Keine Ansprüche von Webseiten-Betreibern gegen „Ad-Blocker“-Anbieter

10. Februar 2022
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Mann tippt auf Laptop mit Adblock Zeichen Urteil des LG Hamburg 8. Zivilkammer vom 14.01.2022, Az.: 308 O 130/19

Gegen die Vertreiber von "Ad-Blockern" können keine urheberrechtlichen Unterlassungsansprüche, die entsprechenden Browser-Plugins anzubieten, geltend gemacht werden. Die Vertreiber unterliegen auch keiner Auskunftspflicht bezüglich Downloadzahlen oder Anzahl der Nutzer von "Ad-Blockern" gegenüber den betroffenen Webseiten-Betreibern. Es liegt in diesen Fällen keine unberechtigte Vervielfältigung und/oder Umarbeitung von urheberrechtlich geschützten Computerprogrammen i.S.d. §§ 69a, 69c Nr. 1 und 2 UrhG vor. Das Gericht führt zur Begründung näher aus, dass die Vorgänge, die durch die entsprechenden Browser-Plugins hervorgerufen werden und dazu führen, dass Werbung ausgeblendet wird, keine seitens der Webseite übermittelten Daten ändert. Vielmehr sei dies als Eingriff in den Ablauf des Programms zu werten, was jedoch nicht von § 69c Nr. 2 UrhG erfasst ist, sodass urheberrechtliche Ansprüche nicht gegeben sind.

Landgericht Hamburg

Urteil vom 14.01.2022

Az.: 308 O 130/19

 

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen die Beklagten urheberrechtliche Ansprüche wegen des Angebots eines sog. Adblockers geltend.

Die Klägerin ist ein Verlagshaus. Streitgegenständlich sind die folgenden Webseiten: www. w..de, www. b..de, www. s.. b..de, www. a..de und www. c..de. Nachdem in der Vergangenheit die Klägerin ihr Online-Geschäft überwiegend über von ihr mehrheitlich beherrschte Tochtergesellschaften betrieben hatte, wurden im Zuge einer strategischen Neuausrichtung die digitalen Angebote in der A. S. SE gebündelt. Die ursprünglichen Betreibergesellschaften der streitgegenständlichen Webseiten (außer w..de) verpachteten ihre Online-Portale an die Klägerin. Die Klägerin übernahm außerdem von der W. GmbH die Betriebsführung des digitalen Geschäftsbereichs. Mit dem technischen Betrieb der streitgegenständlichen Online-Angebote beauftragte die Klägerin die S. A. S. D. N. M. GmbH & Co. KG.

Die Beklagte zu 1) vertreibt ein Programm mit dem Namen „A. Plus“, bei dem es sich um ein Browser-Plugin handelt. Das Programm arbeitet mit Filterlisten. Die sog. Black Lists (in Deutschland ist die „Easylist Germany“ voreingestellt) enthalten u.a. spezifische Serverpfade bestimmter Online-Anbieter und deren AdServer. Sie enthalten auch globale Dateimerkmale, mit denen eine Mehrzahl von Seiteninhalten aufgrund von Gemeinsamkeiten im Pfad- und Dateinamen blockiert werden können. Das Programm führt dazu, dass bei eingeschaltetem AdBlocker die Webseiten auf dem Bildschirm des Nutzers ohne die den Eintragungen in der Blacklist entsprechende Werbung angezeigt werden, sofern die entsprechende Werbung nicht in einer sog. Whitelist eingetragen ist.

Technisch verläuft der Aufruf der streitgegenständlichen Webseiten wie folgt:

Bei Eingabe der URL durch den Nutzer fordert der Browser vom Server des Webseitenanbieters (vorliegend der Klägerin) die HMTL-Datei (vorliegend HTML5) an. Die HTML-Datei wird beim Nutzer im Arbeitsspeicher gespeichert. Diese HTML-Datei enthält direkt darstellbare Elemente (z.B. Text), aber auch Verweise auf externe Speicherorte; Inhalte werden dann von anderen Servern oder Ressourcen – z. B. AdServern – angefordert. JavaScripte sind teilweise – laut Beklagtenseite allenfalls vereinzelt – unmittelbar in die HTML-Datei eingebunden.Vom Webseitenersteller oder Dritten erstellte JavaScripte sind im HTML-Dokument teilweise als Link referenziert. JavaScripte dienen u.a. dazu, die einzelnen Seitenelemente und deren Darstellung situativ anzupassen.

Der Internet-Browser interpretiert („parst“) auf dem Endgerät des Nutzers das HTML-Dokument mittels der Parsing-Engine. Das Ergebnis der Interpretation ist eine Objektstruktur, ein sogenannter DOM-Knotenbaum, wobei „DOM“ für „Document Object Model“ steht. Durch JavaScript werden u.a. Knoten des DOM-Baums verändert. Auch nach dem initialen Parsen des HMTL-Dokuments und dem erstmaligen Aufbau des DOM-Knotenbaums werden Scripte ausgeführt, die den DOM-Knotenbaum verändern.

Die Formatierung (z.B. Farben, Positionen, Typographie) erfolgt über sogenannte CSS (Cascading Style Sheets). Die Formatierungsinformationen des Webseitenbetreibers (vorliegend der Klägerin) sind teilweise in die HTML-Datei eingebunden und teilweise in einer separaten Datei enthalten („ausgelagerte“ Stilvorlage, vgl. S. 8 des Gutachtens in der Anlage K 27). Mittels einer CSS-Engine erfolgt der Aufbau von CSS-Strukturen (CSS Object Model (CSSOM), bei neueren Systemen: CSS Typed Object Model (CSSTOM), teilweise auch „style context“). Die DOM- und CSS-Strukturen werden mittels einer sog. Render-Engine in einer Rendering-Baumstruktur („Render-Tree“, z.T. auch „Frame Tree“ genannt) zusammengeführt. Ein weiterer Schritt zur Darstellung der Webseite auf dem Bildschirm ist dann das sog. Painting.

