Persönlichkeitsrechtsverletzung: Löschungsanspruch gegen Google setzt Interessenabwägung voraus
OLG Frankfurt a. M.
Urteil vom 06.09.2018
Az.: 16 U 193/17
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main, 3. Zivilkammer, vom 26. Oktober 2017, Az. 2-03 O 190/16, wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollsteckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für die Berufung wird auf 75.000,- € festgesetzt.
Gründe
A. Der Kläger war bis April 2012 Geschäftsführer des X Mittelhessen (X Mittelhessen), der über 500 Beschäftigte und mehr als 35.000 Mitglieder hat und bundesweit der zweitgrößte Regionalverband des X ist; die Beklagte zu 2 – gegen die allein sich die Klage im Berufungsverfahren noch richtet – betreibt die Suchmaschine Google.
Im Jahr 2011 wies der X Mittelhessen ein finanzielles Defizit von knapp 1 Million € auf. Der Kläger meldete sich kurz zuvor aufgrund gesundheitlicher Probleme krank. Die Presse berichtete wiederholt über die finanzielle Schieflage des X Mittelhessen, teils unter Nennung des Namens des Klägers sowie der Tatsache, dass er sich aus gesundheitlichen Gründen nicht im Dienst befinde.
Der Kläger begehrt von der Beklagten zu 2 die Unterlassung, bei einer Suche nach seinem Vor- und Zunamen, sowohl isoliert als auch in Verbindung mit bestimmten geographischen Angaben, fünf konkrete URL bei den Suchergebnissen ihrer Suchmaschine in Deutschland anzuzeigen, die zu entsprechenden Berichterstattungen der Presse (vgl. Anlagenkonvolut K1 Bl. 10 ff. d.A.) führen.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 340 bis 343 d.A.) Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage für zulässig erachtet, aber als unbegründet abgewiesen. Soweit es die Passivlegitimation der Beklagten zu 1 verneint hat, ist dies in der Berufung nicht mehr von Belang. Hinsichtlich der Beklagten zu 2 hat es einen Anspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG auf Unterlassung der weiteren Anzeige der streitgegenständlichen Links mit der Begründung verneint, die Rechte des Klägers auf Anonymität und informationelle Selbstbestimmung würden bei Abwägung der widerstreitenden Interessen nicht rechtswidrig durch die Beklagte zu 2 verletzt.
Zwar sei das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers durch die von der Beklagten zu 2 erstellte Ergebnisliste mit den streitgegenständlichen Treffern beeinträchtigt. Auch scheide eine Haftung der Beklagten zu 2 nicht bereits deshalb aus, weil diese sich auf die Privilegierung der §§ 8, 9 TMG berufen könne. Die Beklagte zu 2 sei jedoch nicht als (mittelbare) Störerin anzusehen.
Eine Haftung als Suchmaschinenbetreiber greife, wenn der Betreiber einer Suchmaschine konkret auf die Rechtsverletzung hingewiesen worden sei und für den Betreiber hierdurch die behauptete Rechtsverletzung im Rahmen seiner Prüfung offensichtlich erkennbar sei. Die Inkenntnissetzung sei hier durch die Klagebegründung erfolgt.
Im Rahmen der Interessenabwägung sei auf Seiten des Betreibers einer Suchmaschine das eigene wirtschaftliche Interesse am Betrieb der Suchmaschine zu berücksichtigen, das für sich allein die grundrechtlich geschützte Position des Klägers – sein Persönlichkeitsrecht – nicht überwiegen könne. Darüber hinaus könne sich die Beklagte zu 2 zwar nicht selbst auf das Grundrecht aus Art. 5 GG berufen, weil die Arbeit einer Suchmaschine in einer rein technischen Verbreitung liege; allerdings seien auf Seiten der Beklagten zu 2 die Rechte der Autoren und Seiteninhaber aus Art. 5 Abs. 1 GG, die Pressefreiheit der Medienorgane sowie die Ansprüche der Nutzer auf Information zu berücksichtigen.
Die Abwägung falle zu Lasten des Klägers aus. Der Kläger wende sich im Wesentlichen dagegen, dass bei Suche nach seinem Namen durch die Beklagte zu 2 offenbart werde, dass er im Jahre 2011, als der X Mittelhessen in finanzielle Schwierigkeiten geraten sei, deren Geschäftsführer er war, ferner, dass er aufgrund einer Erkrankung nicht erreichbar gewesen sei, wobei die Erkrankung länger gedauert und eine Rehabilitationsmaßnahme erforderlich gemacht habe. Diese Angaben seien wahr. Der Umstand, dass der Kläger Geschäftsführer des X Mittelhessen war, entstamme der Sozialsphäre. Weiter sei einzustellen, dass ein erhebliches öffentliches Interesse daran bestehe, wenn und vor welchem Hintergrund über einen finanzielle Schieflage des X Mittelhessen berichtet werde. Zu Gunsten des Klägers sei zwar zu berücksichtigen gewesen, dass es sich bei der Angabe, der Kläger sei erkrankt gewesen, um besondere Daten im Sinne von § 3 Abs. 9 BDSG – nämlich Gesundheitsdaten – handele. Die Angaben zur Erkrankung des Klägers seien aber wenig konkret. Das hohe öffentliche Interesse an der Berichterstattung über die finanzielle Schieflage des X Mittelhessen umfasse hier auch die gesundheitsbezogenen Angaben.
Auch unter Berücksichtigung des „Rechts auf Vergessenwerden“ und der Rechtsprechung des EuGH falle die Abwägung nicht zu Gunsten des Klägers aus. Denn auch insoweit überwiege das öffentliche Interesse an der Auffindbarkeit der betroffenen Artikel das Interesse des Klägers an deren Nichtauffindbarkeit. Der Vorfall liege sechs Jahre zurück, die letzte Berichterstattung lediglich ca. vier Jahre. Der Fall „google Spain“ des EuGH habe Angaben zum dortigen Kläger betroffen, die sechzehn Jahre zurückgelegen hätten.
Der Kläger könne von der Beklagten zu 2 auch nicht aus §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 29 BDSG die Unterlassung der Anzeige der beanstandeten Suchergebnisse verlangen, da insbesondere die im Rahmen der Zulässigkeit der Datenübermittlung nach § 29 Abs. 2 BDSG vorzunehmende Interessenabwägung zu Lasten des Klägers ausfalle.
