Urteile aus der Kategorie „Allgemein“

12. September 2023 Top-Urteil

Inhalte von Gruppenchats nur in Ausnahmefällen vertraulich

Chatverlauf auf schwarzem Smartphone
Pressemitteilung des BAG zum Urteil vom 24.08.2023, Az.: 2 AZR 17/23

Entgegen der vorinstanzlichen Gerichte entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG), dass Inhalte privater Whatsapp-Gruppenchats außerordentliche Kündigungen durch den Arbeitgeber begründen können. Auf den Einwand des Arbeitnehmers, er habe erwartet die Chats seien in Vertrauen geschrieben worden, kann sich dieser nur in Ausnahmefällen berufen. Dazu sei eine besonders persönlichkeitsschützende Sphäre vonnöten. Dabei komme es auf die Inhalte der Nachrichten sowie die Größe und Zusammensetzungen der Gruppe an. Chatten mehrere Arbeitskollegen in einer Whatsapp-Gruppe in stark beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise über Vorgesetzte, so mangele es laut BAG an einer solchen berechtigten Vertraulichkeitserwartung.

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23. August 2023

Schüler fotografiert seinen Lehrer – schriftlicher Schulverweis rechtmäßig?

Mann fotografiert aus dem Auto
Pressemitteilung des VG Berlin zum Urteil vom 21.07.2023, Az.: VG 3 K 211/22

In Berlin hatte das Verwaltungsgericht zu entscheiden, ob ein schriftlicher Schulverweis eine rechtmäßige Maßnahme der Schule ist, wenn der Schüler Fotoaufnahmen von einem Lehrer ohne dessen Einverständnis angefertigt und innerhalb der Schule verbreitet hat. Laut dem Verwaltungsgericht beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle wegen eines pädagogischen Beurteilungsspielraums der Schule darauf, ob der Sachverhalt zutreffend ermittelt und die Grenzen der Verhältnismäßigkeit eingehalten wurden. Im Ergebnis sei ein schriftlicher Verweis als mildeste Maßnahme verhältnismäßig, da der Schüler sowohl die Hausordnung als auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Lehrers verletzt habe. Überdies zeige sich der Schüler uneinsichtig.

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03. Juli 2023

Personalvermittlungsprovisionen liegen im unternehmerischen Risiko des Arbeitgebers

Drei Würfel mit den Buchstaben "AGB" liegen auf einem Vertragswerk; darüber wird eine Lupe gehalten
Pressemitteilung des BAG zum Urteil vom 20.06.2023, Az.: 1 AZR 265/22

Arbeitsvertragsklauseln, die den Arbeitnehmer zur Rückerstattung einer durch den Arbeitgeber gezahlten Vermittlungsprovision verpflichten, wenn dieser das Arbeitsverhältnis vor Ablauf einer konkreten Frist eigenständig kündigt, benachteilige den Arbeitnehmer unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Der Arbeitnehmer habe nach Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG ein Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes. Rechtfertigende Gründe für eine Einschränkung dieses Rechts im Wege einer solchen Arbeitsvertragsklausel sind nicht ersichtlich. Vielmehr trage der Arbeitgeber das unternehmerische Risiko für kostspielige Personalbeschaffungsmaßnahmen selbst.

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30. Juni 2023

Reservierungsverträge zum gebührenpflichtigen Vorbehalt von Immobilienkäufen müssen der AGB-Kontrolle standhalten

Immobilienzeitung mit Haus im Hintergrund
Urteil des BGH vom 20.04.2023, Az.: I ZR 113/22

Vereinbaren ein Immobilienmakler und ein Kaufinteressent während eines bereits bestehenden Immobilienmaklervertrags einen gebührenpflichtigen und zeitlich begrenzten Reservierungsvertrag, wodurch dem Interessenten eine konkreten Immobilie vorbehalten wird, so stellt dies eine der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterliegende Nebenabrede zum Maklervertrag dar. Dies entschied der BGH entgegen vorinstanzlicher Entscheidungen. Ein solcher Vertrag benachteilige den Kunden unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, wenn eine Rückerstattungsmöglichkeit für den Fall, dass der Immobilienkauf scheitert, vollständig ausgeschlossen ist und zudem fraglich bleibt, welche nennenswerte Gegenleistung des Maklers eine solche Gebühr rechtfertigen könnte. Von einer ausreichenden Gegenleistung kann laut BGH nur ausgegangen werden, wenn der Reservierungszeitraum so lange andauert, dass ein anderweitiger Verkauf nach Ablauf der Frist nahezu ausgeschlossen ist.

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22. Juni 2023 Top-Urteil

Die Vergütungregelungen der Arbeit von Strafgefangenen in Bayern und Nordrhein-Westfalen sind verfassungswidrig

Geld Münzen und Scheine
Urteil des BVerfG vom 20.06.2023, Az.: 2 BvR 166/16 und 2 BvR 1683/17

In einer Grundsatzentscheidung stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass die Regelungen über die Vergütung von Strafgefangenen in den Bundesländern Bayern und Nordrhein-Westfalen verfassungswidrig sind, da sie gegen das Resozialisierungsgebot (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) verstoßen. Damit bekamen zwei Häftlinge aus den jeweiligen Bundesländern, die Verfassungsbeschwerde gegen den geringen Lohn von ca. 2€ pro Stunde eingelegt hatten, Recht. Diese Entscheidung basiert auf der Feststellung, dass es dem Gebot der Resozialisierung entgegenwirke, wenn die Gefangenen keine bzw. eine zu geringe Wertschätzung für ihre verrichtete Arbeit bekommen. Das BVerfG weist in seinem Urteil darauf hin, dass der Gesetzgeber hier dringend nachbessern und ein "in seiner Gesamtheit schlüssiges Resozialisierungskonzept" entwerfen müsse, wofür eine Frist bis zum 30.06.2025 festgelegt wurde. Dabei sollen vor allem der Zweck der Gefangenenarbeit und damit der Vergütung geregelt sein, wobei diese auf die Erreichung des Zwecks abgestimmt sein muss.