„A. Plus“ sorgt in zwei Varianten dafür, dass als Werbung erkannte Elemente nicht auf dem Bildschirm des Nutzes erscheinen. Eine Variante besteht darin, dass ein Abruf von Inhalten von AdServern nicht durch den Browser ausgeführt wird. Eine weitere Variante („Element Hiding“) führt dazu, dass ein in den Arbeitsspeicher beim Nutzer geladenes Werbeelement nicht auf dem Monitor angezeigt wird.

Nachdem ein gerichtliches, auf wettbewerbsrechtliche Anspruchsgrundlagen gestütztes Vorgehen der Klägerin vor dem Landgericht Köln in erster Instanz ohne Erfolg geblieben war, setzte die Klägerin bei der Webseite Bild.de ein Programm ein, durch das Nutzer mit eingeschaltetem AdBlocker von der Nutzung ausgeschlossen werden.

Im Jahr 2016 kam es bei der Seite c..de dazu, dass bei eingeschaltetem „A. Plus“ auch bestimmte redaktionelle Elemente nicht angezeigt wurden. Grund hierfür war die Aufnahme eines bestimmten „Element Hiding“-Filterbefehls („codeteaser“) in die EasyList Germany. Dies war Gegenstand eines Eilverfahrens vor der Kammer (Az. 308 O 244/16) und dem Hanseatischen Oberlandesgericht.

Die Klägerin trägt vor, dass es sich bei der Programmierung ihrer Webseiten aufgrund der enthaltenen Steuerungselemente insgesamt um Computerprogramme i.S.d. § 69a Abs. 1 UrhG handele, an denen der Klägerin die ausschließlichen Nutzungsrechte zustünden. Die sich nach dem Aufruf der initialen Dateien aufbauende Webseite sei durch die Programmierung vollständig determiniert. DOM-Knotenbaum und CSSOM mit den (auch) darin enthaltenen Handlungsanweisungen seien Ausdrucksformen der Programmierung und nähmen an dem urheberrechtlichen Schutz teil. Die erfolgenden Vervielfältigungen i.S.d. § 69c Nr. 1 UrhG seien bei Verwendung von „A. Plus“ als unberechtigt anzusehen. „A. Plus“ führe außerdem zu unberechtigten Umarbeitungen i.S.d. § 69c Nr. 2 UrhG. Eine Umarbeitung i.S.d. § 69c Nr. 2 UrhG setze keinen Substanzeingriff voraus. Die Klägerin verweist insoweit auf die Replay PSP-Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts (GRUR-RR 2013, 13) und auf die Erwägungsgründe 10, 13 und 15 der Softwarerichtlinie 2009/24
/EG. Bei einer Beschränkung auf Substanzeingriffe liefe der Schutz des § 69a UrhG faktisch leer. Ziehe der Urheber – wie bei der Webseitenprogrammierung – den wirtschaftlichen Vorteil aus der störungsfreien Benutzung und nicht schon aus dem entgeltlichen Vertrieb von Vervielfältigungsstücken, mache es keinen Unterschied, ob die Verwertung durch eine Manipulation der Originalsoftware an der Quelle, auf dem Signalweg oder im Arbeitsspeicher des Nutzers verhindert werde. Da bei Webseiten das Programm dazu bestimmt sei, durch den Browser des Nutzers verarbeitet zu werden, wären Steuerprogramme für Webseiten faktisch schutzlos gestellt, wenn man bei Veränderungen während der Verarbeitung einen Eingriff verneinen würde. Zudem liege auch in der Variante des Blockierens des Aufrufs von Werbung ein Substanzeingriff vor. In der Variante des „Element Hiding“ greife „A. Plus“ durch das Überschreiben von CSS-Befehlen, bei denen es sich um Steuerbefehle handele, unmittelbar in die Programmsubstanz ein. Außerdem handele es sich bei den Webseiten der Klägerin um Multimediawerke i.S.d. § 2 UrhG, die beim Einsatz der Software der Beklagten zu 1) unberechtigt vervielfältigt würden. Die Beklagte zu 1) hafte für die Urheberrechtsverletzungen als Mittäterin. Die Beklagten zu 2) bis 4) als (z.T. ehemalige) Geschäftsführer hafteten ebenfalls für die Urheberrechtsverletzungen.

Die Klägerin beantragt zuletzt, wie folgt zu erkennen:

1. Den Beklagten wird unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den Beklagten zu 2.), 3.) und 4.), untersagt, ein Software-Programm anzubieten, zu bewerben, zu unterstützen oder zu vertreiben oder anbieten, bewerben, unterstützen oder vertreiben zu lassen, das

a) Werbeinhalte auf den Seiten

www. w..de,

www. b..de,

www. s..bild.de,

www. a..de,

www. c..de

einschließlich deren mobilen Ausgaben bei Abrufen durch Nutzer in Deutschland ganz oder teilweise unterdrückt oder auf andere Weise beeinträchtigt,

b) redaktionelle Beiträge auf den Seiten www. c..de einschließlich deren mobiler Ausgabe bei Abrufen durch Nutzer in Deutschland ganz oder teilweise unterdrückt, wie dies durch A. Plus in den in Anlagen K 37, K 39, K 41, K 42 und K 45

beigefügten Beiträgen

– Halo Wars2: Comeback des Strategie-Klassikers,

– EIV1 2016: So feiert das Netz Jerome Boateng,

– Freude am Essen ade – vielen Dank, Instagram!,

– Quiz zum ESC 2016: Was wissen Sie über den Eurovision Song Contest?,

– WWDC 2016: Die Highlights der AppIe-Konferenz!

geschehen ist.

2. Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen über

– die Anzahl der Downloads für das Software-Programm „A. Plus“ von deutschen IP-Adressen seit dem 01.01.2016, gegliedert nach Monaten;

– die Anzahl der Nutzer des Software-Programms „A. Plus“ mit deutschen IP-Adressen seit dem 01.01.2016, gegliedert nach Monaten;

– die Anzahl der Aufrufe der „Easylist“ und der „Easylist Germany“ von ihrem Server durch Nutzer mit deutschen IP-Adressen seitdem 01.01.2016, gegliedert mit dem wöchentlichen Durchschnittswert.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten allen Schaden zu ersetzen haben, der der Klägerin und ihren unter I.1. der Klageschrift genannten Tochtergesellschaften durch Handlungen gemäß Ziffer 1. a) seit dem 01.01.2016 entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten tragen vor, dass die Klage wegen entgegenstehender Rechtskraft des „Kölner Verfahrens“ unzulässig sei. Auch seien die Unterlassungsanträge zu unbestimmt. Zur Frage der Begründetheit tragen die Beklagen vor, dass es sich bei dem DOM-Knotenbaum, dem CSSOM und dem Render Tree nicht um Ausdrucksformen der Webseitenprogrammierung, sondern um rein interne und temporäre Zwischenkonstrukte des Browsers zur visuellen Darstellung der Webseite handele. Sie seien das Ergebnis der internen Priorisierungsregeln des Browsers. Das HTML-Dokument des Webseitenanbieters sei lediglich ein „Angebot“ oder „Vorschlag“ für die Gestaltung der Bildschirmoberfläche des Nutzers. Der HTML-Text und die in der CSS enthaltenen Formatierungsangaben hätten grundsätzlich nur inhaltsbeschreibenden oder hinweisenden Charakter und wiesen für sich betrachtet keinen Anweisungscharakter auf. Die Beklagten verweisen auf die W3C-Webstandards. Die Beklagten tragen des Weiteren vor, dass es durch „A. Plus“ nur zur Veränderung des intendierten Programmablaufs komme. Hierin liege keine Umarbeitung i.S.d. § 69c Nr. 2 UrhG. „A. Plus“ führe nur dazu, dass die tatsächlich generierten DOM- und CSSOM-Bäume anders aussähen als die von der Klägerin intendierten DOM- und CSSOM-Bäume. Jedenfalls seien die Veränderungen des Ablaufs und die vorgenommenen Vervielfältigungshandlungen gerechtfertigt. Die Beklagten nehmen auf § 69d Abs. 1 UrhG und § 44a UrhG Bezug. Jedenfalls sei von einer Einwilligung der Klägerin auszugehen, da die Klägerin ihre Seiten – bis auf b..de – ohne technische Schutzmaßnahmen anbiete. In der mündlichen Verhandlung vom 01.09.2021 haben die Beklagten die Einrede der Verjährung erhoben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

A. Die Klage ist zulässig.

I. Die Klage ist nicht wegen entgegenstehender Rechtskraft unzulässig. In dem von der Beklagtenseite angeführten Verfahren vor dem Landgericht Köln und dem Oberlandesgericht Köln, das bis zum BGH (BGH NJW 2018, 3640 – Werbeblocker II) führte, hat die Klägerin ihre Ansprüche auf das Wettbewerbsrecht gestützt. Urheberrechtliche Fragen stellten sich nur inzident im Rahmen des § 4 Nr. 4 UWG (unlautere Behinderung, BGH NJW 2018, 3640 Rn. 34 f. – Werbeblocker II). Bei auf das Urheberrecht und das Wettbewerbsrecht gestützten Ansprüchen handelt es sich um unterschiedliche Streitgegenstände (vgl. BGH GRUR 2014, 785 Rn. 21 – Flugvermittlung im Internet; BGH GRUR 2018, 431 Rn. 12 – Tiegelgröße; vgl. auch BGH NJW 2018, 3640 Rn. 34 – Werbeblocker II).

II. Die Anträge der Klägerin sind hinreichend bestimmt. Die Klägerin hat zwar die konkret geltend gemachten urheberrechtlichen Verletzungshandlungen nicht im Unterlassungsantrag aufgeführt, sondern darin allgemein auf die Unterdrückung von Werbeinhalten und redaktionelle Beiträgen abgestellt. Zur Auslegung eines Unterlassungsantrags und des ihm folgenden Urteilstenors ist jedoch nicht allein auf den Wortlaut abzustellen, sondern ergänzend der zur Begründung gehaltene Klagevortrag heranzuziehen (vgl. BGH GRUR 2016, 1076 Rn. 14 – LGA tested; OLG München Urt. v. 17.8.2017 – U 2225/15 Kart, BeckRS 2017, 122821 Rn. 82). Die Klägerin hat in der Klageschrift und in ihren weiteren Schriftsätzen ausgeführt, welche konkreten urheberrechtlichen Verletzungshandlungen zu dem Unterdrücken von Werbeinhalten und redaktionellen Beiträgen geführt haben sollen, nämlich die einerseits bei der Blockade von Aufrufen und andererseits beim Ausblenden von Elementen erfolgenden Einwirkungen. Auch hinsichtlich der Variante des „Unterstützens“ hat die Klägerin in der Klagschrift (dort S. 41, Bl. 43 d.A.) hinreichend deutlich gemacht, auf welche Handlung sich dies bezieht, nämlich auf die fortwährende Aktualisierung des Programms „A. Plus“. Die Formulierung im Antrag zu 1. a) „oder auf andere Weise beeinträchtigt“ ist zwar für sich genommen zu unbestimmt. Aus der Klagbegründung wird aber hinreichend deutlich, dass damit neben der Verhinderung des Abrufs von Werbeinhalten auch das „Verstecken“ von Werbeinhalten gemeint ist, die abgerufen, aber nicht angezeigt werden. Zuletzt führt auch das Fehlen eines Bezugs zum Programm „A. Plus“ und das Fehlen eines „wie geschehen“-Zusatzes im Antrag zu 1. a) nicht zur Unbestimmtheit dieses Antrags, da sich aus dem schriftsätzlichen Vortrag der Klägerseite hinreichend ergibt, welche durch Verwendung des Programms „A. Plus“ erzeugten Handlungen angegriffen werden.