Der Anspruch könne auch nicht auf § 35 Abs. 1 BDSG gestützt werden, da der nach dieser Vorschrift normierte Anspruch auf Löschung personenbezogener Daten nicht dem Rechtsschutzziel des Klägers entspreche.
Es komme im Ergebnis auch nicht mehr darauf an, ob der Anspruch gegen die Beklagte zu 2 lediglich subsidiär – nach Inanspruchnahme der Webseitenbetreiber der Ursprungsveröffentlichungen – geltend gemacht werden könne, ob der Kläger das „Recht auf Vergessenwerden“ allein auf die „isolierte“ Suche nach seinem Namen stützen oder auch Ergebnisse bei der Suche mit weiteren Angaben (hier: Ortsangaben) verbieten lassen könne und ob der Kläger seinen Antrag auf die domain „google.de“ beschränken müsse.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 343 bis 358 d.A.) verwiesen.
Gegen dieses ihm am 1. November 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 30. November 2017 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die er mit einem am 20. Dezember 2017 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
Der Kläger macht geltend, die Interessenabwägung sei fehlerhaft. Durch die Abwägung werde der Rechtsprechung des EuGH nicht hinreichend Rechnung getragen. Würde es nämlich maßgeblich auf die übliche Interessenabwägung – wie beispielsweise bei einer aktuellen Berichterstattung – ankommen, so hätte das Recht auf Vergessenwerden, das der EuGH anerkannt habe, keinen eigenen Anwendungsspielraum und wäre überflüssig. Der Rechtsprechung des EuGH lasse sich auch nicht entnehmen, dass ein Zeitraum zwischen vier und sechs Jahren nicht ausreichend sei, um sich auf das „Recht auf Vergessenwerden“ zu berufen. Dies würde auch der Intention dieses Rechts zuwider laufen. Ein Zeitraum von vier Jahren müsse grundsätzlich geeignet sein, damit das „Recht auf Vergessenwerden“ Anwendung finde. Zudem werde das „Weniger“ – verglichen mit der EuGH-Rechtsprechung – als Zeitfaktor durch ein „Mehr“ bei der Sensibilität der Information für das Privatleben kompensiert: während es bei der maßgeblichen EuGH-Rechtsprechung um die Versteigerung eines Grundstücks und eine erfolgte Pfändung gehe, beinhalteten hier die streitgegenständlichen Berichte Gesundheitsdaten als besonders sensible Daten im Sinne von § 3 Abs. 9 BDSG, die zumindest die Privatsphäre beträfen. Dieses „Mehr“ an Eingriffsintensität rechtfertige es, das Zeitintervall geringer anzusetzen.
Zudem sehe der EuGH als drittes Kriterium vor, dass keine besonderen Gründe vorliegen, die ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit daran rechtfertigen, im Rahmen einer Suche anhand des Namens einer Person Zugang zu den Informationen zu erhalten. Daraus folge eine Beweislastumkehr dergestalt, dass es Aufgabe der Beklagten zu 2 sei darzulegen, dass besondere Gründe vorliegen, die ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an den Informationen – noch Jahre später – begründeten. Solche Gründe gebe es nicht. Im Übrigen gehe es allein darum, dass die Berichte bzw. Informationen nicht mehr bei der Suche nach dem Namen des Klägers aufgefunden werden könnten.
In einem weiteren Schriftsatz argumentiert der Kläger dahingehend, dass das Landgericht nicht berücksichtige, dass sich die finanzielle Situation des X heute nicht mehr in einer Schieflage befinde und sich das heutige Informationsinteresse vieler Personen, die von den Dienstleistungen des X abhängig seien, gegenüber von vor sechs Jahren verändert habe. Zudem werde durch die Veröffentlichung des Umstands, dass der Kläger krank gewesen ist und in einer Reha-Maßnahme behandelt wurde, gerade nicht das Interesse der Öffentlichkeit an der finanziellen Situation des X betroffen. Informationen über den Gesundheitszustand des Klägers seien nach sechs Jahren nicht mehr erforderlich, um dem öffentlichen Informationsinteresse zu dienen.
Der Kläger beantragt,
unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 26. Oktober 2017, Az. 2-03 O 190/16, die Beklagte zu 2 zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, wobei die Ordnungshaft insgesamt 2 Jahre nicht übersteigen darf und an der Geschäftsführung zu vollstrecken ist, zu unterlassen
I.
folgende URLs bei den Suchergebnissen der Suchmaschine in Deutschland bei einer Suche nach dem Vor – und Zuname des Klägers, sowohl isoliert als auch in Verbindung mit den geographischen Angaben Stadt1 und/oder Landkreis1 und/oder Stadt2 und/oder Stadt3 und/oder Stadt4, anzuzeigen:
1.
http:// … b;
2.
http:// … c;
3.
http://www. … d;
4.
http://www. … e;
5.
http://www. … f;
wenn dies geschieht wie in den Suchanfragen Anlage K1.
Die Beklagte zu 2 beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Das Landgericht habe im Rahmen eines äußerungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs eine nicht zu beanstandende Interessenabwägung vorgenommen und auch die zeitliche Komponente berücksichtigt.
Im Rahmen der Abwägung sei zu berücksichtigen, dass die Öffentlichkeit grundsätzlich ein Interesse an der Recherche vergangener Ereignisse anhand unveränderter Originalberichte habe. Die Vorgänge, die mit der Geschäftsführertätigkeit des Klägers und seiner Erkrankung im Zusammenhang stehen, hätten weiterhin Gegenwartsbezug bzw. seien nicht bereits mit der Berichterstattung zum damaligen Zeitpunkt abgeschlossen gewesen. Dabei sei auch die Presseberichterstattung namhafter Online-Zeitungen betroffen, die sich auf das in § 57 Abs. 1 RStV geregelte Medienprinzip bzw. auf § 41 BDSG berufen könnten. Das Urteil des EuGH führe zu keinem anderen Ergebnis. Es sei schon zweifelhaft, ob die Erwägungen des EuGH auf den vom Kläger geltend gemachten persönlichkeitsrechtlichen Unterlassungsanspruch nach §§ 823, 1004 BGB analog herangezogen werden könnten; das Urteil des EuGH betreffe die Auslegung spezifischer Vorschriften der Datenschutzrichtlinie zu einem Entfernungsanspruch, der im nationalen Recht durch § 35 BDSG geregelt sei. Einen Entfernungsanspruch mache der Kläger nicht geltend. Die vom EuGH vorgenommene Interessenabwägung habe auch keine durch die Meinungsäußerungsfreiheit geschützte Tatsachen und keine Presseveröffentlichungen betroffen. Anders als im Fall des EuGH, der den Zweck der Mitteilung über die Zwangsversteigerung als erfüllt angesehen habe, sei vorliegend bei der Presseberichterstattung auch kein Zweckfortfall eingetreten.
