes, wobei die Kammer den Auffangwert zugrunde gelegt und im Hinblick auf die begehrte tatsächliche Vorwegnahme der Hauptsache keine Halbierung des Betrags vorgenommen hat.

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