B. Die Klage ist unbegründet.

I. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche gem. § 97 Abs. 1 UrhG nicht zu.

1. Es liegt keine unberechtigte Vervielfältigung und/oder Umarbeitung von urheberrechtlich geschützten Computerprogrammen i.S.d. §§ 69a, 69c Nr. 1 und 2 UrhG vor.

a. Es kann offenbleiben, ob die Dateien, die beim Abruf der Webseiten der Klägerin bzw. ihrer Tochterfirmen an die Nutzer übermittelt werden, als Computerprogramme i.S.d. § 69a UrhG geschützt sind.

b. Auch kann dahinstehen, ob die Klägerin hinsichtlich dieser Programme über ausschließliche Nutzungsrechte verfügt und damit aktivlegitimiert ist.

c. Jedenfalls haben die Beklagten die Rechte der Klägerin an den Programmen zur Erstellung der Webseiten nicht verletzt. Die Beklagten sind nicht – gemeinsam mit dem jeweiligen Nutzer – Mittäter einer Urheberrechtsverletzung.

aa. Es liegt keine unberechtigte Vervielfältigung i.S.d. § 69c Nr. 1 UrhG vor. Zwar werden bei Abruf der Seiten der Klägerin die HTML-Datei und weitere Elemente in den Arbeitsspeicher des Nutzers geladen. Insoweit erfolgt die Speicherung aber mit der Einwilligung der Klägerin. Wer eine Webseite bereitstellt, erklärt sich damit einverstanden, dass die entsprechenden Programme von den Servern des Webseitenbetreibers – und zum Teil von Drittservern – abgerufen und im Arbeitsspeicher des Nutzers abgespeichert werden. Das Anbieten von Webseiten ist gerade darauf ausgerichtet, dass sie von Nutzern aufgerufen werden. Zu den hierfür zwingend notwendigen Zwischenschritten gehört die Zwischenspeicherung der vom Webseitenbetreiber bereitgestellten Dateien beim Nutzer. Auch Nutzer, die die Seiten der Klägerin aufrufen und dabei das Programm „A. Plus“ verwenden, sind zur Speicherung der Dateien berechtigt. Indem der Nutzer die Dateien durch Aufruf der Webseite abruft und die Dateien – wie von der Klägerin für den Fall des Webseitenaufrufs vorgesehen – von den Servern der Klägerin – bzw. Drittservern – übermittelt werden, kommt eine konkludente Vereinbarung darüber zustande, dass der Nutzer die Dateien speichern darf. Da die Dateien selbst unverändert bleiben, greift an dieser Stelle auch noch kein etwaiger Vorbehalt in Bezug auf Abweichungen vom intendierten Programmablauf. Darauf, ob die Zulässigkeit der unveränderten Speicherung der Dateien auch aus § 69d Abs. 1 UrhG und/oder § 44a UrhG folgt, kommt es somit nicht an.

bb. Die im Anschluss an das Speichern des Webseitenprogramms erfolgenden Vorgänge, die durch „A. Plus“ erzeugt werden und die dazu führen, dass Werbung ausgeblendet wird, stellen keine Umarbeitung i.S.d. § 69c Nr. 2 UrhG dar. § 69c Nr. 2 UrhG gewährt dem Inhaber der Rechte an einem Computerprogramm ein umfassendes Umarbeitungs- und Bearbeitungsrecht unter Einschluss des Rechts, das Ergebnis einer Umarbeitung zu vervielfältigen. § 69c Nr. 2 UrhG nennt als Oberbegriff in wörtlicher Übernahme des entsprechenden Wortlauts der Computerprogrammrichtlinie und der internationalen Konventionen die „Umarbeitung“ und fasst darunter in S. 1 beispielhaft die Übersetzung, Bearbeitung und das Arrangement. Es handelt sich dabei um ein weit gefasstes Recht, dem alle Abänderungen eines geschützten Computerprogramms unterfallen (Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl., § 69c Rn. 15; Spindler in Schricker/Loewenheim, UrhG, 20. Aufl., § 69c Rn. 14; vgl. auch BGH GRUR 2000, 866, 868 – Programmfehlerbeseitigung)

Die seitens der Klägerin übermittelten Dateien (u.a. HTML-Dokument) werden durch das Programm „A. Plus“ nicht geändert. Das Programm hat aber Auswirkungen auf die Datenstrukturen, die vom Browser erzeugt werden. Unstreitig werden der DOM-Datenbaum und – in der Variante des „Element Hiding“ – auch die CSS-Datenstrukturen (u.a. CSSOM) jedenfalls anders erstellt als dies von der Klägerin intendiert ist. In der Variante des Nichtabrufs von Werbung fehlt im DOM-Baum der entsprechende Inhalt (z.T. kommt es in der Folge auch zu „Ersatzhandlungen“, Anlage K 27, S. 49). In der Variante des „Element Hiding“ stellt „A. Plus“ Formatierungsvorgaben (CSS) bereit, die die CSS-Datenstrukturen verändern, was auch zur Folge hat, dass an DOM-Elemente die durch „A. Plus“ eingefügten CSS „angehängt“ (so die Formulierung im Gutachten in der Anlage K 27) werden.