Eine Verantwortlichkeit der Beklagten zu 2 komme auch im Übrigen nicht in Betracht. Sofern man nicht bereits von einer Haftungsfreistellung der Beklagten als Suchmaschinenbetreiberin nach § 8 oder § 9 TMG ausgehe, die das Landgericht unter Heranziehung einer unzutreffenden Tatsachengrundlage fehlerhaft verneint habe, seien die Prüfpflichten der Beklagten als mittelbare Störerin nicht ausgelöst worden; es fehle bereits an dem erforderlichen konkret gefassten Hinweis ihr gegenüber auf eine offensichtliche Rechtsverletzung. Eine offensichtliche, auf den ersten Blick klar erkennbare Rechtsverletzung liege nicht vor. Ferner hätte der Kläger zunächst gegen die für die Presseberichterstattung Verantwortlichen vorgehen müssen, denen es möglich sei, die streitgegenständlichen Berichte für Suchmaschinen unauffindbar zu machen.
Einen Entfernungsanspruch nach § 35 BDSG habe der Kläger nicht geltend gemacht, und § 28 f. BDSG stellten keine Anspruchsgrundlage dar. § 29 BDSG sei kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB.
Mit einem nach der mündlichen Verhandlung eingegangenen, nachgelassenen Schriftsatz vom 16. August 2018 weist der Kläger ergänzend darauf hin, dass nach der bis zum 25. Mai 2018 geltenden Rechtslage die Verarbeitung seiner Gesundheitsdaten unzulässig gewesen sei, ohne dass es auf eine Interessenabwägung ankomme. Dies gelte auch nach Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung mit Art. 9 DS-GVO. Der Kläger habe auch – unabhängig von den Gesundheitsdaten – einen Anspruch auf Entfernung der Links im Rahmen eines Unterlassungsanspruchs aus Art. 17 DS-GVO.
Die Beklagte zu 2 ist mit Schriftsatz vom 24. August 2018 ebenfalls der Auffassung, dass Art. 17 DS-GVO auf Suchmaschinen anwendbar sei, hält dem Kläger aber entgegen, dass bei der datenschutzrechtlichen Interessenabwägung die Meinungs- und Informationsfreiheit besonders zu berücksichtigen und keine Gesundheitsdaten im Sinne des Art. 9 DS-GVO betroffen seien.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
B. Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
I. Die Klage ist zulässig.
1. Die von Amts wegen zu prüfende internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die gegen die in den USA ansässige Beklagte zu 2 gerichtete Klage folgt aus § 32 ZPO. Danach genügt es zur Begründung der Zuständigkeit, wenn der Kläger schlüssig Tatsachen behauptet, aus denen sich eine im Gerichtsbezirk begangene unerlaubte Handlung ergibt. Dabei sind die deutschen Gerichte zur Entscheidung über Klagen wegen Persönlichkeitsbeeinträchtigungen durch im Internet abrufbare Veröffentlichungen international zuständig, wenn die als rechtsverletzend beanstandeten Inhalte objektiv einen deutlichen Bezug zum Inland in dem Sinne aufweisen, dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen – Interesse der Kläger an der Achtung ihres Persönlichkeitsrechts einerseits, Interesse der Beklagten an der Gestaltung ihres Internetauftritts und an einer Berichterstattung andererseits – nach den Umständen des konkreten Falls, insbesondere aufgrund des Inhalts der beanstandeten Meldung, im Inland tatsächlich eingetreten sein kann oder eintreten kann. Dies ist dann anzunehmen, wenn eine Kenntnisnahme von der beanstandeten Meldung nach den Umständen des konkreten Falls im Inland erheblich näher liegt, als es aufgrund der bloßen Abrufbarkeit des Angebots der Fall wäre, und die von den Klägern behauptete Beeinträchtigung ihres Persönlichkeitsrechts durch Kenntnisnahme von der Meldung (auch) im Inland eintreten würde (zuletzt BGH, Urteil vom 27.2.2018, VI ZR 489/16, zitiert nach juris).
Nach diesen Grundsätzen ist die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach § 32 ZPO gegeben. Die angezeigten Treffer sind in deutscher Sprache aufgeführt und der in Deutschland lebende und arbeitende Kläger wird namentlich genannt, so dass die Kollision der widerstreitenden Interessen zwischen jenen des Klägers und jenen der Beklagten zu 2 im Inland eingetreten ist; der erforderliche Inlandsbezug liegt vor.
2. Ohne Erfolg rügt die Beklagte zu 2 weiterhin die unzureichende Bestimmtheit des Klageantrags, wobei es an konkreten Angriffen gegen die Ausführungen des Landgerichts fehlt. Bereits aus dem Klageantrag ergibt sich mit ausreichender Klarheit, dass es dem Kläger darum geht, dass bestimmte URL sowohl bei einer isolierten Suche nach seinem Namen als auch bei einer Suche nach seinem Namen in Verbindung mit den angegebenen geographischen Angaben nicht mehr angezeigt werden. Da die URL im Klageantrag aufgeführt sind, auf die Begehungsweise gemäß Anlage K1 hingewiesen wird und die konkrete Verletzungsform das Zugänglichmachen der konkreten Artikel in ihrer Gesamtheit ist, bedarf es auch keiner Angabe konkreter, angeblich rechtsverletzender Äußerungen auf den verlinkten Drittseiten.
II. Die Klage ist aber nicht begründet.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte zu 2 kein Anspruch darauf zu, es zu unterlassen, die beanstandeten Inhalte auf den von ihm benannten Internetseiten durch Anzeige in den Suchergebnissen mit entsprechender Verlinkung auffindbar zu machen. Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich weder aus Art. 17 DS-GVO (dazu im Folgenden unter Ziff. 1) noch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG (dazu im Folgenden unter Ziff. 2).
1. Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 2 keinen Anspruch aus Art. 17 DS-GVO.
a) Das Landgericht hat seiner Prüfung neben §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG auch §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 29 BDSG (a.F.) zugrunde gelegt. Allerdings sind mittlerweile am 25. Mai 2018 die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) sowie das BDSG n.F. in Kraft getreten. Da der Kläger einen in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch geltend macht und der Anspruch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung gegeben sein muss, findet in zeitlicher Hinsicht nunmehr nicht mehr das BDSG a.F., sondern die DS-GVO – ggfls. nebst BDSG n.F. – Anwendung.
b) Der sachliche und räumliche Anwendungsbereich der DS-GVO ist eröffnet.
aa) Nach Art. 2 Abs. 1 DS-GVO gilt die Verordnung u.a. für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten. Die Arbeitsweise einer Suchmaschine wie jene der Beklagten zu 2 besteht darin, von Dritten ins Internet gestellte Daten oder dort veröffentlichte Informationen durch Suchprogramme zu finden, automatisch zu indexieren, zu speichern und den Internetnutzern in bestimmter Reihenfolge zur Verfügung zu stellen. Dies erfüllt die Voraussetzungen der „Verarbeitung“ im Sinne des Art. 4 Ziff. 2 DS-GVO, der die genannten Vorgänge erfasst. Dies betrifft auch Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen und damit „personenbezogene Daten“ im Sinne des Art. 4 Ziff. 1 DS-GVO darstellen. Damit verarbeitet die Beklagte zu 2 personenbezogene Daten im Sinne der DS-GVO, die demnach sachliche Anwendung findet (zur vergleichbaren alten Rechtslage [RL 95/46 EG] vgl. EuGH, Urteil vom 13.5.2014, C-131/12 [google spain], sowie [BDSG a.F.] BGH, Urteil vom 27.2.2018, aaO., jeweils zitiert nach juris).
bb) Die räumliche Anwendbarkeit der DS-GVO auf die in den USA ansässige Beklagte zu 2 folgt aus Art. 3 Abs. 2 DS-GVO. Nach lit. a) fallen Datenverarbeiter ohne Niederlassung in der Union unter die DS-GVO, soweit sie, gleich ob entgeltlich oder unentgeltlich, Daten von Personen, die sich in der Union befinden, verarbeiten, wenn die Datenverarbeitung damit in Zusammenhang steht, den betroffenen Personen in der Union Waren oder Dienstleistungen anzubieten. Die DS-GVO definiert nicht, was unter einer Ware oder Dienstleistung zu verstehen ist. Die Begriffe sind aber weit auszulegen, zumal es nicht auf eine Entgeltlichkeit ankommt (Auernhammer/von Lewinksi, DS-GVO/BDSG, 6. A., Art. 3 DS-GVO Rn. 13 und 14). Vorliegend bietet die Beklagte zu 2 in deutscher Sprache (vgl. dazu den Erwägungsgrund 23 der DS-GVO) den Nutzern (u.a.) in Deutschland die Möglichkeit an, über ihren Suchdienst gezielt nach im Internet vorhandenen Informationen zu suchen und auf sie zuzugreifen, wobei die Nutzer letztlich als „Bezahlung“ ihre Daten zur Verfügung stellen, um das Leistungsangebot nutzen zu können (Zerdick, in: Ehmann/Selmayr, DS-GVO, Art. 3 Rn. 17). Damit unterliegt die Beklagte zu 2 der DS-GVO (so ausdrücklich Trentmann, CR 2017, 26 ff.).
c) Der Senat geht davon aus, dass das Begehren des Klägers von der Rechtsfolge des Art. 17 DS-GVO erfasst wird.
aa) Nach Art. 17 Abs. 1 DS-GVO hat die betroffene Person unter bestimmten Voraussetzungen das Recht, von dem Verantwortlichen zu verlangen, dass sie betreffende personenbezogene Daten unverzüglich gelöscht werden. Die DS-GVO definiert nicht, was unter Löschung zu verstehen ist. Da Art. 4 Nr. 2 DS-GVO zwischen Löschen und Vernichten unterscheidet, setzt eine Löschung nicht zwingend eine Vernichtung der Daten voraus. Eine Löschung besteht aber grundsätzlich in der Unkenntlichmachung gespeicherter personenbezogener Daten (Kamann/ Braun, in: Ehmann/Selmayr, aaO,. Art. 17 Rn. 32).
bb) Allerdings verlangt der Kläger keine Löschung von Daten, sondern das Unterlassen der Anzeige von bestimmten URL in den Suchergebnissen der Suchmaschine der Beklagten zu 2 bei Eingabe bestimmter Suchbegriffe, sog. De-Listing. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 27.2.2018 (aaO.) ein entsprechendes Begehren nicht § 35 BDSG a.F. unterstellt, der nach altem Recht u.a. die Löschung von Daten regelte, sondern u.a. einen (datenschutzrechtlichen) Unterlassungsanspruch aus §§ 1004 BGB analog, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 29 BDSG (a.F.) geprüft. Auch das Landgericht hat in seinem Urteil die Anwendbarkeit des § 35 Abs. 1 BDSG (a.F.) mit der Begründung verneint, der dort normierte Anspruch auf Löschung entspreche nicht dem Rechtsschutzziel des Klägers.
cc) Es kann offen bleiben, ob dem nach der alten Rechtslage zu folgen war (vgl. OLG Celle, das auf das Begehren des „Entfernens“ eines Links und des „Verhinderns“, dass er erneut erscheint, § 35 BDSG a.F. angewandt hat, Urteil vom 1.6.2017, 13 U 178/16; Urteil vom 29.12.2016, 13 U 85/16, zitiert nach juris). Zumindest für die Zeit nach Inkrafttreten der DS-GVO ist der Senat der Auffassung, dass sich das von dem Kläger letztlich geltend gemachte „Recht auf Vergessen“ nach Art. 17 DS-GVO richtet.
Diesbezüglich ist zunächst zu berücksichtigen, dass bereits der EuGH die Verpflichtung, von der Ergebnisliste Links zu von Dritten veröffentlichten Internetseiten mit Informationen zu der betroffenen Person zu entfernen, als eine Verpflichtung zur Löschung im Sinne des Art. 12 lit. b) der Richtlinie 95/46/EG angesehen hat (EuGH, Urteil vom 13.5.2014, aaO.). Dabei ist das Begehren, über das der EuGH zu entscheiden hatte, identisch mit dem hier vorliegenden: es geht jeweils darum, dass bestimmte Links in der Ergebnisliste bei Eingabe bestimmter Suchbegriffe nicht mehr erscheinen. Dies kann man (untechnisch) als Löschung von Links bezeichnen (auch wenn eine Ergebnisliste niemals „feststeht“) oder als Unterlassung der erneuten Anzeige bei Eingabe der Suchparameter; in der Sache ist insoweit letztlich dasselbe Ergebnis gewünscht. Zudem hat die Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat dargelegt, dass die Beklagte zu 2 nach der EuGH-Entscheidung eine technische Lösung entwickelt hat, um dem „Löschungsbegehren“ durch eine Unterbindung der Verlinkung von Internetseiten zu bestimmten Suchparametern Rechnung zu tragen.