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20. Juni 2023

Auslistungsbegehren gegen Online-Suchmaschine Google – ohne weiteres durchsetzbar?

Laptop mit Google Suche
Pressemitteilung des BGH zum Urteil vom 23.05.2023, Az.: VI ZR 476/18

Dem Begehren einer Person, Inhalte über sich auf der Online-Suchmaschine "Google" löschen zu lassen, muss der Betreiber der Plattform nur nachkommen, wenn der Begehrende relevante und hinreichende Nachweise vorlegen kann, die beweisen, dass zumindest ein nicht unbedeutender Teil der veröffentlichten Informationen unrichtig ist. Insofern stimmt der Bundesgerichtshof den Vorinstanzen zu. Sofern Fotos der betroffenen Personen als Vorschaubilder für die entsprechenden Artikel angezeigt werden, besteht laut BGH ein Recht auf deren Auslistung, sofern diese ohne jeglichen Kontext veröffentlicht wurden. Diesbezüglich widersprach der Bundesgerichtshof dem Landgericht.

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02. Juni 2023

Gemeinschaftspraxis bestehend aus zwei Ärzten wird als medizinisches „Zentrum“ geführt – unlauter und irreführend?

Arzt mit Stethoskop
Pressemitteilung des OLG Frankfurt am Main zum Urteil vom 11.05.2023, Az.: 6 U 4/23

Das OLG Frankfurt am Main entschied in zweiter Instanz, dass die Bezeichnung einer Gemeinschaftspraxis als "Zentrum für ästhetische und plastische Chirurgie" nicht irreführend und unlauter ist, auch wenn sich diese nur aus zwei Ärzten zusammensetzt. Zwar erwarte die Allgemeinheit bei einer solchen Bezeichnung eine personelle Struktur, die über vergleichbare Durchschnittsunternehmen hinausgehe, allerdings sei zumindest im medizinischen Bereich keine erforderliche Mindestgröße vonnöten. Insbesondere wegen dem häufigen Auftreten medizinischer Versorgungszentren sei der Bürger an solche Begrifflichkeiten gewöhnt. Dies wirke der Auffassung entgegen, dass es sich dabei um überdurchschnittlich große Praxen handeln muss.

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01. Juni 2023 Top-Urteil

Jetzt doch Ansprüche wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen?!

Auspuff eines Autos
Urteil des EuGH vom 21.03.2023, Az.: C-100/21

Nach langem hin- und her hat der EuGH nun überraschend entschieden: der Schadensersatz gegen Automobilhersteller wegen der Verwendung von Abschalteinrichtungen darf nicht auf null hinauslaufen. Es bleibt abzuwarten, wie die deutschen Gerichte auf diese Entscheidung reagieren; Betroffene dürfen also wieder hoffen.

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08. Mai 2023

Polizeibeamter behandelt polizeiliche Themen bei „TikTok“ – Untersagung durch Dienstbehörde rechtmäßig?

Polizeibeamter überwacht Menschenmenge
Beschluss des OVG Berlin-Brandenburg vom 17.04.2023, Az.: OVG 4 S 4/23

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hatte in zweiter Instanz zu entscheiden, ob die behördeninterne Untersagung gegenüber einem Polizeibeamten, der bei "TikTok" - erkennbar als tatsächlicher Polizist - mit anderen Nutzern dieser Plattform interagierte, sofort vollziehbar ist. Das OVG entschied zuungunsten des Polizeibeamten, da die Tätigkeit des "TikToker-Polizisten" gegen die dienstliche Pflicht verstoße. Speziell werde das Ansehen der Polizei, das es gem. § 101 S. 2 LBG zu wahren gilt, geschädigt. Dies wird dadurch begründet, dass der klagende Beamte auf der Social-Media-Plattform mit Verfahrensbeteiligten und anderen Personen aus kriminalitätsbelastenden Milieus Konversationen führte. Dies erzeuge ein unangemessenes Verhältnis zwischen der Polizei und Verfahrensbeteiligten. Dass sich die Gesprächspartner duzten, wirke insoweit bekräftigend.

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20. April 2023

Schadensersatzansprüche gegen Facebook wegen sog. Scrapings?

Urteil des LG Offenburg vom 28.02.2023, Az.: 2 O 98/22

Werden öffentlich einsehbare persönliche Informationen (z.B. Name, Alter) von Dritten abgeschöpft, so begründet dies nicht unbedingt einen Schadensersatzanspruch in Verbindung mit der DSGVO. Im vorliegenden Fall klagte eine Privatperson gegen Facebook, da die Abschöpfung öffentlicher Daten zu Ruhelosigkeit und Unwohlsein geführt hätte. Glaubhaft fand das LG Offenburg dies jedoch nicht - schließlich könne der Kläger selbst entscheiden, welche Daten er veröffentlicht.

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