Bei den durch „A. Plus“ bewirkten Handlungen, die sich auf die Datenstrukturen auswirken, handelt es sich nicht um Umarbeitungen i.S.d. § 69c Nr. 2 UrhG. Vielmehr sind die Abläufe als Eingriffe in den Ablauf des Programms zu werten, die nicht von § 69c Nr. 2 UrhG erfasst sind.

(1) Eine Umarbeitung i.S.d. § 69c Nr. 2 UrhG liegt nur bei einem Eingriff in die Programmsubstanz vor (so Grützmacher in Wandtke/Bullinger, UrhG, 5. Aufl., § 69c Rn. 22; Spindler in Schricker/Loewenheim, UrhG, 6. Aufl., § 69c Rn. 14; Spindler CR 2012, 417, 418 ff; Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl., § 69c Rn. 16; LG München MMR 2015, 660, 668; vgl. auch OLG Köln Urt. v. 24.6.2016 – 6 U 149/15, BeckRS 2016, 11628 Rn. 45;
a.A. Hans.OLG GRUR-RR 2013, 13, 15 – Replay PSP). Externe Befehle, die in den Programmablauf eingreifen, stellen keine Umarbeitung dar (vgl. Grützmacher in Wandtke/Bullinger, UrhG, 5. Aufl., § 69c Rn. 22). Bereits der Wortlaut von § 69c Nr. 2 UrhG spricht dafür, dass als Umarbeitung nur eine Änderung der Programmsubstanz anzusehen ist. Die in der Norm genannten Beispiele (Übersetzung, Bearbeitung und Arrangement) zielen auf eine Veränderung des Codes bzw. seiner Struktur ab. Auch bei einer Übersetzung wird nicht lediglich der Programmablauf geändert, sondern es wird der Code in eine andere Form (etwa Quellcode in Objektcode und umgekehrt) übertragen. Eine Auslegung, die bereits eine Veränderung des Programmablaufs als Umarbeitung wertet, würde dazu führen, dass jede durch Dritte erfolgende Steuerung der Funktionalitäten einer Software zustimmungsbedürftig wäre. Dies würde das von der Richtlinie 2009/24/EG (Erwägungsgrund 15) verfolgte Ziel konterkarieren, die Verbindung und das Zusammenwirken aller Elemente eines Computersystems, auch solcher verschiedener Hersteller, zu ermöglichen (vgl. Spindler CR 2012, 417, 420 f.). Auch würde es einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Handlungsfreiheit des Nutzers darstellen, wenn es nicht seiner Entscheidung obliegen würde, ob und wie er ein legal erworbenes Programm ausführt, solange er das Programm selbst nicht verändert (in diesem Sinne auch OLG Köln, Urt. v. 24.6.2016, Az. 6 U 149/15, BeckRS 2016, 11628, Rn. 45; vgl. auch § 69d Abs. 3 UrhG). Auch Browserfunktionen wie die Optionen, keine Bilder zu laden, JavaScripte zu deaktivieren oder Pop-Ups oder Tracking zu blockieren, wären sonst – soweit das Vorliegen eines bestimmungsgemäßen Gebrauchs i.S.d. § 69d Abs. 1 UrhG zu verneinen ist – von einer Einwilligung des Webseitenbetreibers abhängig. Schließlich würde durch den Schutz auch des Ablaufs eines Programms über die §§ 69a ff. UrhG faktisch auch den Ergebnissen des Ablaufs ein Schutz zukommen, der ansonsten in Entstehung und Umfang davon abhängt, welches Ergebnis erzeugt wird (z.B. Filmwerk, Laufbilder, Multimediawerk etc., vgl. Grützmacher in Wandtke/Bullinger, UrhG, 5. Aufl., § 69g Rn. 2 ff.).

(2) Die Substanz der seitens der Klägerin bereitgestellten Dateien (u.a. HTML-Datei) bleibt unberührt.

(3) Das Programm „A. Plus“ führt auch dann nur zu Änderungen des Ablaufs, wenn im Folgenden zugunsten der Klägerin unterstellt wird, dass die Webseitenprogrammierung auch jenseits der JavaScripte Anweisungen und nicht lediglich „Vorschläge“ (so die Beklagtenseite) enthält. Unter Ablauf ist vorliegend die Ausführung der in der Webseitenprogrammierung enthaltenen Anweisungen an den Browser zu verstehen, die steuern, wie der Browser die Webseite erstellt, wozu als Zwischenschritte auch die Erstellungen von Datenstrukturen (wie DOM-Baum, CSSOM etc.) gehören. Die Programmierung der Webseiten erfolgt mit Blick darauf, dass sie vom Browser verarbeitet wird, da nur die Interaktion mit dem Browser zur Darstellung der Webseite auf dem Bildschirm des Nutzers führen kann. Die Webseitenprogrammierung enthält daher Anweisungen an den Browser, etwa in Form von JavaScript-Elementen, die die Erstellung des DOM-Baums durch den Browser beeinflussen bzw. den DOM-Baum nach der initialen Erstellung verändern. Der Nutzer initiiert den Prozess der Erstellung der Datenstrukturen zunächst nur dadurch, dass er – erlaubter Weise (s.o.) – die Dateien der Klägerin (HTML-Datei etc.) von den Servern der Klägerin und ggf. Dritten abruft. Durch den Einsatz von „A. Plus“ greift der Nutzer dann in den Ablauf des Prozesses der Webseitenerstellung ein. Wie bereits oben erwähnt, geschieht dies in zwei Varianten: In einer Variante wird die Ausführung von Anweisungen der Webseitenprogrammierung an den Browser (zum Herunterladen von Ressourcen vom Ad-Server) verhindert und in der anderen Variante werden Anweisungen (Stilvorgaben) an den Browser erteilt, die den Vorrang vor den in der Webseitenprogrammierung (bestehend u.a. aus HTML5-Datei, CSS-Datei und JavaScripten) enthaltenen Anweisungen erhalten.