Hinzu kommt, dass die EuGH-Entscheidung mit in die Beratungen zu Art. 17 DS-GVO eingeflossen ist (vgl. Kamann/Braun, in: Ehmann/Selmayr, aaO., Art. 17 Rn. 6 f.). Insoweit ist nicht ersichtlich, dass gerade jene Fallkonstellation, die Gegenstand der Entscheidung war – nämlich das (untechnische) „Entfernen“ von Links von einer Suchliste – von Art. 17 DS-GVO, der nach seiner Überschrift auch das Recht auf Vergessen regelt – nicht erfasst sein soll. Dementsprechend wird in der Literatur – soweit ersichtlich – von einer Anwendung des Art. 17 DS-GVO auf Suchmaschinenbetreiber ausgegangen (vgl. nur Nolte/Werkmeister, in: Gola, DS-GVO, Art. 17 Rn. 46; Herbst, in: Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 2. A., Art. 17 Rn. 49; Kamann/Braun, in: Ehmann/Selmayr, aaO., Rn. 51), was nach Auffassung des Senats voraussetzt, dass auch das sog. De-Listing unter den Begriff der „Löschung“ fällt.
Insoweit ist die Reichweite des Löschungsanspruchs gegenüber Suchmaschinenbetreibern eingeschränkt: diese können zwar zur „Löschung“ einzelner Suchtreffer, die nach der Eingabe z.B. eines Namens angezeigt werden, verpflichtet sein; die Suchtreffer bzw. die verlinkten Webseiten müssen jedoch nicht vollständig aus dem Suchindex genommen werden, sondern können bei der Angabe anderer Suchwörter weiterhin von der Suchmaschine angezeigt werden (so ausdrücklich Nolte/Werkmeister, in: Gola, aaO., Rn. 47). Genau um diese Konstellation geht es vorliegend; der Kläger begehrt lediglich, dass die genannten URL nicht mehr bei Eingabe seines Namens (ggfls. mit Ortsangabe) erscheinen, während auf sie weiterhin z.B. bei Eingabe „X Mittelhessen“ soll zugegriffen werden können.
d) Die Voraussetzungen des Art. 17 DS-GVO, die die Beklagte zu 2 zu einer Löschung im vorbeschriebenen Sinne verpflichten würden, liegen jedoch nicht vor.
aa) Nach Art. 17 Abs. 1 DS-GVO hat der Kläger grundsätzlich das Recht, von der Beklagten zu 2 die Löschung der Verlinkung der nach Eingabe der angeführten Suchparameter erscheinenden Ergebnisliste mit den angeführten URL zu verlangen, wenn einer der unter lit. a) bis f) aufgeführten Gründe zutrifft.
(1) In Betracht kommt zunächst ein Recht auf Löschung nach Art. 17 Abs. 1 lit. a) DS-GVO, der voraussetzt, dass die personenbezogenen Daten für die Zwecke, für die sie erhoben oder in sonstiger Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig sind.
Diese Vorschrift folgt dem Prinzip der Zweckbindung und regelt den Fall des Entfallens jener Zwecke, für welche die Datenerhebung bzw. -verarbeitung erfolgte (Kamann/Braun, in: Ehmann/Selmayr, aaO., Art. 17 Rn. 20).
(a) Bezogen auf die Beklagte zu 2 erfolgt die Datenverarbeitung zu dem Zweck, die Artikel mit den angeführten URL auffindbar zu machen; dieser Zweck ist nicht entfallen.
(b) Denkbar ist allerdings im Hinblick auf die Vorschrift auch, auf den Inhalt der verlinkten Presseartikel abzustellen. Eine solche Zweckerfüllung käme allenfalls dann in Betracht, wenn sich jegliches Informationsinteresse durch Zeitablauf erledigt hätte (vgl. BGH, Urteil vom 27.2.2018, aaO.). Insofern ist bereits zweifelhaft, ob eine solche Zweckerfüllung bei einem Presseartikel überhaupt eintreten kann (so auch OLG Köln, Urteil vom 19.10.2017, I-15 U 33/17, zitiert nach juris). Im Übrigen kann eine solche „Zweckerfüllung“ nur durch eine Abwägung der widerstreitenden Interessen im Einzelfall festgestellt werden. Hier ist zu berücksichtigen, dass sich die Vorschrift des Art. 17 Abs. 1 lit a) DS-GVO in Bezug zu Art. 5 Abs. 1 lit. c) bis d) DS-GVO setzt, der Art. 6 Abs. 1 lit. c) bis e) der Richtlinie 95/46 nachfolgt (Kamann/Braun, in: Ehmann/Selmayr, aaO., Art. 17 Rn. 20). Der EuGH hat in seiner google-spain-Entscheidung (aaO.) aus den in Art. 6 Abs. 1 lit. c) bis e) der Richtlinie 95/46 enthaltenen Anforderungen geschlossen, dass auch eine ursprünglich rechtmäßige Verarbeitung sachlich richtiger Daten im Laufe der Zeit nicht mehr den Bestimmungen der Richtlinie entsprechen kann, wenn die Daten für die Zwecke, für die sie erhoben oder verarbeitet worden sind, nicht mehr erforderlich sind. Das ist insbesondere der Fall, wenn sie diesen Zwecken in Anbetracht der verstrichenen Zeit nicht entsprechen, dafür nicht oder nicht mehr erheblich sind oder darüber hinausgehen (EuGH, aaO., Rn. 93). Insofern hat der EuGH auf eine Interessenabwägung nach Art. 7 Abs. 1 lit f) Richtlinie 95/46 abgestellt, dem wiederum im Wesentlichen Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit). f DS-GVO entspricht.
Damit ist zugleich der Löschungsgrund nach Art. 17 Abs. 1 lit d) betroffen, wonach unrechtmäßig verarbeitete personenbezogene Daten zu löschen sind, womit auf Art. 6 DS-GVO verwiesen wird. Nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DS-GVO ist die Verarbeitung nur rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Personen überwiegen.