(a) In der Variante des Nichtanzeigens von Werbung greift der Nutzer mittels „A. Plus“ in den Prozess der Webseitenerstellung ein, indem „A. Plus“ den Download von Ressourcen von Ad-Servern dadurch blockiert, dass das Programm den Browser dazu veranlasst, vor der Ausführung jedes Abrufbefehls zu prüfen, ob ein Download erfolgen soll, und im Fall, dass die in den Filterlisten hinterlegten Filterregeln greifen, den Abruf zu unterlassen. Dadurch verhindert „AdBlock Plus“, dass der DOM-Baum in der Weise gestaltet wird, wie dies vom Webseitenersteller beabsichtigt ist (d.h. die vom Webseitenersteller intendierte „Manipulation“ des DOM-Baums durch die nachzuladende Ressource unterbleibt, vgl. S. 54 des Gutachtens in der Anlage K 57). Auch wenn der DOM-Baum noch zahlreiche Befehle enthalten sollte, die zu einer Reaktion auf bestimmte Ereignisse – etwa die Position des Mauszeigers auf dem Bildschirm oder eine längere Inaktivität des Nutzers – führen (vgl. S. 10 ff. des Gutachtens in der Anlage K 79), und der DOM-Knotenbaum vom von der Klägerin beauftragten Gutachter als Übersetzung des HTML-Dokuments bewertet wird (vgl. S. 23 des Gutachtens in der Anlage K 80 mit Verweisen auf die vorangegangenen Gutachten), ist der DOM-Baum doch keine „Übersetzung“ i.S.d. § 69c Nr. 2 UrhG (worunter etwa die Übertragung des Programms aus dem Quellcode in den Objektcode und umgekehrt oder die Übertragung in eine andere Programmsprache fallen, vgl. Spindler in Schricker/Loewenheim, UrhG, 6. Aufl., § 69c Rn. 13), sondern jedenfalls teilweise bereits ein – temporäres – Zwischenergebnis der Ausführung der Webseitenprogrammierung, weil auch nach dem Vortrag der Klägerseite bereits bei der initialen Erzeugung des DOM-Baums JavaScripte ausgeführt werden, die die Erstellung beeinflussen (s. S. 5 des Schriftsatzes der Klägerseite vom 05.08.2020, Bl. 316 d.A., unter Verweis auf S. 47 ff. des Gutachtens in der Anlage K 57, und S. 2 des Schriftsatzes der Klägerseite vom 14.04.2021, Bl. 458 d.A.; s. auch S. 3, S. 6 ff. und S. 22 des Schriftsatzes der Beklagten vom 18.12.2020, Bl. 401, 404 ff., 420 d.A.; anders noch S. 12 der Klagerwiderung, Bl. 90 d.A.). Auch nach der erstmaligen Erstellung des DOM-Baums führen JavaScripte zur Änderung des DOM-Baums (vgl. S. 18 ff. des Gutachtens in der Anlage K 79 der Gutachter spricht insoweit von einem „lebendigen“ Konstrukt). Entsprechend kann auch laut Gutachten in der Anlage K 80 (dort S. 44) eine Rückübersetzung nicht den syntaktisch gleichen Text wie das Original erzeugen (wohingegen laut Gutachten aber bei einer Rückübersetzung in eine HMTL-Dokument die „Semantik“ erhalten bleibe). Der DOM-Baum ist aufgrund dessen, dass er bereits ein Zwischenergebnis der Ausführung der Webseitenprogrammierung ist und damit nicht nur geringfügige Abweichungen (vgl. Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl., § 69c Rn. 15) vom Programm der Klägerin aufweist, auch keine Vervielfältigung i.S.d. § 69c Nr. 1 UrhG.

(b) Die Abläufe, die in der Variante des „Element Hiding“ dazu führen, dass Werbung auf dem Bildschirm nicht angezeigt wird, sind ebenfalls als Eingriffe (nur) in den Programmablauf zu werten. In dieser Variante implementiert „A. Plus“ neue CSS, die dazu führen, dass bestimmte Elemente nicht angezeigt werden. Konkret wird beispielsweise beim Browser Firefox eine Datei („elemhide.css“) auf dem Rechner des Nutzers abgelegt (S. 52 des seitens der Klägerin vorgelegten Gutachtens vom 06.03.2018, Anlage K 27). Da die von „A. Plus“ eingefügten CSS mit der Priorität „important“ versehen sind (S. 53 f. des Gutachtens in der Anlage K 27), räumt der Browser beim Aufbau der Datenstrukturen diesen CSS den Vorrang vor den in der Webseitenprogrammierung enthaltenen CSS ein. Dabei macht sich „A. Plus“ die generelle Einstellung im Browser zunutze, wonach Nutzer-CSS, die als „important“ gekennzeichnet ist, vorrangig behandelt werden. Grundsätzlich kommen Nutzer-CSS nur dann zur Anwendung, wenn entsprechende CSS in der Webseitenprogrammierung fehlen. Durch die Kennzeichnung als „important“ ändert sich die Rangfolge und die entsprechend gekennzeichneten Nutzer-CSS werden trotz entgegenstehender Stilanweisungen des Webseitenprogramms ausgeführt. In der Folge werden die von „A. Plus“ eingefügten, in die Stilvorgaben aufgenommenen CSS (S. 64 ff. des Gutachtens in der Anlage K 27) den DOM-Elementen „angefügt“. Hierfür wird eine Funktion des Browsers genutzt (S. 53 des Gutachtens in der Anlage K 27). Seit 2017 wird eine Schnittstelle des Browsers Firefox genutzt (S. 55 des Gutachtens in der Anlage K 27.). Die Datenstrukturen (CSSOM bzw. style context und damit auch der Render Tree; vgl. Gutachten in der Anlage K 57, dort S. 58) weisen in der Folge „neuen“ Code auf. „Neu“ bedeutet auch insoweit, dass die Datenstrukturen mit eingeschaltetem AdBlocker anders aussehen (S. 72 des Gutachtens in der Anlage K 27) als mit ausgeschaltetem Adblocker (S. 69 des Gutachtens in der Anlage K 27). Das Bereitstellen eigener, prioritärer CSS, die vom Browser verarbeitet werden, ist als Eingriff in den Ablauf zu werten. „A. Plus“ setzt den an den Browser gerichteten Anweisungen, die in der Webseitenprogrammierung enthalten sind, eine eigene Anweisung entgegen. Wegen der Kennzeichnung als „important“ führt der Browser beim Aufbau der Datenstrukturen als Zwischenschritt zur Darstellung der Webseite die durch „A. Plus“ erteilte Anweisung und nicht die insoweit entgegenstehenden Anweisungen aus der Webseitenprogrammierung aus.

Auch beim „Element Hiding“ bei Nutzung der Browser Safari/Chrome liegt kein Substanzeingriff vor. Im Gutachten in der Anlage K 27 heißt es hierzu auf S. 56 ff., dass eine Schnittstelle im sog. WebKit zum „Verstecken“ von Elementen genutzt werde. Zwar führt der Privatgutachter aus, dass „A. Plus“ die Stilvorlagen im CSSOM direkt verändere und die vom Webseitenersteller „intendierten Stilvorlagen“ aktiv überschrieben würden. Insoweit folgt die Änderung aber daraus, dass seitens „A. Plus“ eine „selector list“ („Blockierliste“, S. 57 des Gutachtens in der Anlage K 27) bereitgestellt wird, die dann vom Browser angewendet wird und die dazu führt, dass die Eigenschaft „display“ des entsprechenden Elements auf „none“ gesetzt wird. Auch in diesem Fall ist die Auswirkung von „A. Plus“ auf den CSSOM – und in der Folge auf die anderen Datenstrukturen (s. S. 57 des Gutachtens in der Anlage K 27: „Wird nun ein DOM-Knoten erzeugt, so bekommt er die ‚falschen‘, nicht vom Webseitenersteller intendierten Stilvorlagen ‚angehangen‘“) – Folge einer den Anweisungen in der Webseitenprogrammierung entgegenlaufenden Anweisung an den Browser zum Aufbau der Datenstrukturen.

Die CSS-Datenstrukturen sind ebenfalls keine „Übersetzung“ i.S.d. § 69c Nr. 2 UrhG und keine (Teil-)Vervielfältigung i.S.d. § 69c Nr. 1 UrhG. Die Klägerin spricht auch im Hinblick auf den CSSOM von einer „dynamischen Sammlung von Steuerbefehlen“ (Schriftsatz vom 30.09.2020, dort S. 6, Bl. 381 d.A.). Auch jenseits des Einsatzes von „A. Plus“ ändern die mit den Elementen des DOM-Knotenbaums verknüpften Steuerbefehle nicht nur den DOM-Knotenbaum, sondern auch die in dem CSSOM gesammelten Stile (ebd., s. auch S. 7 des Gutachtens in der Anlage K 79), sodass der CSSOM ebenfalls teilweise bereits das Zwischenergebnis einer Ausführung von in der Webseitenprogrammierung enthaltenen Programmbefehlen ist.

Soweit sich die Klägerseite darauf beruft, dass die Kammer im Beschluss vom 22.07.2016 (Az. 308 O 244/16) ausgeführt hat, dass eine Umarbeitung im Sinne des § 69c Nr. 2 UrhG vorliege, wenn „A. Plus“ aktiv direkt neuen Code zur Verarbeitung durch den Browser einfüge, ist zu berücksichtigen, dass diese Beurteilung auf der Grundlage des damaligen Sachstandes im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erfolgte und es im Ergebnis hierauf nicht ankam, weil die damalige Antragstellerin ein solches direktes Einfügen von Code nicht glaubhaft gemacht hatte. Soweit den Ausführungen im genannten Beschluss zu entnehmen sein sollte, dass in jedem Fall, in dem durch einen Adblocker Code (vorliegend eine Stilvorgabe) bereitgestellt wird, der durch den Browser verarbeitet wird, ein Substanzeingriff in das Webseitenprogramm stattfindet, wird hieran nicht festgehalten.

2. Schließlich stehen der Klägerin die geltend gemachten Unterlassungsansprüche auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer unberechtigten Vervielfältigung der Darstellung der Webseite („Oberflächengestaltung“, S. 40 der Klagschrift) zu. Aus dem Vortrag der Klägerin folgt nicht, dass es sich bei den Gestaltungen ihrer Webseiten um geschützte Werke i.S.d. §§ 2 ff. UrhG handelt.