(2) Zugleich ist allerdings zu berücksichtigen, dass insoweit eine unrechtmäßige Datenverarbeitung nach Art. 17 Abs. 1 lit. d) DS-GVO vorliegt, als die verlinkten Artikel Gesundheitsdaten des Klägers enthalten, deren Verarbeitung nach Art. 9 Abs. 1 DS-GVO unzulässig ist. In den Artikeln wird nämlich darüber berichtet, dass sich der Kläger krank gemeldet habe, sich in einer Reha-Maßnahme befinde, die bis Anfang April 2012 verlängert worden sei, er sich in einer seit langer Zeit terminierten medizinischen Behandlung befinde und er aus gesundheitlichen Gründen nicht im Dienst gewesen sei.
Entgegen der Auffassung der Beklagten zu 2 handelt es sich um Gesundheitsdaten im Sinne des Art. 9 Abs. 1 DS-GVO. Nach Art. 4 Ziff. 15 DS-GVO sind Gesundheitsdaten personenbezogene Daten, die sich auf die körperliche oder geistige Gesundheit einer natürlichen Person […] beziehen und aus denen Informationen über deren Gesundheitszustand hervorgehen. Unter diese Definition lassen sich die vorstehenden Angaben ohne Weiteres subsumieren. Etwas anderes gilt auch nicht deshalb, weil die in Art. 9 Abs. 1 DS-GVO genannten Kategorien im Einzelfall kontextbezogen zu prüfen seien und eine Auswertungsabsicht des Verarbeiters bestehen müsse, was nach Auffassung der Beklagten zu 2 nicht der Fall sei. Die Einordnung als sensibles Datum erfolgt in Art. 9 Abs. 1 DS-GVO grundsätzlich unabhängig vom jeweiligen Verarbeitungskontext und den konkreten Umständen des Einzelfalls (Sydow/Kampert, Europäische Datenschutzgrundverordnung, 2. A., Art. 9 Rn. 1; Schiff, in: Ehmann/Selmayr, aaO., Art. 9 Rn. 2 f.), was bereits unter Geltung der Richtlinie 95/46 kritisiert wurde (Schiff, in: Ehmann/Selmayr, aaO., Rn. 2). Allerdings stellt sich die Frage des Verarbeitungskontextes und der Auswertungsabsicht (dazu Schulz/Gola, aaO., Art. 9 Rn. 11) im Wesentlichen bei der ersten Gruppe von Daten (Art. 9 Abs. 1 Hs. 1 DS-GVO), bei der aus den Daten bestimmte Eigenschaften einer Person folgen („hervorgehen“). Demgegenüber ist bei der zweiten Gruppe, zu der auch die Gesundheitsdaten zählen, unmittelbar die Verarbeitung der gelisteten Daten verboten (Albers/Veit, in: Wolff/Brink, BeckOK Datenschutzrecht, Stand 1.5.2018, Art. 9 Rn. 19). Zwar mögen als im Kern sensibel bewertete Daten der zweiten Gruppe im Einzelfall „belanglos“ sein (Albers/Veit, in: Wolff/Brink, aaO., Rn. 20a). Eine solche Belanglosigkeit kann aber nicht für die zur Gesundheit des Klägers mitgeteilten Daten angenommen werden, selbst wenn es – wie die Beklagte zu 2 anführt – dem Kläger letztlich nicht um die Gesundheitsdaten ginge, sondern darum, die für ihn unangenehme Information unauffindbar zu machen, dass er sich seiner Verantwortung als Geschäftsführer entzogen habe. Denn dass er sich der Verantwortung entzogen haben soll, wird gerade mit sensiblen Gesundheitsdaten des Klägers begründet.
(bb) Allerdings gilt dies nach Art. 17 Abs. 1 DS-GVO nicht, soweit die Verarbeitung zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information erforderlich ist, Art. 17 Abs. 3 lit. a) DS-GVO.
Mit dieser Ausnahme setzt der Gesetzgeber die allgemeine Vorgabe der Rechtsprechung des EuGH um, wonach der (Grundrechts-) Schutz von personenbezogenen Daten betroffener Personen im Sinne der DS-GVO stets in einen angemessenen Ausgleich mit den Grundrechten und Interessen des Verantwortlichen und Dritter zu bringen ist. Hierzu gehören insbesondere das Grundrecht auf Meinungsfreiheit, insbesondere auch von Journalisten, Wissenschaftlern. Künstlern und Schriftstellern, als auch das Grundrecht auf Informationszugangsfreiheit gemäß Art. 11 Abs. 1 GRCh (Kamann/Braun, in: Ehmann/Selmayr, aaO., Art. 17 Rn. 50). Der Begriff der „Erforderlichkeit“ schafft Raum für eine Abwägungsentscheidung im Einzelfall (Worms, in: Wolff/Brink, aaO., Art. 17 Rn. 79), ohne dass Art. 17 Abs. 3 lit a) DS-GVO allerdings konkrete Abwägungskriterien an die Hand gäbe (kritisch dazu Sydow/Peuker, aaO. Art. 17 Rn. 60). Insoweit bietet es sich aber (auch hier) an, die in Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DS-GVO normierte zentrale Abwägungsklausel heranzuziehen (ähnlich Trentmann, aaO.).
cc) Die Vornahme einer solchen Abwägung führt im vorliegenden Fall dazu, dass die Verarbeitung insgesamt rechtmäßig ist.
Abzuwägen sind auf der einen Seite das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK, Art. 7, Art. 8 EU-Grundrechtecharta und auf der anderen Seite das Recht der Beklagten zu 2 und der Nutzer ihrer Suchmaschine auf Kommunikationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK, Art. 11 EU-Grundrechtecharta unter Berücksichtigung der mittelbaren Drittwirkung von Grundrechten (BGH, Urteil vom 27.2.2018, aaO.).
(1) Dabei ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu berücksichtigen, dass den Suchmaschinenbetreiber aufgrund seiner besonderen Stellung erst dann spezifische Verhaltenspflichten treffen, wenn er durch einen konkreten Hinweis Kenntnis von einer offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen durch den Inhalt einer in der Ergebnisliste der Suchmaschine nachgewiesenen Internetseite erlangt hat. Der Hinweis ist erforderlich, um den grundsätzlich nicht zur präventiven Kontrolle verpflichteten Diensteanbieter in die Lage zu versetzen, in der Vielzahl der indexierten Internetseiten diejenigen auffinden zu können, die möglicherweise die Rechte Dritter verletzen. Ein Rechtsverstoß kann beispielsweise im oben genannten Sinn auf der Hand liegen bei Kinderpornographie, Aufruf zur Gewalt gegen Personen, offensichtlichen Personenverwechslungen, Vorliegen eines rechtskräftigen Titels gegen den unmittelbaren Störer, Erledigung jeglichen Informationsinteresses durch Zeitablauf, Hassreden oder eindeutiger Schmähkritik (BGH, Urteil vom 27.2.2018, aaO.).