Die Webseiten der Klägerin sind mangels des Vorliegens einer eigenschöpferischen Leistung nicht als „Multimediawerke“ als ungeschriebene Werkgattung i.S.d. § 2 UrhG (vgl. OLG Hamburg Urt. v. 29.02.2012, Az. 5 U 10/10, GRUR-RS 2012, 25278; OLG Köln GRUR-RR 2010, 141, 143; Nordemann in Fromm/Nordemann, UrhG, 12. Aufl., § 2 Rn. 231; Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl., § 2 Rn. 243) geschützt. Gem. § 2 Abs. 2 UrhG sind Werke i.S.d. UrhG nur persönliche geistige Schöpfungen. Wie bei Werken der angewandten Kunst i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG ist auch bei Multimediawerken ein deutliches Überragen der Durchschnittsgestaltung nicht erforderlich (vgl. zu Werken der angewandten Kunst BGH GRUR 2014, 175 Rn. 25 ff. – Geburtstagszug).

Die klagende Partei trägt im urheberrechtlichen Verletzungsprozess die Darlegungslast für das Vorliegen einer persönlichen geistigen Schöpfung. Sie hat daher nicht nur das betreffende Werk vorzulegen, sondern grundsätzlich auch die konkreten Gestaltungselemente darzulegen, aus denen sich der urheberrechtliche Schutz ergeben soll. Nähere Darlegungen sind (nur) entbehrlich, wenn sich die maßgeblichen Umstände schon bei einem bloßen Augenschein erkennen lassen (vgl. BGH GRUR 2012, 58 Rn. 24 f. – Seilzirkus). Wer sich demgegenüber zur Verteidigung auf vorbekanntes Formengut beruft, muss dies durch Vorlage von konkreten Entgegenhaltungen darlegen (vgl. BGH GRUR 2002, 958, 960 – Technische Lieferbedingungen; Nordemann in Fromm/Nordemann, UrhG, 12. Aufl., § 2 Rn. 236).

Aus dem Vortrag der Klägerseite und den als Anlagen eingereichten Screenshots der Webseiten ergibt sich nicht, dass die Gestaltung der Webseiten www. w..de, www. b..de, www. s..bild.de, www. a..de und www. c..de individuell geprägt ist. Zwar kann sich eine schutzfähige Gestaltung auch aus einer individuellen Zusammenstellung vorbekannter Elemente ergeben (vgl. BGH GRUR 2014, 772 Rn. 16 – Online-Stadtplan). Allein aus dem Umstand, dass Texte, Bilder, Grafiken, Videos und Elemente zur Einbeziehung der Nutzer (etwa zur Abgabe von Kommentaren oder zur Durchführung von Abstimmungen) kombiniert werden, folgt aber bei Webseiten keine hinreichende Schöpfungshöhe. Auch die Verwendung von Links zu weiterführenden Artikeln stellt bei Onlineangeboten keine eigenschöpferische Leistung dar. Gleiches gilt für die Einbindung von Newstickern (bei s..de, Anlage K 18, und b..de, Anlage K 21). Die Voranstellung einer Zusammenfassung (bei w..de, Anlagen K 15 und K 16, s. auch S. 7 des Schriftsatzes der Klägerseite vom 22.10.2019, Bl. 198 d.A.) dient der Übersichtlichkeit, stellt aber – unabhängig davon, ob ein solches Element auch in Angeboten Dritter zu finden ist – ebenfalls keine eigenschöpferische Leistung dar, die einen Urheberrechtsschutz begründet. Soweit die Klägerin einen Vergleich mit primär funktionalen Seiten wie Registerseiten und Entscheidungssammlungen vornimmt (S. 41 der Klagschrift, Bl. 43 d.A.), folgt hieraus nicht, dass ihre Seiten auch im Vergleich zu Seiten anderer Anbieter von digitalen Verlagsangeboten einen individuellen Charakter aufweisen. Auch die Existenz von Styleguides (Anlagen K 22 und K 23) belegt für sich genommen nicht die Schutzfähigkeit der Seiten. Die Beklagten haben demgegenüber im Schriftsatz vom 24.06.2019 (dort S. 29 ff., Bl. 107 ff. d.A.) unter Verweis auf Seiten anderer Medienanbieter dargelegt, dass die von der Klägerseite zur Begründung des Vorliegens einer eigenschöpferischen Leistung angeführten Elemente (v.a. Zusammenfassungen mit Bulletpoints, Abstimmungstools und grafisch animierte News-Ticker, S. 7 des Schriftsatzes der Klägerseite vom 22.10.2019, Bl. 198 d.A.) auch auf Seiten anderer Medienanbieter zu finden sind (u.a. Anlagen B 16a und B 19). Dies gilt auch für die Verwendung großformatiger, blockförmig angeordneter Grafiken auf b..de (Anlage K 21), wie die von der Beklagtenseite vorgelegten Entgegenhaltungen (Anlage B 17) zeigen. Allein in der Kombination der Merkmale liegt vorliegend noch keine eigenschöpferische Leistung, die einen Urheberrechtsschutz begründet. Offenbleiben kann daher, ob angesichts des Umstands, dass das Ausblenden der Werbung zu einer nicht nur unwesentlichen Veränderung der Webseitengestaltung führt, zugunsten des Nutzers, der die Webseite für die eigene Nutzung verändert, das Herstellungsprivileg für Bearbeitungen gem. § 23 Abs. 1 UrhG greift (vgl. Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl., § 23 Rn. 16).

II. Mangels Rechtsverletzung sind auch der Auskunftsantrag und der Antrag auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht unbegründet.

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

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