Zugleich gesteht der Bundesgerichtshof dem Suchmaschinenbetreiber zu, dass ihm eine sichere und eindeutige Beurteilung, ob unter Berücksichtigung aller widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange und der Umstände des Einzelfalls das Schutzinteresse der Betroffenen die schutzwürdigen Belange der Internetseitenbetreiber sowie der Internetnutzer überwiegt, im Regelfall nicht ohne weiteres möglich ist.
Legt man diesen Maßstab – den der Bundesgerichtshof auch auf einen datenschutzrechtlichen Unterlassungsanspruch nach Art. 1004 BGB analog, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 4, 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 BDSG a.F. angewandt hat (BGH, Urteil vom 27.2.2018, aaO.) – zugrunde, geht die Abwägung zu Lasten des Klägers, da es zumindest an einer für die Beklagte zu 2 offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung fehlt.
Im Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung waren die Berichterstattungen rechtmäßig. Diese enthielten wahre Tatsachenbehauptungen, die grundsätzlich hinzunehmen sind, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind (BGH, Urteil vom 8.5.2012, VI ZR 217/08, zitiert nach juris). Das Landgericht hat auch zu Recht darauf abgestellt, dass der Umstand, dass der Kläger Geschäftsführer des X Mittelhessen war, seiner Sozialsphäre entstammt, und dass ein erhebliches öffentliches Interesse an einer Berichterstattung besteht, wenn der X Mittelhessen mit damals mehr als 500 Mitarbeitern und über 35.000 Mitgliedern in finanzielle Schieflage gerät und zudem der Geschäftsführer aus gesundheitlichen Gründen nicht an der Restrukturierung mitwirken kann. Dabei ist auch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die Angaben zu dem (damaligen) Gesundheitszustand des Klägers nicht moniert hat. Es hat bei seiner Abwägung auf der einen Seite berücksichtigt, dass es sich um besondere Daten im Sinne von § 3 Abs. 9 BDSG (a.F.) handelt, sie auf der anderen Seite aber in Anlehnung an die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Presseberichterstattung über den Gesundheitszustand von Michael Schumacher (Urteil vom 29.11.2016, VI ZR 382/15) zu Recht als zu unkonkret angesehen, um ein genaues Ausmaß der gesundheitlichen Beeinträchtigung des Klägers zu offenbaren. Zudem dienten sie nach der zutreffenden Würdigung des Landgerichts auch zur Begründung der Angabe, warum der Kläger in der aktuellen Schieflage des X Mittelhessen nicht zur Mitarbeit zur Verfügung stand. Dadurch wurde die Berichterstattung über die Schieflage bei dem X Mittelhessen und die fehlende Möglichkeit des Klägers als Geschäftsführer, sich um die Situation zu kümmern, abgerundet. Es gab deshalb für die Beklagte zu 2 keine Anhaltspunkte für eine offensichtliche und auf den ersten Blick erkennbare Rechtsverletzung im Hinblick auf die den Inhalt der Beiträge.
(2) Es ist im Rahmen der Abwägung auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte zu 2 die Berichterstattungen trotz der darin enthaltenen Angaben zum Gesundheitszustand des Klägers mit der Ergebnisliste verlinkt hat. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass ohne Suchmaschinen das Internet aufgrund der nicht mehr übersehbaren Flut von Daten für den Einzelnen nicht mehr sinnvoll nutzbar wäre und damit die Nutzung des Internets insgesamt auf die Existenz und Verfügbarkeit von Suchmaschinen angewiesen ist (BGH, Urteil vom 27.2.2018, aaO.). In Bezug auf von der Suchmaschine aufgegriffene Presseartikel ist zudem das Interesse der Autoren aus Art. 5 Abs. 1 GG zu beachten, dem es widerspräche, wenn an sich zulässige Berichterstattungen nicht über Suchmaschinen auffindbar gemacht werden könnten, weil auch (allgemein gehaltene) Gesundheitsdaten mitgeteilt wurden. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 85 DS-GVO i.V.m. § 10 Hessisches Pressegesetz für die Datenverarbeitung zu journalistischen Zwecken Art. 9 DS-GVO keine Anwendung findet und der Gesetzgeber dabei auch „Hilfsunternehmen“ der Presse einbezogen hat. Zwar dürfte es sich bei einer Suchmaschine nicht um ein solches Hilfsunternehmen handeln; dennoch macht dies deutlich, dass auch im Rahmen der Veröffentlichung bzw. Auffindbarkeit von Presseberichterstattungen im Internet die Vorschriften der DS-GVO nicht uneingeschränkt herangezogen werden können.
(3) Schließlich haftet die Beklagte zu 2 auch nicht deshalb gegenüber dem Kläger, weil sie ein diesem zustehendes Recht auf Vergessenwerden missachtet hat.
(a) In seiner Entscheidung vom 27.2.2018 hat der Bundesgerichtshof das „Recht auf Vergessenwerden“ als Unterfall der reaktiven Prüfpflicht der Suchmaschinenbetreiber angesehen, indem er unter Bezugnahme auf die google-spain-Entscheidung des EuGH angenommen hat, dass eine offensichtliche und auf den ersten Blick klar erkennbare Rechtsverletzung bei „Erledigung jeglichen Informationsinteresses durch Zeitablauf“ auf der Hand liegen könne.
Der hier vorliegende Zeitablauf von (jetzt) sechs bis sieben Jahren seit der Veröffentlichung der Artikel lässt nicht eindeutig auf die Erledigung jeglichen Informationsinteresses schließen, auch wenn sich die finanzielle Situation des X Mittelhessen mittlerweile gebessert hat und der – offenbar gesundete – Kläger dort auch nicht mehr tätig ist. Deshalb liegt danach auch insoweit keine offensichtliche Rechtsverletzung vor.
(b) Eine davon abweichende Beurteilung ist auch nicht aufgrund der google-spain-Entscheidung des EuGH (aaO.) veranlasst.
(aa) Allerdings könnte die Reduzierung des „Zeitmoments“ auf die offensichtliche Erledigung jeglichen Informationsinteresses der google-spain-Entscheidung des EuGH widersprechen. Denn der EuGH hat angenommen, dass bei der Prüfung, ob die betroffene Person ein Recht darauf hat, dass (wahre) Informationen über sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr durch eine Ergebnisliste mit ihrem Namen in Verbindung gebracht werden, eine Abwägung vorzunehmen ist, bei der grundsätzlich die Grundrechte der betroffenen Personen aus Art. 7 der EU-Grundrechte-Charta (Recht auf Achtung des Privatlebens) und Art. 8 der Charta (Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten) überwiegen; dies soll (nur) dann nicht der Fall sein, wenn sich aus besonderen Gründen ergeben sollte, dass der Eingriff in die Grundrechte dieser Person durch das überwiegende Interesse der breiten Öffentlichkeit daran, über die Einbeziehung in eine derartige Ergebnisliste Zugang zu der betreffenden Information zu haben, gerechtfertigt ist (Rn. 94 ff.). Gerade wegen letzterem geht der Kläger in seiner Berufungsbegründung von einer Beweislastumkehr dergestalt aus, dass es an der Beklagten zu 2 wäre darzulegen, dass besondere Gründe vorliegen, die ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an den Informationen – noch Jahre später – begründen.
(bb) Es ist bereits fraglich, ob die Entscheidung des EuGH vorliegend überhaupt einschlägig ist.
(aaa) Zum einen ging es bei der von dem EuGH angenommenen Interessenabwägung nicht um eine Meinungsäußerung oder um durch die Meinungsfreiheit geschützte Tatsachenbehauptungen, sondern um Informationen über eine Zwangsversteigerung, die auf Anforderung des Arbeits- und Sozialministeriums in einer Zeitung veröffentlich wurden; deshalb bestehen Bedenken, das Urteil des EuGH auf Presseveröffentlichungen zu übertragen (siehe bereits oben unter II. 1d) aa) (1) (b)).
(bbb) Zudem kommt in Betracht, dass der „Regel-Ausnahme-Mechanismus“, wie ihn der EuGH in seinem google-spain-Urteil statuiert hat, im Rahmen der Abwägung nach Art. 17 Abs. 3, Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DS-GVO keine Anwendung mehr findet. So wird in der Literatur (vgl. Trentmann, aaO.) darauf hingewiesen, dass sich der „Regel-Ausnahme-Mechanismus“ des EuGH in Art. 6 bzw. Art. 17 DS-GVO nicht wiederfindet, selbst die Erwägungsgründe der Verordnung ihn nicht aufgreifen und sich ein vorgeschlagener Erwägungsgrund 53a nicht durchsetzen konnte, in dem zur Konkretisierung des Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DS-GVO bei Suchmaschinen und Trefferlinks deutlich an den „Abwägungsmechanismus“ des EuGH angeknüpft wurde. Dies spricht zumindest dafür, den „Abwägungsmechanismus“ des EuGH nicht schematisch anzuwenden, sondern mit Vorsicht den jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung zu tragen.
(ccc) Der Senat ist hier mit dem Landgericht der Auffassung, dass der Kläger (noch) keinen Unterlassungs- bzw. Löschungsanspruch aus dem Gesichtspunkt des „Rechts auf Vergessen“ hat. Der Kläger möchte das „Weniger“ beim Zeitablauf durch ein „Mehr“ an Betroffenheit durch die Veröffentlichung von Gesundheitsdaten ausgleichen. Die Veröffentlichung dieser Daten war aber zulässig, auch wenn verständlich ist, dass der Kläger sie nicht in der Öffentlichkeit wissen möchte. Zugleich ist zu berücksichtigen, dass die Vorkommnisse, um die es geht und die aufgrund von Stellenstreichungen, Streichungen bei Leistungen etc. auf viele Menschen Auswirkungen hatten (vgl. z.B. den Artikel vom 8.1.2013 Anlage B9 Bl. 263 d.A.), erst wenige Jahre zurückliegen, die Rechtsprechung das berechtigte Interesse der Öffentlichkeit nicht nur an der Information über das aktuelle Zeitgeschehen, sondern auch an der Möglichkeit anerkennt, vergangene zeitgeschichtliche Ereignisse zu recherchieren (BGH, Urteil vom 8.5.2012, VI ZR 217/08, zitiert nach juris), und die Vorkommnisse letztlich auch zu dem beruflichen Werdegang des Klägers gehören, die nicht ohne Weiteres aus seinem Leben gestrichen werden können. Von daher lässt sich auch unter Berücksichtigung der EuGH-Grundsätze feststellen, dass das Interesse der Öffentlichkeit an der weiteren Zurverfügungstellung der Berichte auch im Zusammenhang mit einer Suche nach dem Namen des Klägers, ggfls. in Verbindung mit einer örtlichen Angabe, das Persönlichkeitsrecht des Klägers überwiegt.
2. Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 2 auch keinen Anspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB (analog) i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 GG.
Dabei kann offen bleiben, ob es sich bei Art. 17 DS-GVO um eine abschließende Spezialnorm handelt, die § 823 Abs. 1 und 2 BGB als weitere Anspruchsgrundlagen ausschließt (so Nolte/Werkmeister, in: Gola, aaO., Art. 17 Rn. 73). Denn auch im Rahmen eines (Unterlassungs-) Anspruchs aus den vorbenannten Ansprüche gilt, dass die Beklagte zu 2 als Suchmaschinenbetreiberin erst dann spezifische Verhaltenspflichten trifft, wenn sie durch einen konkreten Hinweis Kenntnis von einer offensichtlichen und auf den ersten Blick erkennbaren Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen durch den Inhalt einer in der Ergebnisliste der Suchmaschine nachgewiesenen Internetseite erlangt hat (BGH, Urteil vom 27.2.2018, aaO.). Zudem sind auch in diesem Zusammenhang keine Gesichtspunkte ersichtlich, die für ein Überwiegen des Anonymitätsinteresses des Klägers sprechen.
Nach alledem hat die Berufung keinen Erfolg.
C. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 709 S. 1 und 2 ZPO.
Die Revision war nach § 543 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO zuzulassen. Die Frage der zeitlichen Anwendbarkeit von Art. 17 DS-GVO, der Anwendbarkeit der Norm auf das konkrete Begehren des Kläger sowie des Umgangs von Suchmaschinen mit sensiblen (Gesundheits-) Daten im Sinne des Art. 9 Abs. 1 DS-GVO sind über den konkreten Einzelfall hinaus von grundlegender Bedeutung und höchstrichterlich noch nicht geklärt.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren folgt aus §§ 48 Abs. 2, 47 Abs. 1 GKG.